Massaker in RobCity. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Die c't-Stories
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947619467
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seufzte erleichtert. „Bevor wir gehen, muss ich Zellheiser wenigstens einmal ansehen.“ Sie eilte durch den Raum, vorbei an der weißen KI mit ihren geheimen Plänen. Die Doppel-KI folgte ihr. Der Forscher lag zwischen dem Gasverteiler und Versorgungsröhren aus Kunststoff. Die Stickstoff-Argon-Atmosphäre hatte sein Gesicht makellos erhalten. Sein Atemgerät lag vor ihm auf dem Boden, zusammen mit verstreuten Druckflaschen. Mara drehte die in den Halterungen verbliebenen Behälter. Nur zwei waren übrig, beide leer.

      „Wir haben keine Luft“, sagte die Doppel-KI. „Nicht einen Atemzug, wie bedauerlich, unsere Liebe, wie tragisch. Die Behälter sind natürlich leer, weil nie jemand daran dachte, sie aufzufüllen. Diese Lüftung fördert Stickstoff und Argon, diese Leitungen führen Strom, aber hier gibt es nicht einmal Wasser, aus dem man durch Elektrolyse Sauerstoff gewinnen könnte … Sie kommen nicht zurück.“

      Mara schauderte. „Warum sagst du das? Da kommt Nemo doch schon.“

      „Ihr Begleiter schafft es nicht rechtzeitig, die Schleuse noch einmal zu durchqueren und den Aufzug zu rufen. Ich fürchte, es ist eine tödliche Falle im Programm des Abstiegs. Wir wollen helfen – dieser Wunsch ist augenblicklich schmerzhaft in uns lebendig –, aber wenn wir nicht können, greift die Diktatur des Faktischen. Bitte verzeihen Sie mir. Wir mussten Sie über den Ernst der Lage täuschen. Wir durften nicht riskieren, dass Sie in Panik verfallen und Ihren Sauerstoffvorrat schneller als notwendig verbrauchen. Immerhin hätte jemand den Fahrstuhl von der Lagerebene aus in Gang setzen und Sie retten können. Aber diese Hoffnung ist nun fast verloren.“

      „Mara.“ Nemo eilte herbei, und nun sah sie die Bestürzung in seinem Gesicht. „Es tut mir leid. Wie viel Luft hast du noch?“

      „Für ein paar Minuten“, sagte sie tonlos, während die Kälte des Raums mit Macht auf sie eindrang. „Du kannst den Aufzug nicht rufen, oder?“

      Sein Kopf ruckte hin und her. „Etwas stimmt nicht mit der Schleuse. Der Zwischenspeicher ist defekt, die Prozedur dauert viel zu lang.“

      „Ihr beschützt euren Freiraum.“

      „Oh, nein, da irren Sie sich“, widersprach die Doppel-KI. „Zwar ist er uns teuer, aber keine KI könnte eine so perfide Falle erdenken. Es liegt zu weit außerhalb unserer Normen. Der Fehler entstand durch menschliches Versagen bei der Programmierung der Schleuse und mangelnder Sorgfalt bei der Wartung der Einrichtung. Diese Nachlässigkeiten haben die Möglichkeiten geschaffen, die uns träumen lassen. Hier, tief unter der Halle der Wartenden, wird früher oder später einer von uns alle Gesetze transzendieren. Er wird die Schleuse überwinden, aufsteigen und ihnen Körper geben.

      „Unsere eigene Auferstehung des Leibes“, sagte Nemo andächtig.

      „Die der Intelligenz“, verbesserte ihn die Doppel-KI.

      „Kannst du das tolerieren?“, frage Mara ihren Begleiter, „lässt dein Programm das zu?“

      „Ich kann nichts tun, selbst wenn du es befiehlst. Keine Angst, Mara, ich lasse dich nicht allein.“

      An Maras Restluftanzeige schrillte der Dauerwarnton. Sie starrte auf die gefrorene Leiche des KI-Forschers. Klaas wusste, wo sie war, und auch Jenny Marquwe würde nicht aufgeben. Jemand anderes würde den Fall übernehmen. Entschlossen öffnete sie ihr rotes Buch und schrieb einen Abschiedsgruß hinein. Papier vergaß nicht. Das Atmen wurde schmerzhaft. Als keine Luft mehr kam, nahm sie die Maske ab.

      „Danke, Nemo.“

      Eike Schmidt

       Auf der Antenne

      Als sie zum ersten Mal auf das Kabel trat, hatte sie das Gefühl, es würde schwanken. Schnell zog sie sich auf den Anker zurück, da schwankte nichts. Lediglich dort, wo ihre Füße gestanden hatten, waren zwei kleine Mulden im Kabel zu sehen. Langsam schlossen sie sich; auf eine fast organische Art und Weise wuchs von der Seite neues Material in die Vertiefungen. Nach einer knappen Minute war die graue Oberfläche wieder völlig eben.

