Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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Gefangenen das Haus verlassen. Bist du sicher … ganz sicher, daß der Wärter keinen Verrat übt?«

      »Er hat geschworen … bei den Seelen seiner Ahnen …«

      »Ein Schwur?«

      »Er wird seinen Schwur halten, Herr. Wirst du ihn aber auch im Flugschiff mitnehmen, wie du versprochen? Er fürchtet die Strafe, wenn die Flucht entdeckt ist.«

      »Ich werde ihn mitnehmen … samt seinen fünfhundert Dollar. Er mag sie in Frieden in Kjachta verzehren.

      Der Weg vom Haus bis zum Brunnen ist kurz. Um neun Uhr werde ich dort unter dem Schein einer Notlandung niedergehen.«

      »Wenn du da bist, wird alles gut sein, Herr!«

      Ahmed verließ den Raum. Wellington Fox blieb mit seinen Gedanken allein. Im Geiste sah er das Glück der Geretteten … die Freude Isenbrandts, wenn er mit ihnen in Wierny landen wurde. Noch einmal überlegte er alle Chancen. Es mußte gelingen.

      Es waren ein paar helle, freundliche Räume, in denen die Witthusens die Tage ihrer Gefangenschaft verbrachten. Der alte Herr saß seiner Tochter gegenüber. Ein Schachbrett, das ihnen die endlosen Stunden ihrer Haft kürzte, stand zwischen ihnen. Aber seitdem das Papier des sartischen Händlers durch den bestochenen Wärter in ihren Händen war, standen die Figuren unberührt auf den Feldern.

      Die lange Haft … die Ungewißheit über ihr Schicksal hatten die blühenden Farben Maria Feodorownas gebleicht. Jetzt hatte die Erregung der Erwartung das alte Rot auf ihre Wangen zurückgezaubert. Auch Theodor Witthusen hatte die Lethargie verloren, die bisher auf ihm lag. Es war mehr die Sorge um Maria, sein einziges, so sehr geliebtes Kind, als die um ihn selbst, die ihn niedergedrückt hatte.

      Mit gedämpfter Stimme … fast flüsternd sprachen sie.

      »Die Freunde, Maria, an die ich zuerst gedacht, haben nichts für uns getan … vielleicht nichts tun können … Der Konsul … wie oft war er in unserem Hause … nichts …

      Collin Cameron … am Tage vor unserer Gefangennahme suchte er mich noch zu beruhigen … rühmte sich seiner guten Beziehungen … auch er … nichts …

      Die beiden jungen Deutschen … eine flüchtige Reisebekanntschaft von dir … an die hätte ich zuletzt gedacht … Die Not zeigt, wo die wahren Freunde sitzen. Herr Fox kommt ja zweifellos im Einverständnis … mit Unterstützung seines Freundes Isenbrandt.«

      »Glaubst du, Vater« – das leichte Rot auf Marias Wangen vertiefte sich – »daß Herr Isenbrandt bei seinen vielen großen Arbeiten noch Zeit hat, sich um uns zu kümmern?«

      »Würde sonst sein Diener mit hier sein? … Ihn selbst mögen seine Arbeiten festhalten, aber er denkt auch an uns.«

      »Er hat uns früh genug gewarnt … Du ließest dich durch Mr. Cameron beschwichtigen. Ich weiß nicht, Vater … ich kann dein großes Vertrauen in Mr. Cameron nicht teilen … sein ganzes Wesen … sein überfreundliches Benehmen stoßen mich ab.«

      »Ach, Kind, das sind unkontrollierbare Gefühle … Ich kenne ihn seit Jahren und habe nie Anlaß gehabt, an ihm zu zweifeln.«

      Er zog die Uhr.

      »Noch zwei Stunden … wie langsam die Zeiger schleichen! … Heute noch langsamer als sonst.«

      Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihr Gespräch. Sie glaubten, es wäre der Wärter, der ihnen um diese Zeit die Abendmahlzeit zu bringen pflegte.

      Collin Cameron stand vor ihnen.

      »Ah, Herr Cameron! … Wo kommen Sie her? … Bringen Sie Gutes?«

      Witthusen war aufgesprungen und reichte dem Besucher die Hand.

      »Soeben noch tat ich Ihnen unrecht. Wir sprachen von den Freunden, auf deren Beistand wir vergeblich hoffen … und darunter waren auch Sie.«

      »Auch ich … und was waren es sonst noch für Freunde?«

      »Oh, alle aus Kaschgar … Der russische Konsul … die Upharts … viele andere … auch sonst noch …«

      Er brach seine Rede jäh ab, unterdrückte die Namen Fox und Isenbrandt, die ihm schon auf der Zunge lagen. Eine Spur jenes Mißtrauens, das Maria vorhin geäußert, hatte sich ihm mitgeteilt.

