Schneller, immer schneller schoß ihr Kiel durch die leichte See.
Minuten später, und die letzten Landmarken lagen zurück. Da!
»Volle Kraft voraus!«
Das Summen der Maschinen ging in helles Klingen über. Schneller, immer schneller wurde die Fahrt. Dann, als wenn das Boot Flügel bekäme, fing es an, sich zu heben. Höher … höher … Der Bug schien das Wasser zu verlassen.
»Höchstgeschwindigkeit!« gab Mönkeberg das Kommando. Aus dem Maschinenraum klang’s wie das Spiel höchstgestimmter Saiten. Und dann … ein Gleiten … ein Schweben. Wie ein Schlitten über Schnee fuhr der breite Kiel über das Wasser.
Hirundo … die Schwalbe! Wie das Spiel der Schwalben über dem Wasser war die Fahrt des Gleitbootes. Christie stand neben Mönkeberg.
Das Gesicht des Hamburgers war verwandelt. Verschwunden das behäbige, gemütliche Lächeln. Die Augen starr über den Steven nach vorn, zwei tiefe Falten über der Nasenwurzel, die Lippen zusammengekniffen, die Hände um das Steuer gekrampft. Sportsmann in jeder Faser. Vergessen war alles, was ihn zu dieser Fahrt gebracht.
Nur der eine Gedanke … sie einholen, abfangen vor dem Ziel, der Dreißigmeilengrenze, an der die chilenische Souveränität endete.
Wieviel Knoten? Sein Blick fuhr zum Zeiger des Tachometers.
Neunzig Knoten! Nicht genug! Mehr Druck auf die Turbinen, mehr Kompression in die Gaskammer! Dann … wie ein Stöhnen ging es durch den Schiffskörper; die Maschinen heulten auf. Der Bug hob sich wie zum Sprung.
Christie taumelte zur Rückwand.
Der Vordersteven, hoch aus dem Wasser gehoben, schien, wie von Flügeln getragen, den ganzen Schiffskörper mit sich zu reißen. Kaum daß noch das Heck im Wasser blieb, die Schrauben im Wasser schlugen.
Mönkeberg blickte aufs Tachometer. Er nickte. Achtundneunzig … neunundneunzig … hundert … hundertundeinhalb … Sein Gesicht flog zu Christie herum.
»Eine knappe Viertelstunde, zehn Minuten noch, und wir haben sie …«
Christie starrte hinüber zu den Simmons-Schiffen, jede Faser ihres Körpers bebte.
Bei Tagesgrauen war sie in Valparaiso angekommen … nach einem Eilflug von zwölf Stunden. Ihr erster Schritt war zum Hafen gewesen.
Die beiden Schiffe lagen klar zur Abfahrt.
Sie war an Bord geeilt, hatte mit dem alten Kapitän gesprochen, ihm ihre Papiere, ihre Vollmachten gezeigt. Dieser hatte mit den Achseln gezuckt, sie an den Vertreter der Firma gewiesen. Alle Vorstellungen, alle Bitten waren vergeblich. Das Äußerste, was sie ihm abzuringen vermochte, daß er die Abfahrt um ein paar Stunden verzögern wolle.
Zwei Uhr nachmittags spätestens in See! Am Hafen hatte sie ein Taxi genommen, war zum Konsulat gefahren, hatte lange mit dem Mißtrauen des Konsuls zu kämpfen gehabt, der sie schließlich an die Gerichtsbehörde verwies, einen Anwalt empfahl. Diesen hatte sie aufgesucht. Er war nicht zu Hause, war im Gerichtsgebäude. Dorthin!
Langes Suchen, endlich fand sie ihn. Ein kluger, ein ehrlicher Mann!
Sie gingen zum Richter, trugen die Sachlage vor. Christies Kenntnis der spanischen Sprache erleichterte die Verhandlung.
Der Richter zögerte, konnte oder wollte nicht an den ungeheuren Betrug glauben und lehnte jede gerichtliche Verfügung ohne Anhörung der Gegenseite ab.
Ein Expreßbote wurde geschickt, den Vertreter zu laden. Der war nicht aufzufinden …
Wieder begann der Kampf um einen Gerichtsbeschluß. Ein Funkgespräch mit der Hamburger Stammfirma! Das war die äußerste Konzession des Richters. Die Verbindung versagte … atmosphärische Störungen.
Christie war verzweifelt. Sie ließ den Anwalt bei Gericht zurück und raste im Wagen zum Hafen. Zwei Uhr!