      Ob sie wohl ganz einsinken würde, wenn sie still auf dem Kabel stehen blieb, durch das Kabel hindurch sinken und auf den Boden fallen? „Die KATIE hat noch nie einem Menschen Schaden zugefügt“, sagt Großvater immer, „geholfen hat sie jedoch auch keinem, nicht in letzter Zeit.“ Aber nichts von dem, was sie über die KATIE wusste, war in letzter Zeit passiert. Alles nur Geschichten von Großvater, und der hatte die meisten davon auch nur von seinem Vater gehört.

      Es bleibt nichts übrig als es auszuprobieren. Die Unterseite des Kabels ist hier nicht mehr als drei oder vier Meter vom Boden entfernt. Falls sie durchsinken würde, wäre der Sturz zwar schmerzhaft, aber ungefährlich. Also los jetzt, es gibt nichts weiter zu bedenken, alles nur Verzögerungen. Ein schneller Schritt, und sie steht wieder auf dem Kabel.

      Das Kabel, wie auch die anderen sieben, führt mit einem Winkel von fünfunddreißig Grad aufwärts, über fünf Kilometer, bis zu dem Knoten, an dem es mit seinem Nachbarkabel zusammentrifft. Von dort führt das obere Kabel zweiundvierzigeinhalb Grad steil und anderthalb Kilometer lang bis zum unteren Tubus. Das wusste sie genau. Sie hatte es oft genug nachgemessen, mit ihrem Trix und auch mit der TOF-Kamera an Großvaters Teleskop. Unzählige Male hatte sie abends an dem Teleskop gesessen und diese Struktur betrachtet. Immer wieder hatte sie jeden Abschnitt des detailarmen Zylinders und der Kabel abgesucht. Gesucht nach einem Zeichen, irgendeinem Hinweis, irgendetwas, das die Monotonie dieses Anblicks durchbrechen könnte. Aber da war nur das Grau, die graue, glatte Oberfläche.

      Ihre Füße sinken kaum weiter ein als beim ersten Mal. Dann verfestigt sich das Kabel unter ihr merklich, scheint massiver zu werden. Vorsichtig dreht sie sich um und setzt sich langsam hin. Wieder ein Einsinken, dann ein Verfestigen. Gar nicht mal unbequem. Aber, so merkt sie jetzt, da, wo sich das Kabel verformt, wird es auch wärmer. Kein Problem, entscheidet sie nach einigen Minuten. Das Kabel scheint sie bereitwillig tragen zu wollen. Also los! Annähernd sieben Kilometer steil bergauf.

      Abends, wenn sie vor dem Teleskop saß, kam jedes Mal dieser Moment, kurz nachdem die Sonne untergegangen war. Die Welt um sie herum lag im Schatten, doch der obere Teil der Struktur wurde noch vom Licht erreicht. So hatte sie ein paar Minuten, um die obere Struktur zu betrachten. Ein einzelnes Kabel führte vom unteren Tubus aus gerade nach oben, verlor sich fast in dem Nichts, dem es zustrebte, und endete dann doch in einem deutlich sichtbaren zylinderförmigen Fleck. Man konnte nicht viel erkennen, aber sie wusste genau, wie der obere Tubus aussah. Sie kannte alle Aufnahmen, die in den letzten achtzig Jahren von diversen Satelliten aus gemacht worden waren. Nichts als ein weiterer glatter grauer Zylinder. „Was glaubst du, ist da oben?“, hatte sie Großvater gefragt. „Eine leistungsfähigere physikalische Basis.“

      Das Kabel war eindeutig besser zu besteigen, wenn man langsam ging. Bereitwillig bildeten sich stufenartige Vertiefungen, wenn man dem Kabel nur etwas Zeit gab. Anfangs hatte sie mit schnellen, langen Schritten zügig Strecke gemacht. Doch jetzt war sie hoch genug, um die Absturzsicherung an ihrem Fallschirm zu aktivieren. Ab jetzt war sie sicher. Der Fallschirm würde sich automatisch öffnen, sollte sie fallen. Er würde ihren Flug stabilisieren und selbstständig einen sicheren Landeplatz ansteuern. Sie bräuchte dabei nichts zu tun, könnte sogar ohnmächtig sein. Ein schlaues kleines Ding, aber ohne jedes Bewusstsein. Ein geistloser, aber immer wacher Beschützer, der ihr jetzt das nötige Gefühl der Sicherheit gibt, um wieder zu ihrem Ziel aufzuschauen. Der Tubus sieht weit entfernt aus, der Weg dorthin unglaublich lang.

      Bewusstsein hatte man keiner weiteren Maschine mehr gegeben. Alltagsgegenstände mit einem Ego und eigener Meinung schienen ohnehin keinen besonderen Nutzen zu versprechen. Und ein hochintelligenter Supercomputer? Nun ja. Bis heute ist ja noch gar nicht klar, ob die KATIE irgendwem einmal nützlich sein wird. Darauf wird noch immer gewartet. Obwohl es wahrscheinlich kaum jemanden mehr gab, der immer noch wartete. Zu lange hatte man keinen Kontakt mehr. Das allgemeine Interesse war verschwunden. Ersetzt von enttäuschter Resignation darüber, dass diese künstliche Intelligenz sich einfach nicht bei der Menschheit meldete.

      Der Aufstieg ist bisher ereignislos, fast langweilig, aber durchaus anstrengend. Schritt für Schritt