Massaker in RobCity. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Die c't-Stories
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947619467
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breite Einfahrt auf den Parkplatz der City. Mehr als hundert von ihnen parkten entlang der zwei Dutzend bahnsteigähnlichen Plattformen. In Notfällen konnten von hier aus alle 120000 Maschinen ausrücken. Das Gelände war großzügig dimensioniert, klar geordnet und peinlich sauber. Die KIs marschierten in dichten Reihen zum Eingangsportal. Das Ganze erinnerte Mara an Fritz Langs Vision „Metropolis“, fehlte nur noch eine brüllende Industriesirene. Ihr Herz hämmerte schon, bevor sie ausstieg und sich in die Flut stürzte. Aber das Meer der Maschinen teilte sich um sie. Wie in einer Blase freundlicher Rücksichtnahme ging sie mit Nemo dem monolithischen Bauwerk entgegen. Um sie stete Bewegung, kondensierte Arbeitskraft. Zellheiser hatte darin mehr gesehen als einen Maschinenpark: Bildungsgeschichten, Individualisierung, Gruppendynamik, Totenkulte.

      „Ist Zellheiser auch hier angekommen?“, fragte sie Nemo, der in respektvollem Abstand an ihrer Seite ging.

      „Er reiste mit seinem eigenen Camper an und parkte in der Besucherzone. Sein mobiles Heim ist mit dem Nötigsten ausgerüstet: eine chemische Toilette, Nahrungsmittel und Wasser für knapp eine Woche. Nur die Atemluft und das Brauchwasser hat er von uns bekommen. Außerdem haben wir Einkäufe für ihn erledigt. Tagsüber war Zellheiser im Gebäude unterwegs, führte Interviews, fertigte holografische Bilder und Videos an und ließ KI-Bewohner kognitive Tests durchführen. Bis vor drei Tagen, dann verschwand er.“

      Mara schaute ihren Begleiter verwirrt an. „Wasser? Und Atemluft? Ich hatte eigentlich nicht vor, auf dem Mond zu landen.“

      „Hier gibt es nur recyceltes Brauchwasser, und in Teilen der City herrscht eine Stickstoff-Argon-Schutzatmosphäre. Menschen können sich nur mit Pressluftatmern frei bewegen. Keine Sorge, für Besucher werden Masken und Ersatzpatronen bereitgehalten.“

      Tatsächlich hingen in der breiten Eingangshalle neben Warntafeln in Schwarz und Gelb eine Reihe Masken und thermosflaschengroße Druckbehälter mit Trageband und einer schnurlosen Füllstandsanzeige für das Handgelenk.

      „Ich trage das Gerät, solange Sie es nicht benötigen“, erbot sich Nemo. Er nahm einen betriebsbereiten Pressluftatmer von der Wand und dazu noch eine Ersatzpatrone.

      „Vielen Dank.“ Mara blickte in den spärlich erleuchteten Schlund der Toolcity. Das Gebäude hatte den Charme eines Uraltparkhauses. Nichts als Betonwände und nackte Säulen. Sie hatte mehr Technik erwartet, Kameras, Sensoren, aber wie hatte Nemo gesagt: ein in Beton gegossenes Computerprogramm. Die Technik, auf die es ankam, steckte in den Bewohnern.

      Als sie den Gang betraten, dimmten die LEDs an der Decke auf ein für menschliche Augen angenehmes Niveau.

      Mara zückte ihr Notizbuch. „Was hat Zellheiser am Tag seines Verschwindens getan?“

      „Um 7:33 Uhr kam eine KI von der Nachtschicht und lieferte ihm das bestellte Frühstück auf den Parkplatz: Obstsalat, Buttermilch und Kaffee. 8:07 Uhr betrat er die Toolcity und setzte seine Untersuchung vom Vortag fort. Im dritten, achten und zwölften Stock filmte er KIs beim Anfertigen von Kratzbildern.“

      Mara zog die Brauen hoch. „Was sind Kratzbilder?“

      „Gelegentlich kommt es vor, dass einer von uns durch eine unvollendete oder gescheiterte Aufgabe eine Obsession entwickelt, die einen exzentrischen Ausdruck sucht. Manche so konfliktbesetzten KIs sprechen mit sich selbst oder werden vollkommen handlungsunfähig. Aber das führt direkt zu einem Reset. Diejenigen, die noch über etwas Selbstkontrolle verfügen, versuchen ihren Zustand zu verbergen. Sie kratzen in ihren Zimmern mit ihren Fingern oder Zehen etwas in den Beton. Oft Bilder, seltener Texte. Zellheiser sprach in diesem Zusammenhang von künstlerischem Ausdruck und einem Mental-Overflow. Nun, Sachbeschädigung ist in unserer Programmierung nicht vorgesehen, der Übergang zwischen sinnvoller Tätigkeit und sinnloser ist jedoch nicht trennscharf zu fassen. Klar ist nur, wer so anfängt, bei dem dauert es in der Regel nicht lange, bis ein Reset angeordnet wird. Mehr als tausend solcher Kratzbilder wurden in den letzten Jahrzehnten entfernt. Zellheiser gab uns die Anweisung, zukünftig alle vor ihrer Zerstörung zu dokumentieren und die Daten an ihn zu senden. Außerdem wollte er, wann immer möglich, Interviews mit Reset-Kandidaten führen.“