Schon von weitem suchte ihr Blick die Schiffe. Sie hielt am Kai. Von der Stadt her kam der Ton der schlagenden Uhren. Das Herz drohte stillzustehen.
Der Kapitän … würde er? Da! Ja! Die Anker gingen hoch, die Schlepper zogen an. Ein Schrei kam aus Christies Kehle. Ihre Hände streckten sich nach den Schiffen aus, als wollte sie sie halten. Halt!
Halt! Zu spät … zu spät … !
Sie taumelte, wäre fast von der Kaimauer abgestürzt, als eine starke Hand sie faßte.
»Halt, mein Fräulein … Mein Fräulein aus Deutschland … Erst mal selber halt. Viel fehlte nicht, und Sie lägen da unten im Nassen.« Der Klang der deutsch gesprochenen Worte ließ Christie zusammenzucken.
»Ein Deutscher?«
»Hermann Mönkeberg aus Hamburg.«
»Mein Name ist Harlessen. Ich kam hierher, um …«
»Etwa gar Firma Harlessen & Uhlenkort?«
»Ja! Ja!« Mit fliegenden Worten erzählte sie ihm, was geschehen war.
Er horchte, hörte, nickte.
»Haben Sie die Vollmachten bei sich?« unterbrach er sie. »Ich kenne Uhlenkorts Handschrift.«
Christie riß die Vollmacht aus ihrer Tasche und gab sie ihm. Er überflog sie prüfend. Dann drehte er sich um, der See zu.
»Da fahren sie … fünfundzwanzig Knoten mindestens … sie einholen, ehe sie die Dreißigmeilenzone überschreiten … Ja, hätten Sie den Gerichtsbeschluß! Noch wär’s Zeit. Zurück zum Gericht, das ist das einzige …«
Er rief seinen Chauffeur heran und gab ihm einen kurzen Auftrag.
»Kommen Sie, Fräulein Harlessen. Ich fahre mit Ihnen in Ihrem Wagen zum Gericht. Vielleicht, daß ein günstiger Himmel Ihnen wohl will … die Funkverbindung mit Hamburg geglückt ist.«
Sie rasten zur Stadt. Mönkeberg fuhr selbst. Am Eingang des Gerichts trafen sie den Anwalt. Seine Miene verriet, daß es gut stand.
»Verbindung geglückt! Beschluß erwirkt! Noch ein paar Minuten für die Ausfertigung … Sind die Schiffe noch da?«
»Sind weg, aber wir kriegen sie!« rief Mönkeberg. Er winkte ein Auto heran und erklärte den beiden in hastigen Worten seinen Plan.
Er wolle zum Hafen zurück, seine Turbinenjacht, ein Gleitschiff neuester Konstruktion, klarmachen. Fräulein Harlessen mit einem Gerichtsbeamten solle sofort nachkommen, sobald das Dokument in ihrer Hand sei. Und nun stand sie hier auf der »Hirundo« an Mönkebergs Seite. Schon längst sah sie wieder die Farben der Heckflaggen. Die Aufbauten wuchsen vor ihren Blicken von Minute zu Minute. Sie sah, wie von deren Bord sich Ferngläser auf sie richteten, wie Menschen verwundert an die Reling drängten. Ihre Rechte ließ das Glas und fuhr winkend in die Höhe.
»Halt! Halt!« Unbewußt kam der Schrei von ihren Lippen.
»Flaggen ’raus!« schrie Mönkeberg. »Verflucht, daß wir ohne Sender fahren mußten. Flaggen ’raus!«
Hinter dem Aufbau am Stern tauchte der Signalgast auf. Seine Arme spreizten die chilenische Flagge an zwei Stäben auseinander. Er streckte sie hoch. Zerrissen flogen im selben Augenblick ihre Fetzen nach hinten. Mönkeberg lachte.
»Der Deubel soll bei der Fahrt signalisieren … Sie entgehen uns auch so nicht.«
Da! Der singende Ton im Maschinenraum wurde eine Nuance tiefer.
Mönkebergs Stirn krauste sich. Sein geübtes Ohr hatte den geringen Tonunterschied in der Sekunde erfaßt.
»Hallo! Was gibt’s?« brüllte er hinunter.
»Kammern zu heiß! Kein Druck mehr!« klang es aus der Maschine zurück.
Tiefer wurde der Turbinenton. Die Geschwindigkeit der Jacht fiel ab.
Christie starrte angstvoll in das Gesicht Mönkebergs. Sah, wie dessen