Im Land der Nuria. Annina Safran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annina Safran
Издательство: Bookwire
Серия: Die Saga von Eldrid
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783969870082
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Informationen erhalte ich direkt von dir, Herr. Was Godal betrifft, so weiß ich nicht, wo er sich aufhält. Hat er zurzeit keine Anweisung von dir?«

      Zamir lachte hämisch auf. »Selbstverständlich hat er Anweisungen von mir. Ich gehe davon aus, dass er diese ausführt und sich dann in das Schattendorf begibt. Dort werde ich ihn erwarten. Wenn er hier auftauchen sollte, mache ihm das klar. Nur für den Fall, dass er vergesslich geworden ist.« Seine Stimme wurde laut und schrill. Der Schatten ließ sich davon nicht beeindrucken.

      »Dann wäre das ja auch geklärt«, knurrte Zamir und wendete den Wolf, so dass dieser sich wieder Richtung Ausgang bewegte.

      »Gehe ich richtig davon aus, dass die schattenlosen Wesen nun wieder genährt werden dürfen?«, fragte der Schatten, und seine knarrende Stimme hallte durch den Saal.

      Zamir drehte sich kurz zu ihm um. »Lass sie noch ein paar Tage warten, das kann nicht schaden. Sie haben sich dir widersetzt. Das sollten sie zu spüren bekommen, aber lass sie nicht sterben. Wir brauchen sie noch. Sorge dafür.«

      Ohne eine Reaktion abzuwarten, trieb er die Bestie an, und diese stürmte aus dem Saal.

      Viertes Kapitel

       Bodan

      Seit Stunden schob Bodan Kieselsteine und Lehm in das kleine Loch, das noch vor ein paar Stunden mit Wasser gefüllt gewesen war. Es war eine sinnlose Arbeit. Die Berggeister hatten ihn gezwungen, die Wasserlache komplett mit Lehm zu ersticken. Und nachdem sie kein Wasser mehr rochen, und ja, diese Geister konnten riechen, hatten sie ihn weiterhin dafür eingesetzt, noch mehr Füllmaterial darauf aufzutürmen. Der Zweck war längst erfüllt. Die Flussgeister waren fort. Erstickt oder hoffentlich geflohen, denn Bodan sah und hörte keine mehr. Damit war das letzte Fünkchen Hoffnung auf Flucht in ihm erloschen. Sein Geist war erschöpft, genauso wie sein Körper, und der Verlust seines Schattens schmerzte noch immer. Es war, als hätte Bodan etwas Wesentliches verloren. Als wäre ihm etwas genommen worden, von dem er vorher nie realisiert hatte, dass es wichtig für ihn war. Zu seinem großen Erstaunen war es nicht die Magie, die ihm fehlte. Es war tatsächlich der Schatten. Sein Schatten, mit dem er nie ein Wort gesprochen hatte, weil er es nicht für nötig gehalten hatte. Bodan hatte stets auf seinen Schatten aufgepasst, aber mit ihm sprechen? Es hatte nie eine Veranlassung dazu gegeben. Also warum? Nun, da er fort war, hatte er plötzlich das Verlangen, mit ihm zu sprechen. Ihn Dinge zu fragen, und genau jetzt vermisste er ihn schmerzlich. Ging das allen Wesen so, wenn sie schattenlos wurden? Dass sie erst dann verstanden, wie wichtig der Schatten für sie war, wenn er ihnen für immer genommen wurde? Er ließ sich in die Hocke gleiten und verharrte so ein paar Minuten. Die Berggeister hatten das Interesse an ihm verloren. Einzig und allein ihr König Raan hatte seine Gesellschaft geschätzt, und dabei war es ihm nicht wichtig gewesen, ob er einen Schatten hatte oder nicht. Raan war fort und jagte Godal hinterher. Nun wollte keiner mehr mit Bodan reden, und die Geister bemerkten von Stunde zu Stunde mehr, wie nutzlos er war – ohne Macht und Magie. Sie wagten es wohl nicht, ihn zu verbannen, aus Angst, Raan könnte noch etwas mit ihm vorhaben.

      Bodan seufzte. Er fühlte sich nutzlos und leer. Wenn sie ihn wenigstens zu den anderen Städtern lassen würden oder ihn einfach nur gehen ließen. Er konnte nichts mehr anrichten und ihnen nicht mehr schaden. Aus eigener Kraft würde es Bodan kaum ins Schneegebirge schaffen, um dort die Schneegeister davon zu überzeugen, dass es essenziell für Eldrid war, einen Pakt mit den Wesen des Lichts einzugehen. Sie würden ihm nicht zuhören. Ihm, dem schattenlosen Spiegelwächter Bodan.

      Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ein Berggeist kam, nur den steinernen Kopf zeigend, auf ihn zugefegt. Er sauste über Bodan hinweg, und es erschein ein einzelner Finger in der Luft.

      »Geh«, dröhnte der Geist. »Geh zu den anderen, du Nichtsnutz.«

      Bodan traute sich kaum, seinem Glück zu glauben. Er durfte gehen?

