Während sich die Personalwirtschaft um den Produktionsfaktor Arbeit (mehr dazu in Kapitel 9) und die Finanzwirtschaft sich um den Produktionsfaktor Kapital (mehr dazu in Kapitel 5) kümmert, ist die Beschaffung, Lagerung und der Transport des Materials, das zur Leistungsbereitstellung im Unternehmen benötigt wird, das Kerngeschäft der Materialwirtschaft.
Längst ist die Materialwirtschaft nicht mehr nur auf den Einkauf und die Beschaffung von benötigten Materialien beschränkt. Zum Aufgabengebiet der Materialwirtschaft gehören auch die Planung, Organisation, Steuerung und Koordination des gesamten Materialflusses, angefangen bei den Zulieferern über die Lagerhaltung und die eigentlichen Produktionsstätten bis hin zu den Zwischenhändlern und Kunden. Gegenstand des Materialflusses sind dabei alle Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Ersatz- und Zuliefererteile, Halbfabrikate und Ersatzteile, die auf dem Weg von der Beschaffung bis zum Kunden für die Leistungsbereitstellung benötigt werden. Daraus ergeben sich als wichtige Ziel- und Aufgabenbereiche für die Materialwirtschaft:
die Materialplanung
die Materialbeschaffung
der Materialtransport
die Materiallagerung
die Materialentsorgung Neben der Erfüllung der Aufgabe der Bereitstellung des Materials muss der Materialwirtschaftler darauf achten, dass die Materialwirtschaft ihre Arbeit wirtschaftlich erledigt, das heißt gleichermaßen effektiv und effizient. Dabei muss ein möglichst gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auf den Beschaffungsmärkten anvisiert werden.
Aufgrund der Anforderungen einer termingenauen, qualitativ hochwertigen und preisgünstigsten Beschaffung der Materialien sind jedoch schon Zielkonflikte in der Materialwirtschaft vorprogrammiert. Ein klassischer Konflikt ergibt sich zum Beispiel einerseits aus dem Bestreben, genügende Lagerbestände zur Sicherung der laufenden Produktion bereitzuhalten und andererseits die Lagerhaltungskosten und die Kapitalbindung durch große Lagervorräte möglichst gering zu halten. Hier läuft alles auf einen Kompromiss und die Optimierung des Verhältnisses von Lagerungskosten und Bereitstellungszeiten des Materials hinaus.
Der Materialwirtschaftler muss in gleichem Maße auf gute Beziehungen zu den Lieferanten, die Sicherheit der Versorgung, eine preisgünstige Beschaffung, eine hohe Flexibilität in der Beschaffung und auf die Vermeidung von Fehlmengen (das heißt eine Über- und Unterversorgung mit Material) achten.
Raus damit! – Outsourcing
Gegenwärtig gehen immer mehr Unternehmen dazu über, sich in ihrem Leistungsangebot darauf zu spezialisieren, was sie am besten können, das heißt, sie konzentrieren sich zunehmend auf ihre Kernkompetenzen. Damit verbunden ist auch die Übertragung von Aufgaben auf andere Unternehmen. Dieser Trend hat mit dem Ausdruck Outsourcing (aus der englischen Formulierung für »outside resource using« stammend), das heißt der Auslagerung von betrieblichen Funktionen auf andere Unternehmen, in der Betriebswirtschaftslehre für Furore gesorgt. Das, was ausgelagert wird, muss nun von den Betrieben von außerhalb beschafft werden. Die Folge ist, dass die Beschaffungsaufgabe im Rahmen der Materialwirtschaft eine zunehmend strategische Bedeutung für die Unternehmen erlangt hat.
Mit der Qualität der beschafften Güter und Dienstleistungen hängt nicht zuletzt auch die Qualität der eigenen Produkte eng zusammen und je kostengünstiger die Produktionsmittel beschafft werden können, desto günstiger kann die eigene Preiskalkulation ausfallen und zu Vorteilen im Wettbewerb genutzt werden. Insofern liegt in der Tat der Gewinn im Einkauf.
