Im Land der Nuria. Annina Safran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annina Safran
Издательство: Bookwire
Серия: Die Saga von Eldrid
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783969870082
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Es interessiert mich nur. Zu gerne würde ich das Meer von Eldrid einmal sehen.«

      Der Unsichtbare fing an zu lächeln, aber sein Lächeln erfror sofort wieder. »Das Meer, das an das Land der Nuria angrenzt, ist für uns unerreichbar. Es ist schon gefährlich genug, dass wir uns hier aufhalten.« Mit diesen Worten heftete er seinen Blick wieder auf die Zelte, die sich wie eine Hundertschaft vor ihnen aufreihten.

      In Ludmillas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie konnte sich die Nuria gut vorstellen, nur – wie sprachen sie? Wie lebten sie? Sie hob zu einer Frage an, aber Lando legte einen Finger auf die Lippen.

      »Wir sollten uns auf das Schattendorf konzentrieren. Dass die Schatten die Nähe der Nuria suchen, ist raffiniert. Darauf hätten wir auch kommen können. Sie brauchen sich nicht zu verstecken, denn hier ist alles dunkel, verbrannte Erde.«

      Eneas presste die Lippen aufeinander. »Wir sollten uns nicht unnötig lange hier aufhalten. Früher oder später werden die Nuria uns entdecken. Alles, was nicht verkohlt riecht, können sie wittern. Wer weiß, ob sie ein Abkommen mit den Schatten geschlossen haben. Also lasst uns möglichst bald hier verschwinden.«

      »Und wohin? Wisst ihr denn, in welcher Richtung das Meer beziehungsweise das Land der gleißenden Farben liegt?«

      Lando warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Zu viele Fragen, Ludmilla«, mahnte er sie.

      »Sie hat recht«, gab Eneas zu Bedenken. »Wir sollten das Schattendorf ausspionieren, aber wir brauchen einen Fluchtplan.«

      »Wie wäre es mit überhaupt einem Plan?«

      Die Wesen starrten sie genervt an.

      »Was? Wir wollten uns davon überzeugen, dass es das Schattendorf gibt.« Sie deutete auf die Zelte. »Da ist es. Wir haben es gefunden, und es ist real. Was machen wir jetzt? Wollen wir weiterhin Godal suchen? Wir sind nicht vorbereitet, und meint ihr wirklich, dass wir ihn in einem dieser vielen Zelte finden? Und wenn wir ihn gefunden haben, was machen wir dann? Wir kennen den Zauber nicht, der ihn an mich binden soll. Außerdem habe ich selbst einen mächtigen Schatten. Dass Aik mächtig ist, darin seid ihr euch einig. Ihr zieht sogar in Erwägung, dass er der Eine ist. Der Eine – « Sie brach ab und schüttelte den Kopf. Dann zitierte sie zögerlich die passende Strophe aus dem Lied der Legende vom Pentagramm der Schatten, wie sie sie in Erinnerung hatte:

       »Wenn die Schatten ersticken das Licht,

       zeigt die dunkle Macht ihr wahres Gesicht,

       und die mächtigen Fünf werden aufsteigen.

       Vor ihnen wird den Kopf jeder neigen,

       nur der Eine nicht,

       um zu wahren das Licht.

       Der Eine kann das Pentagramm zerstören,

       wird er nur all seine Mächte beschwören,

       für uns

       und für das Licht.

       Das ist das Licht,

       das ist unser Licht,

       das Licht von Eldrid.«

      Ihre Freunde starrten sie an, und fast meinte sie, dass Eneas die Melodie des Liedes mitgesummt hätte. Sie hob die Schultern. »Unabhängig von der Frage, ob Aik der Eine ist, wird mich Godal nicht als seine Herrin anerkennen, solange ich einen Schatten habe. Also, was nun? Hierbleiben und uns etwas ausdenken können wir auch nicht, denn so, wie ich euch verstanden habe, scheinen sich die Nuria mit Gastfreundschaft nicht zu überschlagen. So langsam verhärtet sich mein Eindruck, dass ich zur Zeit nirgends in Eldrid ein gern gesehener Gast bin.«

      Lando schürzte die Lippen.