      »Du unterstützt jetzt das Fußvolk dahinten. Du musst nicht auf eine Ebene, aber hier unten, allein und in der Nähe des Flusses, wollen wir dich nicht haben. Solange Raan weg ist, habe ich das Kommando, und mich interessieren deine Geschichten nicht. Ich will, dass wir schneller vorankommen, und du behinderst uns nur. Also unterstütze die anderen Wesen mit deinem Geschwätz oder zu was du sonst noch zunutze bist, dort hinten und nicht mehr hier.«

      Erneut deutete der Finger in die andere Richtung des Kraters. Dort arbeiteten eine Handvoll Städter. Sie räumten den Schutt zur Seite, der von den oberen Ebenen auf den Boden des spiralförmigen Kraters herunterfiel. Die Arbeit war gefährlich, weil sie jederzeit getroffen werden konnten. Nur eine Hexe unterstützte sie dabei, jedoch war sie nicht in der Lage, die ganze Zeit ein Schutznetz über sie zu spannen. Die Luft war stickiger als in der Nähe des Flusses, und es war heiß. Schweiß ran Bodan über das Gesicht, als er sich dankbar zu den Arbeitern gesellte.

      »Hallo«, murmelte er leise und sah sich scheu um.

      Die Städter beachteten ihn nicht. »Achtung«, schrie gerade einer, der wie ein Gaukler aussah. Sie sprangen zur Seite, als ein besonders großer Gesteinsbrocken genau in ihre Mitte knallte.

      »Du bist dran«, erklärte ein anderer und schubste den Spiegelwächter nach vorn. »Wegschaffen.«

      Die Städter waren überanstrengt und entgegen Bodans Erwartungen nicht erfreut über seine Gesellschaft. Er machte sich sofort daran, den Stein zu einem Haufen in einer Ecke zu schieben, wobei er schnell feststellte, dass dies viel schwieriger war, als es aussah – so ganz ohne Magie. Der Brocken war schwer und unhandlich. Er ließ sich kaum bewegen, geschweige denn rollen. Er drückte sein gesamtes Körpergewicht dagegen, und nur sehr langsam bewegte sich der Stein. Doch plötzlich ging es leichter, und er bemerkte eine Gestalt neben sich, die ihm half. Dankbar nickte Bodan und wagte kaum hochzuschauen. Die Wärme des Wesens, das neben ihm stand und ihm half, war außergewöhnlich, das spürte Bodan, auch ohne hinzuschauen. Ein extrem gütiges Wesen mit einer Ausstrahlung voller Freundlichkeit und Wärme. Ihn durchfuhr es wie ein Blitz. Sein Kopf fuhr herum, und da stand er neben ihm und lächelte ihn an: Desmond.

      »Desmond«, keuchte Bodan. »Desmond Solas, was in aller Welt machst du hier?«

      Es war sein Schützling. Sein lang verloren geglaubter Schützling, der durch seinen Spiegel gereist war, so viele Male. Ein Mitglied der Solas-Familie. Seiner Spiegelfamilie. Desmond Solas. Ein großer Mann, schon fortgeschrittenen Alters, immer noch jung wirkend mit breiten Schultern und dunklen lockigen Haaren. Seine fast schwarzen Augen funkelten im Licht des Kraters, der von dem Brummen etlicher Feen erhellt wurde.

      »Ja, Bodan. Ich bin es, und ich habe dich endlich gefunden.«

      Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht, während er sich wieder mit aller Kraft gegen den Stein stemmte und diesen langsam aus dem Weg schaffte.

      Sie schwiegen lange. Bodan blickte ihn immer wieder an, ungläubig, und fragte sich, ob er träumte. Er war jünger geblieben als Ada, obwohl die beiden fast zeitgleich nach Eldrid gekommen waren. Desmond war kein alter Mann, ergraut, voller Falten und mit gebückter Haltung. Er wirkte eher mittleren Alters, und Bodan fragte sich sofort, wie das möglich war. Wie konnte Desmond so langsam gealtert sein, vor allem im Vergleich zu Ada.

      »Was machst du hier, Desmond«, fragte er erneut und unterbrach dabei seinen eigenen Gedankengang.

      Desmond lächelte. »Ich habe dich gesucht. Es hat begonnen.«

      Er war noch nie ein Mann der großen Worte gewesen. Bodan reichte diese Antwort jedoch nicht. »Was hat begonnen, Desmond, und warum hast du mich gesucht?«

      Er antwortete nicht, sondern drückte nur Bodans Arm. »Wir müssen hier weg, und zwar schnell. Du musst erst zu Kräften kommen. Schaffst du das, Bodan? Kannst du noch ein wenig ausruhen, und dann verschwinden wir hier aus dem Höllenkrater?«

      Der Spiegelwächter durchforschte das zarte Gesicht des Mannes, das er seit so vielen Jahren kannte. Die hohen Wangenknochen, die schmalen Lippen, die hohe Stirn, die vollen Haare, die ihm fast auf die Schultern fielen. War das vielleicht ein Traum? Ein Wunschtraum? Es würde so gut passen. Bodan war verzweifelt. Da war es