      „War das seine letzte Tätigkeit?“

      „Nein, zuletzt besuchte er die technischen Ebenen UT1 und UT2. Dort befinden sich die Haustechnik und die Recycling- und Produktionsstrecken. Zellheiser erfuhr, dass wir dort häufiger Einzelaufgaben über längere Zeiträume ausführen und hoffte daher, auf KIs mit verfestigtem Mental-Overflow zu stoßen. Sonderlinge, wenn Sie so wollen.“

      „Ich bin selbst ein Pfirsich in einer Apfelkiste, Nemo.“ Sie blickte von ihren Notizen auf. „Ich verstehe immer noch nicht, was an einem bisschen Overflow so heikel ist.“

      „Ein Overflow-Kandidat, um in Zellheisers Terminologie zu bleiben, wird zum Reset verpflichtet, wenn seine Handlungen nach der Gesetzesinterpretation mindestens dreier anderer KIs erheblich von der Soll-Norm abweichen. In diesem Fall bilden die Kritiker eine Jury und kontaktieren das Sicherungssystem. Dieses generiert einen Befehl, dem der Kritisierte gehorchen muss. Wenn also KIs über längere Zeit allein oder nur in Gegenwart von maximal zwei anderen KIs arbeiten, ist das Verfestigen von Overflow denkbar. Und vielleicht, so Zellheisers Theorie, können sich in einem solchen Umfeld sogar Toleranzen gegenüber Overflow herausbilden, indem es zwischen den KIs zu einer sukzessiven Aufweichung der Standards kommt. Er verglich das mit dem Normwandel menschlicher Gesellschaften.“

      „Klingt logisch.“

      „Als Theorie ja, aber praktisch ist es unmöglich, weil wir solche Fehlentwicklungen erfassen und korrigieren würden. Neben der Regeneration unserer Arbeitskraft ist das eine der wichtigsten Funktionen der Toolcity: Die Besatzdichte sorgt für eine permanente gegenseitige Kontrolle.“

      „Verstehe.“ Mara nickte nachdenklich. „Ist Zellheiser wieder aus den U-Ebenen herausgekommen?“

      „Das ist anzunehmen. Nach Meldung seines Verschwindens führten wir Simulationen durch: Demnach gab es zwei Zeitfenster, in denen er die technischen Ebenen verlassen und das Gebäude hätte durchqueren können, ohne den optischen Erfassungsbereich einer KI zu passieren.“

      „Kannst du mir die dafür nötigen Bewegungen als Schema zeigen?“ Sie hielt ihm ihren Com hin.

      Nemo berührte das Display und übertrug das Modell durch einen optischen Code auf seiner Fingerkuppe. Es entfaltete sich über vier Seiten. Mara studierte die viel zu komplexen Wege. Zellheiser hätte rennen, schleichen und minutenlang stillstehen müssen, um genau im richtigen Moment die Halle zu durchqueren und hinter einem Bus in Deckung zu gehen.

      „Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, muss das, was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es erscheint, die Wahrheit sein“, hatte Arthur Conan Doyle seinem Holmes in den Mund gelegt, dabei hatte er aber zweifellos nicht an Maschinenlogik gedacht.

      Der sich gabelnde Strom der KIs wurde dünner. Nemo führte Mara zu einer Fahrstuhltür, vor der bereits acht gelb und rot lackierte Maschinen warteten. Die Luft in der Kabine war kühl und trocken mit Spuren chemischer Substanzen, die Mara an eine Autowerkstatt für Verbrennungsmodelle erinnerten. Ein winziger geometrischer Körper, bei dem innen und außen ineinanderflossen, war in die silberne Rostschutzfarbe der Kabinenverkleidung geritzt. Mara betrachtete das Gebilde, während graue Betonwände an den Öffnungen vorbeiglitten.

      „Was bedeutet das?“

      Mehrere der KIs wandten sich zu ihr um. Nemo blinzelte. „Das ist eine Paradoxie. Zwei unvereinbare Bezugssysteme zu einer Unmöglichkeit vereinigt. Ihre Bedeutung erschließt sich mir nicht.“

      Mit einem Druckluftschnaufen hielt der Fahrstuhl. Das Schott glitt hoch und entließ sie in eine Schleusenkammer voller Warnschilder. Hinter diesem Punkt herrschte Schutzatmosphäre. Nemo half Mara, die Sauerstoffmaske anzulegen, und erklärte ihr die Handhabung. Jede Druckluftflasche sollte bei ruhiger Atmung für eine halbe Stunde reichen. Sie sah auf die Uhr ihres Coms, der natürlich kein Netz hatte: 15:09 Uhr. Die gespeicherte Luft schmeckte frisch und kühl.

      „Machen Sie sich keine Gedanken, ich vergesse nie die Zeit“, sagte der mechanische Kindergärtner und trat in die erleuchtete