      »Stimmt doch«, widersprach Ludmilla. »Wir sollten einen groben Plan haben. Was bringt uns die Erkenntnis, dass es das Schattendorf gibt, wenn wir damit nichts weiter anfangen können? Wie sollen wir Godal an mich binden und zurückschicken, ohne den dafür benötigten Zauber zu kennen? Und wird das Eldrid helfen? Godal von Eldrid zu befreien war immer der Plan. Die Frage ist nur, ob das bei dem Kampf gegen Zamir und die Schattenwolke weiterhilft? Ist es das Risiko wert?«

      Ihre Begleiter schwiegen. Lando hätte zu gern etwas erwidert, jedoch fehlten ihm die Argumente. Eneas legte seine Stirn in Sorgenfalten. Sie gaben es beide ungern zu, aber Ludmilla hatte recht. Sie hatten keinen Plan und waren nicht vorbereitet auf das, was als Nächstes geschehen würde.

      »Nicht, dass ihr denkt, dass ich kneife«, fügte sie nach einer Weile hinzu. »Ich möchte wirklich helfen, obwohl ich nicht weiß wie.«

      Sie hatte das Gefühl, dass Tränen in ihr hochstiegen. Sie fühlte sich leer und erschöpft. Die vielen Zelte bereiteten ihr Angst, ebenso wie die Dunkelheit und das bedrohliche Glühen, das über dem Land lag. Sie schaute schnell zur Seite und fuhr sich über das Gesicht.

      »Ich finde, dass wir die Chance nutzen und die Schatten ausspionieren sollten«, sprach Lando nach einer Weile. »Wir sollten uns ein Bild von diesem Dorf machen, bevor wir das Land der Nuria wieder verlassen.«

      Eneas nickte.

      »Und was ist mit der Legende vom Pentagramm der Schatten?«, fragte Ludmilla. »So richtig sicher war sich Mainart nicht, ob tatsächlich fünf mächtige lebendige Schatten geschaffen wurden. Sollen wir versuchen, sie im Schattendorf ausfindig zu machen?«

      »Das ist zu gefährlich«, fiel ihr Lando ins Wort. »Zumal sich diese Frage am einfachsten in deiner Welt beantworten lässt. Wenn jeweils ein Mitglied der Spiegelfamilien seinen Schatten verloren hat, dann ist es wahr und es gibt die Fünf. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Zamir diese zum Pentagramm zusammengefügt hat, sehr hoch.«

      »Wenn das Pentagramm existiert, müssten wir immer noch herausfinden, wer der Eine ist«, beharrte Ludmilla.

      Der Unsichtbare stöhnte auf, als hätte er sich gestoßen.

      »Was ist los, Eneas?« Sie wandte sich ihm voll zu. »Du glaubst nicht daran?«

      Lando sah ihn erwartungsvoll an.

      Eneas schüttelte unwillig den Kopf. »Das ist es nicht. Die Legende ist ein altes Kinderlied. Es kann auch alles nur ausgedacht sein, und wir klammern uns daran, als wäre es die einzige Hoffnung, die uns noch bleibt.«

      Sie blickte die beiden Wesen verzweifelt an. War es das jetzt? War das das Ende ihrer Aufgabe? Konnte sie überhaupt noch etwas für Eldrid tun? Sie verdrängte diesen Gedanken und sprang auf.

      »Also gut, fangen wir damit an, das Schattendorf zu erkunden. Vielleicht erfahren wir dort etwas, woraus sich die nächsten Schritte ergeben.«

      »Seit wann hat sie eigentlich das Kommando?«, wisperte Eneas Lando zu, während sie hinter ihr her liefen.

      Drittes Kapitel

       Zamir

      Zamir ließ dem Enkel von Edmund Taranee, Vince, einen Vorsprung. Er, der mächtige Spiegelwächter und zukünftige Herrscher über Eldrid, wünschte weder eine Begleitung noch wollte er sich mit einem menschlichen Anhängsel belasten. Er brauchte seine ganze Energie und Magie für das, was vor ihm lag. Die Umsetzung seiner Pläne. Während der Jahrhunderte der Gefangenschaft, die ihm die Spiegelwächter von Eldrid beschert hatten, hatte er Pläne geschmiedet und bis ins letzte Detail geplant. Nun war es endlich an der Zeit, sie Realität werden zu lassen. Dafür brauchte er Ruhe, die ihm der Taranee-Sprössling jedoch nicht bescherte. Ganz im Gegenteil. Bei dem Gedanken an den Zischlaut, den der junge Mensch von sich gegeben hatte, wenn ein S im Wort vorkam, schüttelte es Zamir. Was für ein unangenehmer Jüngling! Der Spiegelwächter konnte es immer noch nicht fassen, dass es Edmund wagte, ihm solch ein Exemplar zu schicken. Und das nannte er Nachwuchs. Zamir schüttelte missbilligend den Kopf. Edmund Taranee war immer ein Mann mit Format gewesen, auch schon als junger Mensch.