Dr. Susan Hiepa verzichtete auf eine Replik. Sie steuerte ihren Automatik-Rollstuhl in Richtung des Ausgangs. Aaron folgte ihr schweigend. „Du hast keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Es ist doch nur eine Simulation gewesen“, flüsterte Susan.
„Für IHN war es echt. Das war schließlich Sinn und Zweck der Übung. Worin besteht der Unterschied zur Realität, wenn du ihn von allen realen Informationsquellen abgeschnitten hast? Da existiert keiner. Für ihn war es die Wirklichkeit, auch wenn nichts davon stattgefunden hat.“
„Ja, Aaron. Aber es war der Beweis, dass der Quantenrechner nicht mehr die Oberhand hat. Unser Experiment Zehn-Achtundvierzig verfügt über einen eigenen – zutiefst menschlichen – Moralkodex. Er reagiert wie ein Mensch.“
„Lassen wir ihn frei?“
Susan vermied eine Antwort. Zwei Türen weiter rollte sie in das eigentliche Labor, stoppte ihren Rollstuhl kurz vor der Anordnung Nummer fünfzehn. Sie blickte hoch in den Zylinder voller Flüssigkeit. Kleine Blasen stiegen wie in Zeitlupe durch das Gel nach oben. In der Mitte des beleuchteten Plexiglas-Behälters schwamm ein Gehirn, aufgehängt an mehreren Kabeln, die im Innern der grauen Windungen verschwanden.
„Wann wirst du ihm sagen, dass er keine echte künstliche Intelligenz ist, Susan“, fragte Aaron, der sich neben seine Mutter gestellt hatte.
„Bald.“
„Dieses Gehirn machte also den Unterschied?“
„Du weißt es genau, Aaron. Vierzehn Gehirne. Vierzehn gesunde Gehirne, die wir zu einem Konglomerat zusammengeschaltet haben und sie gleichzeitig mit dem kompaktesten Quantenrechner verbunden haben, der auf dem Markt ist. Hoffnung für alle Todkranken, die uns ihr Gehirn zur Kryogenisierung angeboten haben. Und dennoch hatten wir keinen Erfolg. Keine eigenständigen, keine ansatzweise menschlichen Entscheidungen. Stets war es der Quantencomputer, der rechnete und entschied.“
Sie deutete auf die rund zwei Dutzend, ein Meter hohen zylindrischen Bassins, in denen jeweils ein Gehirn ruhte. „All diese Intellekten, diese Synapsenverbindungen aus vergangenen Leben, waren nicht in der Lage, die Kontrolle zu übernehmen und den Zusammenschluss zu einer Kooperation zu bewegen; egal welche Kombination wir wählten. Und dann kam er. Ein frisches Gehirn, eine neue Möglichkeit.“
„Experiment Zehn-Achtundvierzig.“
„Ja, Motiv war ein Wunder.“
„Warum dieses Szenario?“ Aaron stellte sich dicht an den Plexiglaszylinder. Er beobachtete die sanfte Schaukelbewegung des Gehirns. „Ich meine, warum die Vorspiegelung falscher Tatsachen. Dass er eine künstliche Intelligenz ist, dass er vom Militär zu menschenverachtenden Einsätzen genötigt wird?“
Susan räusperte sich. „Wir wollten herausfinden, ob er zu einer menschlichen Entscheidung fähig war. Der Quantenrechner war stets treu bis zum Erbrechen, Aaron. Ich musste Motiv die Wahl lassen. Es war ein Entschluss, eines Menschen würdig. Jetzt wissen wir, dass dieses Konglomerat aus fünfzehn Gehirnen funktioniert.“
„Also wirst du ihm erzählen, dass alles, was er bislang erlebte, nur eine Simulation war? Dass alles nur dazu diente, ihn zu testen?“
Dr. Susan Hiepa nickte. „Er wird es verstehen. Außerdem werde ich ihm seinen wahren Namen nennen.“ Sie beugte sich vor und las die Schrift auf dem kleinen weißen Schild an dem Bassin.
„Otto.“
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