      »Bringen Sie gute Nachricht?«

      »Wenn nicht heute, so doch bald! Ich freue mich, daß Sie mich unter Ihre Freunde zählen … Auch Ihnen, Fräulein Maria, meinen Dank, daß Sie meiner in Freundschaft gedacht haben.«

      Collin Cameron nahm auf dem Stuhle Witthusens am Schachtisch Platz.

      »Oh, Fräulein Maria, Ihr Spiel steht gut. Der arme König … ein Zug von Ihrer Hand, und er muß sich Ihnen ergeben.«

      Theodor Witthusen wiederholte seine Frage:

      »Bringen Sie gute Nachrichten, Herr Cameron?«

      »Gute Nachrichten? … Fräulein Maria …«

      Seine Augen versenkten sich brennend in diejenigen Marias.

      »Ich hoffe, daß es meinen guten Beziehungen bald gelingen wird, Ihre Freilassung durchzusetzen.«

      »Weshalb sind wir überhaupt gefangen?«

      Witthusen unterstützte und verstärkte die Frage Marias.

      »Wie konnte man es wagen, uns bei Nacht und Nebel wie Verbrecher aus unserem Hause zu holen und wegzuschleppen?«

      »Ich erfuhr Ihre Verhaftung leider erst am anderen Morgen … Konnte nicht sofort feststellen, wohin Sie gebracht worden waren. Mit vieler Mühe brachte ich heraus, daß Sie verdächtigt sind, mit Chinas Feinden in Verbindung zu stehen.«

      Witthusen fiel ihm erregt ins Wort.

      »Feinden? … Wer sind Chinas Feinde? … Mit wem liegt China im Krieg?«

      »China liegt im Krieg … freilich nicht im offenen, sondern im geheimen Krieg mit der E. S. C. Ihr Verkehr mit dem Ingenieur Isenbrandt hat Sie in den falschen Verdacht gebracht.«

      »Deshalb diese Gewalttat!« Marias kleine Faust schlug kräftig auf den Tisch … Ich kann es nicht glauben! Die gelben Spione arbeiten nicht so schlecht, daß sie aus einer flüchtigen Reisebekanntschaft eine Verschwörung machen.«

      »Und doch ist es so, Fräulein Maria … doch Geduld! Der Tag wird kommen, an dem Sie, gereinigt von allem Verdacht, in das alte Haus in Kaschgar zurückkehren können.«

      »Nach Kaschgar!«

      Maria erhob sich und warf mit einer brüsken Handbewegung die Schachfiguren durcheinander.

      »Nach Kaschgar? … Nie wieder kehre ich nach Kaschgar zurück! Verhaßt ist mir die Stadt. Verhaßt das Land, wo solche Gewalttat geschehen konnte!«

      »Oh, nicht doch, Fräulein Maria! Seien Sie nicht so schroff! … Beruhigen Sie sich! … Volle Genugtuung wird Ihnen gewährt werden.

      Ihr Heim in Kaschgar wartet auf Sie, so wie Sie es verlassen haben. Als ich Ihre Verhaftung erfuhr, ließ ich mir Vollmacht geben, über Ihr Eigentum zu wachen. Die Schlüssel des Hauses sind in meiner Hand. In Ihrem Stübchen steht alles, wie Sie es verlassen haben. Nichts entfernt … nichts gerückt! Der große Mandelbaum vor Ihrem Fenster steht wie alle Jahre um diese Zeit in einem Blütenmeer. Gedenken Sie der schönen Stunden, die Sie dort verbracht. Werfen Sie nicht alle erfreulichen Erinnerungen um eine Unerfreulichkeit von sich!

      Fast möchte ich bedauern, wenn Sie, nun wieder frei, statt nach Kaschgar zurückzukehren, das Land verlassen. Dann wäre auch mir Kaschgar verleidet. Wie öde würde es mir vorkommen, wenn ich Ihr verlassenes Haus dort sehen … Sie entbehren müßte …«

      »Nein! Maria hatte recht! Nie wieder kehren wir in das alte Haus nach Kaschgar zurück! Wer gibt uns Gewähr, daß wir nicht jederzeit auf irgendeinem unsinnigen Verdacht hin neue Leiden erdulden müssen?«

      Collin Cameron biß sich auf