Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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Isenbrandt hat die Maschine und den Alten nie wiedergesehen. Der blieb von dieser Stunde an verschollen. Es ist auch niemals bekannt geworden, ob der Alte bei der Schleichfahrt durch die dunklen Berge gegen eine Felsschroffe rannte oder ob er mit seiner Maschine das Opfer chinesischer Kugeln wurde. Niemals auch wurden irgendwo irgendwelche Spuren von ihm gefunden. Aber es muß ihm doch gelungen sein, den Auftrag Isenbrandts zum weitaus größten Teile auszuführen. Erst ganz am Ende seiner abenteuerlichen Fahrt muß er zugrunde gegangen sein, denn schon am übernächsten Tage ließ der plötzliche Zustrom aus den chinesischen Bergen nach, und bereits am Ende der Woche herrschten wieder normale Wasserverhältnisse im Ilital.

      In jener ersten Flutnacht ging es freilich desto stürmischer zu.

      Der Staudamm bei Terek bot ein wildromantisches Bild. Brüllend und gurgelnd stauten sich die Wildwasser hinter ihm zu einem Riesensee. Die mächtigen, millionenkerzigen Scheinwerfer der Bauleitung beleuchteten die brodelnde Wasserfläche von den Ufern aus.

      An eine so schnelle und plötzliche Inanspruchnahme jenes großen, eben erst vollendeten Staubeckens hatte niemand gedacht. Noch waren die jetzt schon überfluteten Flächen mit Baugerät, mit Häusern, ja mit ganzen, wenn auch noch unbewohnten Dörfern besetzt.

      Das alles hatten die wilden Wasser aufgewühlt und wirbelten es in gigantischem Spiel durcheinander. Hier trieben abgerissene Schindeldecken … da Prähme … dort Rüstzeug aller Art. Und zu dem, was hier schon gewesen, kam das, was die Fluten unterwegs mitgenommen hatten.

      … Ganze Herden von ertrunkenem Vieh … Teile zertrümmerter Brücken … zerstörte Behausungen … und dazwischen in erschreckender Menge die Leichen von Menschen. Die Wasser mußten schon auf chinesischem Gebiet furchtbar gehaust haben.

      Jetzt stand die Oberfläche dieses höllischen Wirbels kaum noch einen Meter unter der Dammkrone. Stieg das noch weiter, so mußten die Fluten über die Krone hinweg in breitem Schwall zu Tal stürzen … Vorausgesetzt, daß der Damm hielt.

      Hier lag die Gefahr. Der Damm war in den zuletzt gefertigten Teilen noch nicht fest abgebunden. Die Möglichkeit war vorhanden … war nur allzu groß, daß der gesteigerte Druck der aufgestauten Wassermengen diese neuen Teile aus dem Damm herausbrach … und dann …

      Schon auf die ersten Nachrichten von dem bedrohlichen Steigen der Fluten hatte Georg Isenbrandt die Siedler im unteren Ilital telegraphisch warnen lassen. Sobald ihn der alte Schmelzmeister verlassen, bestieg er selbst ein Flugschiff und fuhr nach den Terekanlagen.

      Er kam, sah … und fand seine schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Die Dammkrone war menschenleer. Das hatte die Bauleitung in Terek bereits aus eigenem angeordnet, denn unmöglich konnten die frischen Dammteile dem enormen Wasserdruck noch lange standhalten. Jeder Augenblick konnte die Katastrophe, den Dammbruch bringen.

      Schnell gab Isenbrandt seine Befehle. Er ließ alle Sirenen talabwärts aufheulen … er gab nochmaligen dringenden telegraphischen Alarm, den ganzen Ili stromabwärts bis zum Balkaschsee … aber Isenbrandt sah noch weiter. Nur ein Mittel gab es noch, der drohenden Katastrophe zuvorzukommen. So schnell wie möglich mußte man die neuen, noch weichen Teile des Dammes von dem Wasserdruck entlasten, den Stausee absenken.

      Das war nur möglich, wenn man einen Einschnitt von gehöriger Tiefe und Breite in den alten, gesunden Teil der Staumauer einsprengte. Dort mußte es geschehen, denn der neue, noch schwache und schon überlastete Teil der Mauer hätte die Beanspruchung einer Explosion nicht ertragen. Er wäre sicherlich sofort in seiner ganzen Ausdehnung zu Bruche gegangen.

      Nur mit den schärfsten Sprengmitteln und mit großen Mengen davon ließ sich aber die Sprengung in den granitharten Dammassen des alten Teiles bewerkstelligen. Gelang sie, so würden sich freilich sehr gewaltige Wassermengen durch die gesprengte Lücke talabwärts ergießen. Sie würden sicherlich beträchtlichen Schaden anrichten. Aber dieser Schaden und diese Gefahr blieben immerhin in übersehbaren Abmessungen. Und der Spiegel des Stausees mußte sich dann schnell senken. Der Druck auf den schwachen Teil des Dammes mußte sofort nachlassen. Das Schlimmste war dann überwunden, die schwerste Gefahr vermieden.

