Im Rahmen der Wertanalyse können die Anforderungen an die zu beschaffenden Materialien genauer spezifiziert und damit die Qualität und Funktionalität des zu beschaffenden Materials deutlich verbessert werden.
Der Aufwand für eine Wertanalyse lohnt sich jedoch nur für die mit einer ABCAnalyse ermittelten A-Materialien. Für diese Materialien werden im Zusammenhang mit der Wertanalyse zunächst die Eigenschaften, die die Materialien für die Bereitstellung der Endprodukte des Unternehmens aufweisen sollen, spezifiziert und in Haupt-, Neben- und Unterfunktionen gruppiert:
Die Hauptfunktionen müssen von den Materialien in jedem Fall erfüllt werden (wenn Sie zum Beispiel als Bäcker einen Kuchen backen, muss der Zucker in seiner Hauptfunktion süßen).
Nebenfunktionen sind hilfreich, aber nicht unbedingt erforderlich (wenn der Zucker feinkörnig ist, lässt er sich besser verwenden, was aber nicht unbedingt notwendig wäre).
Unterfunktionen leisten keinen Beitrag zur Leistungsbereitstellung (im Beispiel wäre das die Farbe des Zuckers).
Zu Beginn der Wertanalyse steht infolgedessen die Bestimmung der Funktionen, die die AMaterialien erfüllen müssen. Mit dem Ziel, sowohl die Qualität als auch die Wirtschaftlichkeit der Entscheidung für die Materialbeschaffung zu verbessern, werden dann die nicht benötigten Funktionen ganz aus der Bewertung der Materialien ausgeschlossen und die zu berücksichtigenden Nebenfunktionen in ihrer Anzahl möglichst reduziert. Erreicht werden soll damit, dass die Aufmerksamkeit auf die für die Unternehmensleistungen wirklich wichtigen Kriterien und Prozesse gelenkt wird. Daran schließt sich die Feststellung und Analyse der damit verbundenen funktionalen Kosten an. Auf dieser Basis werden die Sollvorgaben mit den bestehenden Alternativen verglichen und die Entscheidung für die wirtschaftlichste Lösung gefällt.
Die Entscheidung: Make or Buy?
Nachdem mithilfe der Instrumente der ABC-, XYZ- und Wertanalyse die Vorbereitung der Beschaffung optimiert wurde, schließt sich die Frage an, welche der benötigten Materialien und Güter von außerhalb bezogen werden müssen und welche nicht besser selbst hergestellt beziehungsweise durch das eigene Unternehmen bereitgestellt werden können. Genau darauf bezieht sich die Entscheidung zur Frage »Make or Buy?«.
Kriterien der Entscheidungsfindung über »Make or Buy«
Insofern bereits bestimmte Leistungen und Materialien im Unternehmen erbracht beziehungsweise erzeugt werden, stellt sich die Frage, ob diese Materialien weiterhin durch das Unternehmen selbst bereitgestellt oder ob die Leistungen ausgelagert, das heißt »outgesourct«, und dann von außen bezogen werden sollen. Geeignet für den Einkauf und somit für die Auslagerung (beziehungsweise für das Outsourcing, mehr dazu im grauen Kasten»Raus damit! – Outsourcing« weiter vorn in diesem Kapitel) sind alle Aufgaben, die die anderen Unternehmen wirtschaftlicher und damit günstiger lösen können. Die Leistungen, die das Unternehmen selbst besser erbringen kann und in denen es so gut ist, dass sie von anderen nicht nachgemacht oder nicht so effektiv und wirtschaftlich erbracht werden können, gehören zu seinen Kernkompetenzen.
Überall dort, wo das eigene Unternehmen Stärken gegenüber seiner Konkurrenz hat und Leistungen günstiger erbringen und Chancen und Potenziale nutzen kann, sollte es die benötigten Vorleistungen, Zwischenprodukte und Endprodukte selbst erstellen.
