Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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hatte.

      Der Pfeil verschwand im dichten Gesträuch, aber kein Schmerzenslaut verkündete, daß Kewridi einen seiner Widersacher getroffen hatte. Statt dessen erklang rechts hinter seinem Rücken ein leises, verächtliches Lachen.

      Er fuhr herum und zückte einen zweiten Pfeil, doch Boragos Stimme warnte ihn: „Keine Bewegung mehr, oder du bist ein toter Mann! Wir haben dich eingekreist!“

      Kewridi sah den großen, muskulösen Mann mit erhobener Lanze auf sich zusteuern, und er sah jetzt auch die anderen, die von allen Seiten aus dem Dickicht auftauchten. Der Weg zum Dorf war versperrt, es schien keine Möglichkeit mehr zu geben, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

      „Geht fort!“ stieß Kewridi mit vor Zorn fast überkippender Stimme aus. „Verschwindet, ehe es für euch zu spät ist. Meine Stammesbrüder werden euch von allen Seiten angreifen und euch vernichten.“

      „Wo sind sie denn, deine lieben Brüder?“ erkundigte sich Borago höhnisch. „Hier, in der Nähe? Nein. Die Ratte, die dort tot am Boden liegt, hat es uns verraten: Am Nordufer halten sich keine weiteren Wachen auf. Du bist uns rettungslos ausgeliefert, und wir können hier mit unseren Booten landen, ohne daß Tubuago, dieser Narr und Schwächling, es überhaupt bemerkt.“

      Kewridi bemerkte Boragos starren Blick und die leicht geröteten Augen. Er wußte jetzt, daß Borago unter dem Einfluß von Rauschmitteln stand. Kewridi nahm an, daß die Reaktionsschnelligkeit des anderen dadurch beeinträchtig war, und so unternahm er einen jähen Ausfall.

      Er wollte sich auf Borago werfen, doch dieser wich zwei Schritte zur Seite aus und schleuderte seine Lanze. Die Lanze ritzte Kewridis Körperseite, Kewridi wurde halb herumgerissen. Er taumelte, aber er hatte immer noch die Kraft, seinen Bogen hochzureißen, den zweiten Pfeil anzulegen und ihn auf Borago abzuschießen.

      Borago ließ sich fallen, und seine Kumpane fluchten und sandten nun ihrerseits ihre Pfeile auf den jungen Maracá-Indio ab. Kewridi versuchte, sich in Deckung zu bringen, aber es war sinnlos. Ein Pfeil bohrte sich in seinen rechten Arm, ein nächster in seinen linken Oberschenkel. Er wankte und drohte zu stürzen, und die Männer Surkuts lachten hämisch und sahen dabei zu, wie er gegen die Schmerzen und die drohende Ohnmacht ankämpfte.

      Kewridi stolperte zum Ufer des Flusses. Er erhoffte sich seine letzte Chance davon, das flache Gewässer zu durchqueren und sich im Busch, den er besser kannte als die Feinde, vor ihnen zu verstecken. Er glaubte, sich noch bis zum Dorf schleppen zu können, und so mobilisierte er seine letzten Kräfte für diesen Versuch.

      Doch er strauchelte und stürzte ins Wasser, daß es hoch aufspritzte. Er blieb mit dem Gesicht nach unten in der bräunlichen Flüssigkeit liegen und regte sich nicht mehr.

      Borago richtete sich vom Untergrund auf. Kewridis Pfeil hatte ihn nicht getroffen. Er lachte und deutete auf die Gestalt des jungen Mannes im Wasser. „Der wäre auch erledigt. Sehr gut. Los, einer von euch läuft den Weg hinauf, den diese beiden Hunde benutzt haben. Ich nehme an, daß es weiter oben einen Platz gibt, von dem man auf das Meer blicken kann. Wir müssen unseren Brüdern ein Zeichen geben, daß sie jetzt landen können. Wir warten auf sie und stoßen mit ihnen ins Innere der Insel vor, wie es geplant ist.“

      Er schloß unwillkürlich die Augen und dachte daran, wie reich Surkut ihn belohnen würde, wenn die Landung und der Überfall auf Tubuagos Stamm klappten.

      7.

      Die Wasserfässer die Hügel hinaufzuschaffen, war nicht gerade eine leichte Arbeit. Es waren insgesamt sechs, zwei kleinere aus Edelkastanie und vier große aus Eiche, und die großen Fässer konnte man nur rollen, nicht tragen. Jetzt, in der größten Mittagshitze, war es für die acht Männer, die der Seewolf für das Wasserholen eingeteilt hatte, eine unangenehme, schweißtreibende Aufgabe, und sie fluchten dementsprechend.