Instrumente der Beschaffung
Damit der Materialwirtschaftler seine Ziele erreichen kann, ist eine gute Planung der Materialbewirtschaftung erforderlich. Dem Materialwirtschaftler stehen dabei verschiedene Verfahren und Instrumentarien zur Verfügung. Dazu gehören die Materialanalyse und die Beschaffungsmarktforschung, die Ihnen im Folgenden vorgestellt werden. Dabei werden Sie die ABC- und XYZ-Analyse ebenso kennen lernen wie zum Beispiel den Unterschied zwischen einer Primär- und Sekundärerhebung. Des Weiteren wird auf die Grundsatzentscheidung eingegangen, selbst zu produzieren oder die Materialien von anderen Unternehmen zu beziehen. Daran schließt sich dann die Behandlung von Strategien zur Auswahl der Lieferanten und des Materials an.
Was gebraucht wird: Die Materialanalyse
Die Materialanalyse dient der Vorbereitung zur Anschaffung des benötigten Materials. Während sich die Beschaffungsmarktforschung analytisch weitgehend mit Aspekten außerhalb des Unternehmens beschäftigt, wird mit der Materialanalyse innerhalb des Unternehmens angesetzt.
Aufgrund der im Allgemeinen großen Vielzahl und Vielfalt des zu beschaffenden Materials und des daraus resultierenden erheblichen Aufwandes ist eine gründliche Vorbereitung besonders bei der Beschaffung der für das Unternehmen ganz wichtigen und wertvollen Materialien erforderlich. Zwei universell einsetzbare Analyseverfahren, die innerhalb der Materialanalyse Verwendung finden, sind die ABC- und die XYZ-Analyse.
Wer A sagt …
Die ABC-Analyse ist ein analytisches Instrument, das dem Materialwirtschaftler dabei hilft, das Wichtige vom weniger Wichtigen zu trennen und damit die Ressourcen so wirtschaftlich wie möglich einzusetzen.
In Bezug auf die Beschaffung von Materialien liegt der Verwendung der ABC-Analyse die Annahme zugrunde, dass ein kleinerer mengenmäßiger Teil bestimmter benötigter Materialien einen vergleichsweise größeren Anteil an dem Gesamtwert oder an den Anschaffungskosten aller erforderlichen Materialien hat. Die Materialien werden dann hinsichtlich ihres relativen Anteils am Gesamtwert in A, B und C-Klassen sortiert und entsprechend behandelt.
In der ABC-Analyse wird der Mengenbedarf für die verschiedenen Materialarten für eine bestimmte Zeitperiode insgesamt festgestellt. Unterstellt wird dabei, dass der Bedarf für die Materialien nicht im Zeitverlauf schwankt, sondern über die betrachtete Periode konstant bleibt.
Ihr Unternehmen benötigt sechs Materialarten in mengenmäßig unterschiedlichem Umfang. Die Materialien haben verschiedene Anschaffungspreise und sind insofern verschieden wertvoll. Der Materialwirtschaftler möchte nun wissen, bei welchen der Materialien es sich lohnt, besondere Kosten- und Preisanalysen bezüglich der Beschaffungsmärkte durchzuführen.
In der Tabelle 2.1 sind die Materialien M1 bis M6 mit ihrem Mengenbedarf und Materialwert nach Anschaffungspreisen aufgeführt. Außerdem sind diese Materialien entsprechend ihrem Wert aufsteigend sortiert und dann den Materialgruppen A, B und C zugeteilt worden, wobei die Materialart A die Gruppe mit dem höchsten Materialwert und die Materialart C die Gruppe mit dem niedrigsten Materialwert aufweist.
Die Betrachtung dieser Tabelle führt zu folgendem Ergebnis der ABC-Analyse: Obwohl die beiden Materialarten M2 und M6 zusammen nur acht Prozent des gesamten Mengenbedarfs ausmachen, beträgt ihr Anteil am Gesamtwert der benötigten Materialien 54 Prozent. Diese beiden Materialien sind daher der Klasse A mit den besonders wertvollen Gütern zugeordnet worden. Besonders in ihrem Fall lohnen sich beschaffungsanalytische (zum Beispiel genaue Preisvergleiche von verschiedenen Anbietern) und beschaffungspolitische Maßnahmen (zum Beispiel das Aushandeln von bestimmten