Blacky, Bill und die Zwillinge verteidigten das Backbordschanzkleid. Im Stakkato hallten jetzt die Schüsse, ihr Echo wurde von den Inselhügeln zurückgeworfen.
Ben Brighton hatte die Bodenstükke der beiden achteren Drehbassen ganz hochgedrückt und visierte über die Läufe die Piragua des Häuptlings Surkut an. Sie lag unter der Heckgalerie, und einige der Eingeborenen befanden sich noch an Bord, während der Rest der Besatzung – allen voran Surkut – über das Ruder zum Hennegat hinaufhangelten.
Eigentlich hätte Ben durch den Boden der Heckgalerie feuern müssen, um die Piragua zu treffen, aber er zögerte, es zu tun, denn er wollte nicht das eigene Schiff beschädigen.
Dann half ihm ein Umstand, mit dem er nicht gerechnet hatte. Die Piragua war nicht am Heck der „Isabella“ vertäut worden, sie dümpelte auf den flachen Wellen der Bucht und trieb wieder ein Stück ab. Kaum war sie auch nur zur Hälfte in Sicht, zündete Ben die beiden Hinterlader kurz nacheinander.
Sie donnerten und jagten ihre Ladung mitten in die Piragua. Die Todeslaute der Indios drangen zu Ben hoch, und er sah die Gestalten ins Wasser kippen. Er verfolgte auch noch, wie einer der Krieger das Ruder losließ und ebenfalls in die Fluten stürzte. Der heiße Feuerschweif, den die Bassen ausgespuckt hatten, mußte ihn erfaßt und von seinem Halt weggerissen haben.
Ben bückte sich und nahm ein Tromblon – auch Blunderbuss genannt – zur Hand. Er richtete sich auf, beugte sich wieder über die Heckreling und sah Surkut und zwei andere, die soeben die Galerie erklettert hatten.
Ben richtete das Tromblon auf sie und zog den Stecher, doch es war schon zu spät. Sie verschwanden in der Kapitänskammer, deren äußere Tür leider nicht verriegelt war.
Die Ladung des Tromblons erwischte nur einen vierten Indio, der gerade in diesem Augenblick seinen bemalten Kopf über die Galerie steckte. Das gehackte Blei und Eisen trafen ihn voll. Schreiend glitt er von der Galerie ab, prallte auf seinen nachfolgenden Kumpanen und riß diesen mit in die Tiefe.
Ben drehte sich um und stürmte von der Kampanje aufs Achterdeck. In größter Hast enterte er aufs Hauptdeck ab und rief: „Aufpassen! Sie sind in der Hütte – drei Mann!“
Er hatte kaum ausgesprochen, da flog das Schott des Achterkastells auf, und die Öffnung spuckte die drei dunklen Leiber aus, die speerschwingend auf die Kuhl stürzten.
Carberry fuhr vom Steuerbordschanzkleid herum, tat zwei lange Schritte und riß seine Pistole aus dem Gurt. Eine Lanze, von Surkut geschleudert, raste auf ihn zu, aber er ließ sich so geistesgegenwärtig und behende fallen und rollte sich auf den Planken ab, wie Surkut es von einem Gegner dieser Größe nicht erwartet hatte.
Der Speer flog über Carberry weg und blieb im Großmast stecken. Carberry richtete sich neben der Kuhlgrätin halb auf, hielt die Pistole mit beiden Händen vorgestreckt und drückte ab. Die Kugel traf, aber sie schickte nicht Surkut, sondern einen von dessen Untertanen zu Boden.
Ben Brighton wollte auch mit der Pistole auf Surkut und den anderen Indio schießen, aber er mußte sie jetzt gegen die Wilden einsetzen, die scharenweise über das Steuerbordschanzkleid kletterten. Der Schuß raffte einen Kerl weg und beförderte ihn zurück ins Wasser, doch die anderen rückten unbeirrt nach und enterten die „Isabella“. Das Unheil war nicht mehr aufzuhalten. Die Seewölfe wichen zurück, zum Großmast und zur Kuhlgräting, wo der Profos mit seinem Säbel gegen Surkut zu kämpfen begonnen hatte.
Al Conroy hielt wutentbrannt den Luntenstock an eine der geladenen Steuerbord-Culverinen, denn zwei Indios klammerten sich von außen an deren Rohr fest und versuchten gleichzeitig, durch die Stückpforte aufs Hauptdeck vorzudringen. Sie gerieten sich dabei ins Gehege, und mitten in ihr Gezeter hinein donnerte der Schuß des Siebzehnpfünders.
Al sah kaum noch, wie der eine in die Bucht hinauskatapultiert wurde und der andere schreiend das heiße Eisenrohr losließ. Er wandte sich um, zog sein Entermesser und stürmte zur Mitte der Kuhl, denn dort tobte jetzt ein furchtbarer Kampf.