      Big Old Shane und Batuti wuchteten die zwei kleinen Kastanienholzfässer auf den Schultern den Hang hoch. Luke Morgan, Bob Grey, Stenmark, Will Thorne, Matt Davies und Sam Roskill hatten alle Hände voll damit zu tun, die vier anderen Fässer voranzubringen.

      Als die Sonne auf ihren höchsten Punkt gestiegen war, erreichten die Männer die Quelle am Saum des Urwalds und begannen, das frische Naß mit den mitgebrachten Kellen in die Fässer zu schöpfen.

      „Verdammt noch mal“, sagte Luke Morgan. „Ich will ja nicht meutern, aber für diese Scheißarbeit hätte sich Hasard auch eine bessere Zeit aussuchen können.“

      „Wann denn wohl?“ fragte Will Thorne. „Mir stinkt die Sache genauso wie dir, aber vergiß nicht, daß wir heute nachmittag auslaufen wollen. Je schneller und je weiter wir nach Norden kommen, desto besser ist es doch, oder?“

      „Ja, das stimmt“, meinte Luke einlenkend. „Also los, sehen wir zu, daß wir es so rasch wie möglich hinter uns bringen.“

      „Mir stinkt die ganze Insel“, sagte Bob Grey. „Hölle, ich fühl mich hier nicht wohl.“

      „Das hast du heute schon mal gesagt. Jedenfalls hat Jeff das behauptet“, meinte Sam Roskill. „Hör lieber ganz auf mit dem Reden, es strengt ja doch viel zu sehr an.“

      Matt Davies blickte sich immer wieder mißtrauisch um. „Es liegt was in der Luft. Wir kriegen hier noch ganz dicken Ärger, das schwöre ich euch.“

      Shane, der den Trupp anführte, lachte. „Hört, hört! Wir haben schon einen Nachfolger für den alten Donegal, falls der mal abdankt. Matt, Kopf hoch, wir sind ja gleich fertig, und diesmal geht es mit den Fässern bergab.“

      „Gott sei Dank“, brummte der Mann mit der Eisenhakenprothese. Er bückte sich mit seiner Kelle, ließ sie mit Wasser vollaufen, richtete sich wieder auf und entleerte sie in die obere Öffnung des einen Fasses.

      „He“, sagte er plötzlich. „Was ist eigentlich aus den Indios geworden? Sie waren verschwunden wie der Blitz. Die führen doch wohl nichts gegen uns im Schilde?“

      „Sie sind ins Dorf zurückgekehrt“, entgegnete Shane. „Sie wollen sich auf jeden Fall auf einen Angriff dieses verrückten Surkut vorbereiten. Hast du nicht gehört, was Tubuago, Ilana und dieser Kewridi Hasard erklärt haben, ehe wir das Dorf verließen?“

      „Wie konnte ich?“ sagte Matt. „Ich war doch nicht mit dabei.“

      „Oh, verflixt“, sagte der graubärtige Riese. „Jetzt gerate ich langsam auch schon ins Schleudern. Muß an der Hitze liegen. Also: Surkut ist der Häuptling der Nordinsel – ein fanatischer Kriegshetzer, der die Maracá-Indios allesamt unterwerfen und dann auch noch einen Zug zum Festland unternehmen will.“

      „Das alles haben die Leute aus dem Dorf Hasard erzählt?“ fragte Stenmark verblüfft. „Ja, wie denn bloß?“

      „Durch Gesten und Zeichnungen“, erwiderte Big Old Shane. „Tubuago, der Häuptling, der uns den ganzen Proviant geschenkt hat, scheint aber nicht ganz von der Angriffswut dieses Surkut überzeugt zu sein. In seinen Augen ist der Kerl wohl eher ein aufgeblasener Sack, den man bloß anzustechen braucht, damit er in sich zusammenfällt.“

      „Achtung“, sagte Matt Davies plötzlich. „Da ist was – da, im Gebüsch!“

      Sie fuhren herum und blickten in die Richtung, in die Matt mit dem Finger wies. Doch im nächsten Moment atmeten sie erleichtert auf, denn es war nur ein großer, fasanenähnlicher Vogel, der schwerfällig aus dem Dickicht aufstieg und sich zu einer der ausladenden Baumkronen emporarbeitete.

      „Mann“, sagte Batuti. „Matt, du machst mir ganz verrückt mit dein komisches Gerede.“

      Matt seufzte. „Es heißt ‚mich‘, und auch der Rest war nicht ganz richtig, aber du lernst es wohl nie, was?“

      „Mister Davies“, sagte Shane betont scharf. „Ich muß feststellen, daß du heute ausgesprochen schlechte Laune hast. Halt mal ein bißchen die Luft an und mach die Schotten dicht, klar?“

      „Aye, Sir“, gab Matt mit griesgrämiger Miene zurück.