Weitere Anlässe für die eigene Fertigung können sein:
Vorhandensein und Nichtauslastung von eigenen Produktionsmöglichkeiten sowie die günstigere Produktion zum Beispiel aufgrund von größeren Stückmengen (Skalenerträge)
Vermeidung von Transaktionskosten zur Beschaffung der benötigten Güter bei den Zulieferern
Vermeidung von Liefer- und Transportzeiten
weniger Abhängigkeit von den Zulieferern (zum Beispiel durch bessere Termineinhaltung bei eigener Leistungsbereitstellung)
keine geeigneten Zulieferer vorhanden
Geheimhaltungsgründe
Know-how-Sicherung
Make or Buy und die Fertigungstiefe
Es ist wie im Leben: Jeder sollte das machen, was er am besten kann. Mittels Arbeitsteilung lassen sich oft erhebliche Rationalisierungseffekte erreichen. Das wusste schon der Urvater der Ökonomie, Adam Smith. Im Zuge der Ausgliederung und des Fremdbezugs von Leistungen wird die Arbeitsteilung in den Unternehmen sozusagen auf die Zusammenarbeit zwischen voneinander mehr oder weniger selbstständigen Unternehmen verlagert. Gleichsam wird damit bezüglich der Herstellung von Gütern eine Verringerung der Fertigungstiefe bewirkt.
Die Fertigungstiefe bezeichnet das Ausmaß bis zu dem die zur Produktion benötigten Materialien und Zwischenprodukte im Unternehmen selbst erzeugt werden. Sie wird wie folgt berechnet:
Bei einer Fertigungstiefe von 1,0 beziehungsweise von 100 Prozent würden alle Güter selbst hergestellt werden, das heißt von der Gewinnung von Rohstoffen bis zu den Endprodukten würde der gesamte Herstellungsprozess und somit die gesamte Wertschöpfung in der Fertigung im Unternehmen stattfinden. Bei einer Fertigungstiefe von 0,0 beziehungsweise von null Prozent würde dagegen die gesamte Produktion außerhalb des Unternehmens stattfinden und der eigene Leistungsbeitrag bestünde dann »nur« noch im Vertrieb der fremdbezogenen Produkte im Handel.
Von einer Integration der Fertigung spricht man, wenn die gesamte Wertschöpfung in den Händen des Unternehmens verbleibt.
Gibt es einen Trend zum Outsourcing?
Der Trend geht in der Materialwirtschaft nicht in Richtung Integration (das heißt Selbsterzeugung), sondern in Richtung Auslagerung von Wertschöpfungsprozessen und Fremdbezug. Die Ursachen dafür sind unter anderem in dem durch die Internationalisierung und Öffnung der Märkte sowie durch den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt ausgelösten Wettbewerbsdruck wie auch in der zunehmenden Spezialisierung auf der Zuliefererseite zu suchen. Konkrete Anlässe, sich für den Fremdbezug von Material zu entscheiden, bieten sich zum Beispiel immer dann, wenn
die zu beziehenden Leistungen nicht zum Kerngeschäft des eigenen Unternehmens gehören,
die zu beziehenden Güter aus einer Massenproduktion stammen, bei der der Zulieferer aufgrund der großen Mengen vergleichsweise große Kostenvorteile erzielen und damit preisgünstiger anbieten kann,
der Zulieferer aufgrund seiner Spezialisierung einen großen Kompetenz- und Know-how-Vorsprung hat, der daneben gleichsam auch eine höhere Qualität im Leistungsangebot zur Folge hat,
mit der Selbstleistung erhebliche zusätzliche Investitionen getätigt werden müssen und mit Folgekosten (zum Beispiel für Wartungsleistungen von Maschinen) zu rechnen ist,
die eigenen Produktionskapazitäten voll ausgelastet sind und ein Fremdbezug zur Aufrechterhaltung der eigenen Produktion erforderlich ist,
fremdes Know-how der Zulieferer durch die Beschaffung erlangt werden kann,
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