Philip junior und Hasard junior hatten noch zwei Musketen nachladen können. Sie feuerten sie auf die Indios ab, die ihnen am nächsten standen. Dann aber waren auch die letzten Schüsse verhallt, und jetzt galt es, sich mit allen Mitteln im Nahkampf zu behaupten.
Auch Blacky schlug sich, so gut er konnte, und er dankte in diesem Moment dem Himmel, daß seine linke, nicht die rechte Schulter verwundet war, so daß er mit rechts immer noch einen Säbel führen konnte.
Surkut hatte sein Kaoba, das lange Häuptlingsmesser, gezogen und hieb damit wild auf den Profos ein. Carberry hätte sich den Kerl ohne viel Mühe vom Leib halten können, wenn nicht die anderen Gegner gewesen wären, die von allen Seiten auf ihn und seine Kameraden eindrangen.
Die Masse der braunen Leiber drohte die wenigen Seewölfe zu erdrücken. Immer dichter rückten sie zusammen, und bald war die Kuhlgräting die letzte rettende Insel im Meer des Grauens.
Da nutzte es auch nichts mehr, daß Arwenack von den Fockwanten aus Kokosnußschalen auf die Köpfe der Feinde schleuderte. Jeder Versuch eines hilfreichen Einsatzes von außen schien von vornherein zum Scheitern verurteilt zu sein, und es war nur noch eine Frage weniger Augenblicke, bis der Widerstand der elf von der „Isabella“ kläglich zusammenbrach.
War das das Ende?
Ferris Tucker schleuderte noch zwei Flaschenbomben mitten zwischen die Krieger der Nordinsel, die jetzt verwirrt und unschlüssig geworden waren, und damit war der Kampf auf den Hügeln im wesentlichen entschieden. Der Boden bebte, die Explosionen rissen kleine Krater und hoben die Leiber der Gegner wie Strohpuppen in den Mittagshimmel – Boragos Männer glaubten, daß böse Geister eingegriffen und sich gegen sie gewendet hätten.
Borago wollte versuchen, zur Bucht zu gelangen, um zu dem großen Schiff zu schwimmen, das augenscheinlich von Surkut und dessen Männern gekapert worden war. Siegesgeheul tönte von der Bucht zu den Anhöhen hoch.
Aber die weißen Männer unter der Leitung des großen Schwarzhaarigen und die Krieger des Häuptlings Tubuago versperrten ihm den Weg. Kurz zuvor war Borago wie durch ein Wunder dem Pfeil entgangen, den Tubuago auf ihn abgeschossen hatte. Seine rechte Schulter brannte wie Feuer, ihm war elend zumute, seine Verwegenheit wich einem eher jämmerlichen Gefühl. Die Wirkung der Drogen ließ nach, und in Boragos Geist nahm die Gewißheit Gestalt an, daß er die Feuerrohre der „Viracocha“ unterschätzt hatte – und nicht nur die. Er hatte sich auch nicht ausgemalt, daß die Weißen und die Indios der Ilha de Maracá bei einem derart massiven Angriff so erbitterten Widerstand leisten würden.
Ja, das Blatt hatte sich gewendet, und jetzt sah es bedrohlich aus für Borago und seine letzten zehn, fünfzehn Gefährten. Wenn sie nicht sterben wollten, dann gab es nur noch eine Möglichkeit: Sie mußten sich im Busch verstecken und trachten, ihre Kanus und Piraguas an der nördlichen Flußmündung zu erreichen.
Borago wandte sich nach Westen und lief davon. Als seine Krieger bemerkten, daß er aufgab, ließen auch sie von ihren Gegnern ab und schlossen sich ihm an.
„Sie hauen ab!“ schrie Smoky. „Ho, wir haben gewonnen, Freunde!“
„Sir!“ rief Ferris Tucker. „Soll ich ihnen noch eine Höllenflasche als Abschiedsgruß nachschicken?“
Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Nein. Spar sie dir für das auf, was jetzt folgt. Los, wir müssen schleunigst zurück zur ‚Isabella‘ pullen. Verdammt, hört ihr, wie diese Teufel johlen?“
Ja, sie alle vernahmen es jetzt, und der Triumph über den Erfolg auf den Hügeln wich der Besorgnis um das Schicksal der Kameraden an Bord der Galeone.
Tubuago sah die Bestürzung in den Mienen seiner weißen Freunde, und er faßte sehr schnell seinen Entschluß.
„Zwanzig Männer folgen Boragos Bande!“ schrie er. „Paßt auf, daß sie nicht ins Schabono gelangen! Ihr anderen – mir nach!“
Er lief hinter Hasard, Ferris, Smoky, Pete, Dan und den anderen her, die jetzt schon unten in der Senke waren und