Das Gefecht hätte noch einige Zeit hin und her branden können, wenn Hasard nicht die Entscheidung herbeigeführt hätte. Er fintierte und täuschte Surkut Schwäche vor, um diesen aus der Reserve zu locken. Surkut ging darauf ein und versuchte, sich blitzschnell zu ducken, vorzuschnellen und dem Seewolf das Häuptlingsmesser in den Leib zu stoßen.
Hasard jedoch ließ die Degenklinge durch die Luft pfeifen – und plötzlich segelte das Kaoba quer über die Kuhl. Surkut hielt sich die blutende rechte Hand. Seine Mundwinkel begannen zu flattern, seine Augen huschten in panischer Angst hin und her.
„Spring!“ schrie Hasard ihn an. Er deutete auf das Wasser der Bucht. „Dort hinein, rasch – ehe ich mich vergesse!“
Surkut begriff, kletterte über das Schanzkleid, blieb jedoch auf den Rüsten der Hauptwanten stehen und blickte sich zögernd zu Hasard um.
Der Seewolf vollführte eine heftige Bewegung mit dem Degen. Wieder pfiff die Klinge durch die Luft, diesmal im Zickzack und dicht vor Surkuts angstverzerrtem Gesicht. Da ließ sich der glorreiche Häuptling des „grimmigen Volkes“ ins Wasserfallen.
„Surkut flieht!“ schrie Tubuago. „Seht doch, er ist genau der Hasenfuß, als den ich ihn immer eingeschätzt habe!“
Das verstanden natürlich alle Eingeborenen, auch die von der Nordinsel. Ihres Oberhauptes beraubt, begannen sie zu zaudern und sich vor dem Gegner zurückzuziehen.
Eine Piragua war von der Bordwand der „Isabella“ abgetrieben, sie dümpelte nicht weit von Surkut entfernt. Er versuchte, sie zu erreichen, doch plötzlich wirbelte etwas durch die Luft und landete mit einem polternden Laut in dem Boot. Eine von Ferris Tuckers Höllenflaschen! Hasard hatte den Befehl gegeben, so viele Kanus und Piraguas wie möglich zu versenken, damit der Gegner nur mit Mühe zur Nordinsel zurückgelangen konnte, denn so einfach sollte Surkut nicht davonkommen.
Eine Feuerfaust zerschlug das Boot in hundert Trümmer, das Grollen der Explosion zog über die Bucht. Surkut tauchte entsetzt unter, seine Männer an Bord der „Isabella“ schrien auf. Ihre Panik wuchs. Sie gingen von Bord und folgten ihrem Anführer, dem jetzt weder Koka noch Ebena noch aufwieglerische Reden halfen, die Ordnung wiederherzustellen und eine Wende herbeizuführen.
„Wir haben es geschafft“, sagte Hasard. Er drehte sich um und wollte schon aufatmen, weil offenbar keiner seiner Männer verwundet worden war. Auch Ben Brighton stieg mit erleichterter Miene von der Back. Die „Isabella“ hatte nicht geopfert zu werden brauchen, der Tod war um Haaresbreite an ihrer Besatzung vorbeigegangen.
Dann aber sah Hasard O’Flynn verkrümmt auf der Kuhlgräting liegen, und er erstarrte vor Entsetzen.
Borago hatten den Pfad wiedergefunden, der zu den Kanus führte, und diesen Weg durch den heißen, stickigen Dschungel, in dem Gefahren lauerten und Krankheiten brüteten, schleppte er sich jetzt entlang.
Seine Kumpane hatte er aus den Augen verloren. Er hatte die Laute vernommen, die hinter ihm im Dikkicht ertönt waren. Sie gaben ihm Auskunft darüber, daß Tubuagos Männer ihnen folgten, daß sie Gegner um Gegner überwältigten – daß er, Borago, wahrscheinlich der einzige war, dem die Flucht glückte.
Das Rufen seiner Feinde blieb hinter ihm zurück. Er traf auf den schmalen Flußlauf, der zwischen den Mangroven hindurch auf die See hinausführte, sah die versteckten Kanus friedlich daliegen und erkannte auch die Gestalt Bisaasis am Boden, den er mit seinem Messer ermordet hatte.
Nach Kewridis Gestalt forschte Borago vergebens. Sie trieb nicht im Wasser. Er dachte nicht weiter darüber nach. Ein Krokodil oder eine Schlange hat seinen Leichnam fortgeschleppt, sagte er sich.