      Nach den Anordnungen Isenbrandts lief das Sprengkommando Über die Dammkrone nach der anderen Berglehne hinüber. Im mittleren Teil war die frische Stelle. Am Nordufer, im harten alten Teil, sollte die entlastende Scharte ausgesprengt werden.

      Im taghellen Lichte der Scheinwerfer sah man vom Ufer aus die Mannschaft über die Dammkrone eilen. Sie mochte etwa die Mitte erreicht haben, als ein Blitz an dieser Stelle aufzuckte, ein krachender Donner das Toben der Elemente übertönte.

      An der schwachen Stelle des Dammes war eine schwere Sprengladung explodiert. Einen Moment noch stand die Mauer dort zitternd im Strudel. Dann riß sie breit auf, neigte sich zu Tal und brach in Riesenbrocken auseinander. In wütendem, stoßendem Schwall stürzten die entfesselten Fluten wie ein einziger starrer Block zu Tal.

      Verschwunden war an dieser Stelle der Damm … Verschwunden die Leute des Sprengkommandos auf ihm.

      Ein Schrei des Entsetzens aus vielen tausend Kehlen.

      Isenbrandt selbst stand unter der Wucht der Katastrophe wie erstarrt.

      Wie war das möglich gewesen? … Wie konnte das geschehen? … Der Sprengstoff trug noch keine Zündung. Auch wenn einem der Träger eine Kiste entglitt, konnte sie doch nicht explodieren.

      Ein Verbrechen? … Nur ein Verbrechen konnte es sein. Von wem? … Es bedurfte keiner Frage.

      Mit schweren Schritten wandte er sich zum Ufer und begab sich in das Bureau der Werkleitung.

      »War unter dem Sprengkommando ein Gelber?«

      Einer der Ingenieure beantwortete die Frage.

      »Jawohl! Alibeg! Ein kirgisischer Vorarbeiter … Einer, der sich durch besondere Anstelligkeit auszeichnete.«

      Ein Held! dachte Isenbrandt bei sich … sicher ein gelber Ingenieur, der sich hier unter falscher Flagge als Werkmann verdingt hat.

      Dann wandte er sich an den Stationsleiter.

      »Ich kehre nach Wierny zurück. Alle Nachrichten für mich bitte dort hin! Hier ist Menschenhilfe vergeblich. Vertrauen wir auf Gott.«

      Noch einmal warf er einen Blick auf das Tal, in dem das entfesselte Element dahinschoß.

      Wehe alle denen talabwärts, die unsere Warnung nicht befolgten!

      In dieser Nacht flogen die Telegramme zwischen Wierny und Berlin hin und her.

      In Urga, der alten heiligen Hauptstadt der Chalka-Mongolen, hatte Wellington Fox mit Hilfe des getreuen Ahmed die Witthusens ermittelt. Viele Wochen hindurch war Ahmed in der Maske eines sartischen Händlers durch das mongolische Land gezogen. Hatte mit großem Geschick und noch größerem Glück hier gefragt und dort geforscht, bis er endlich die Spur hatte, die nach Urga wies.

      Dann war Wellington Fox zu ihm gestoßen. Der kam als russischer Teehändler mit einer großen Handelskarawane aus dem nahen Kjachta über die russische Grenze. Vorzüglich hatte er es verstanden, sein Äußeres der Rolle, die er hier spielen mußte, anzupassen. Den Mangel seiner russischen Sprachkenntnisse verbarg er geschickt unter einem freilich recht holperigen Chinesisch. Solange aber kein allzu scharfes Auge ihn beobachtete, kein allzu scharfes Ohr ihn hörte, konnte er hier wohl unbehelligt seinen Plänen nachgehen.

      In einer der großen Herbergen der Stadt, in der die Karawane Quartier nahm, hatte er sein Unterkommen gefunden. Daß er hier häufig mit einem sartischen Händler zusammenkam, fiel bei der Mannigfaltigkeit und Unübersichtlichkeit asiatischer Kaufmannsgeschäfte nicht weiter auf.

      Es war um die Zeit der Abenddämmerung. Wellington Fox saß in dem primitiv einfachen Raum, der ihm in der Karawanserei als Unterkunft diente.

      Ein leises Klopfen an der Tür. Die einzelnen Schläge in der verabredeten Folge. Wellington Fox schob den schweren Holzriegel zurück. Der Sarte trat in den Raum.

      »Bist du da, Ahmed? … Wie steht’s?«

      »Gut, Herr! Euer Papier ist in