Seine Schmerzen und die Übelkeit und Ohnmachtsgefühle, die ihn zu übermannen drohten, trieben ihn zur Eile. Er kletterte in eins der Kanus, griff nach einem Paddel und versuchte mit zusammengebissenen Zähnen, das Boot von den Wurzeln der Mangroven zu befreien, die wie Gespensterfinger nach ihm zu greifen schienen.
Er bemerkte nicht die blutüberströmte Gestalt, die sich hinter ihm aus dem neben seinem Boot liegenden Kanu erhob und ein Hartholzmesser über dem Kopf schwang.
„Borago!“ stieß die Gestalt kaum verständlich hervor. „Hier – bin ich – und dies – ist die Rache für Bisaasis – Tod …“
Borago drehte sich um. „Kewridi! Du – nein, nicht!“
Kewridi beugte sich vor und fiel in das Nachbarkanu hinüber. Im Fallen rammte er Borago den Dolch in die Brust, ehe dieser eine Geste der Abwehr unternehmen konnte. Borago versuchte noch, nach Kewridis Hals zu greifen und ihn zu würgen, doch seine Kräfte ließen schnell nach, und er spürte, wie das Leben aus seinem Körper entwich, und zu den Hekura, den Geistern, floh, die den Kriegern der Nordinsel den Sieg hatten bringen sollen und sie doch so schmählich im Stich gelassen hatten.
Kewridi verlor das Bewußtsein und blieb reglos über Boragos Leichnam liegen.
Luke Morgan kam zu sich und sah über sich das freundliche Gesicht eines ausgesprochen schönen Mädchens.
„He, Moment“, sagte er heiser. „Wenn das hier die Hölle ist, dann bin ich aber verdammt gut aufgehoben. Wie heißt du, Täubchen?“
Das Mädchen kicherte und zog sich zurück. Ein anderes Gesicht erschien im diffusen Licht des zur Neige gehenden Tages über Luke. „Oh“, sagte Luke. „Verzeihung, Sir – ich, äh, nein, das hätte ich wirklich nicht gedacht – daß ich noch lebe, meine ich. Oder bist du auch tot und leistest mir hier Gesellschaft?“
„Sir“, sagte von rechts eine andere Stimme. „Ich bitte darum, an Bord unseres Schiffes zurückkehren zu dürfen, denn ich halte das dämliche Gefasel von Mister Morgan nicht mehr aus. Kaum hat er die Klüsen auf, der Stint, redet er nichts als Quark.“
„Du sollst dich nicht aufregen, Donegal“, warnte der Seewolf. „Das hält nur den Heilungsprozeß auf, hat der Kutscher gesagt.“
„Also gut. Aber dann legt mich wenigstens ein Stück weiter weg von diesem Strohkopf, möglichst so, daß ich Ilana, Oruet, Saila, Mileva und Ziora im Auge behalte – diese entzückenden Geschöpfe.“
„Das könnte dir so passen“, sagte Blacky, der jetzt zu ihnen trat. „Wir legen dir am besten ein Stück Segeltuch über die Augen, Donegal, sonst kriegst du beim Anblick der kleinen Ladys bloß einen Herzschlag.“
„Darf ich mal was fragen, Sir?“ sagte Luke.
„Bitte.“
„Wo sind wir hier?“
„Im Schabono, dem Dorf der Maracá-Indios.“
„Und wir sind alle Gefangene der Wilden, die uns überfallen haben?“
„Nein. Wir haben gesiegt“, sagte der Seewolf. „Und du hast mächtig Glück gehabt, wie Shane es richtig ausdrückte. Der Pfeil, den man dir in den Rücken gejagt hat, ist an einer Rippe abgeprallt. Bald geht’s dir wieder besser, und auch Donegal wird am Leben bleiben, denn der Messerstich, den er abgekriegt hat, hat nur eine Fleischwunde hervorgerufen.“
„Mister O’Flynn“, sagte Luke. „Darüber bin ich nicht unbedingt erfreut.“
„Ganz meinerseits“, gab der Alte zurück. „Eines Tages müssen wir ja wirklich in der Hölle braten, aber dann hoffe ich, daß wir zusammen bleiben, denn ich will dein krebsrotes Gesicht sehen, wenn du im Kessel hockst.“
Blacky und Matt Davies, der sich inzwischen ebenfalls zu ihnen gesellt hatte, grinsten. Matt trug den Arm in einer Schlinge, die der Kutscher ihm angelegt hatte.
Hasard lächelte. „Ihr könnt nachher weiterstreiten, ihr beiden. Wir sind alle mit einem blauen Auge davongekommen, und jetzt bleiben wir doch noch ein paar Tage hier, damit die Verwundeten ihre Blessuren an der Sonne vernarben lassen können. Tubuago hat uns angeboten, die Verletzten von den