Flamme von Jamaika. Martina Andre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Andre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726292879
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drei der Gärtner, die sich üblicherweise um die Parkanlagen von Redfield Hall kümmerten, hatten bereits am Tage zuvor einen üppigen Blumenschmuck aus bunten, einheimischen Blüten im Innern der Kapelle aufgestellt.

      Aus dem Innern des Gotteshauses erhob sich nun laute Orgelmusik, die gleiche Melodie von Felix Mendelssohn Bartholdy, die sich mit den Bläsern des Militärkorps für einen Moment auf unschöne Weise vermischte. Es dauerte eine Weile, bis beide Seiten zu einer einvernehmlichen Harmonie fanden. Edward hatte die Noten dazu in London erstanden, und Nelson Willowbie, ein Organist aus Port Maria, hatte die Melodie tagelang einstudieren müssen, weil nach seinem eigenen Bekunden Hochzeitsmelodien im Moment nicht sehr gefragt waren.

      Lena war mulmig zumute. Edward zuliebe hatte sie sogar ihren Glauben gewechselt. Mit dem Tag ihrer Vermählung trat sie zur anglikanischen Kirche über. Doch nicht nur das beängstigte sie. Ihre Knie wurden weich bei dem Gedanken, dass sie heute Abend endgültig die Frau eines Mannes sein würde, den sie noch immer nicht richtig einschätzen konnte. Ob der Preis für ihr Glück vielleicht doch zu hoch ausfiel? Würden ihre Gefühle füreinander ausreichen, um ein ganzes Leben miteinander bestreiten zu können?

      Beinahe erleichtert registrierte Lena, dass Lord William mit festem Griff ihren rechten Ellbogen erfasste und sie Richtung Altar dirigierte. Maggie und Lady Elisabeth folgten ihnen und sorgten dafür, dass sich die drei Meter lange Schleppe nicht irgendwo im seitlichen Gestühl verhedderte.

      Vor ihnen hatte sich ein Dutzend niedlich anzusehender Blumenmädchen aufgereiht, die einer benachbarten, deutschen Lutheranersiedlung entstammten. Sie steckten in himmelblauen Seidenkleidchen und trugen mit Blattgold verzierte Weidenkörbchen, aus denen sie Hyazinthen-, Hibiskus- und Jasminblüten auf den Weg zum Altar streuten. Lady Elisabeth hatte wirklich nichts dem Zufall überlassen.

      Mit gewichtigen Schritten führte Lord William Lena zum Altar, wo Edward mit seinem Trauzeugen, Trevor Hanson, bereits auf sie wartete. Lena überraschte der Anblick des gekämmten und gewaschenen Aufsehers, der in einem für ihn unpassend vornehmen Anzug steckte. Aber seine ungewohnte Erscheinung war nichts gegen Edward, der in ihren Augen aussah wie ein griechischer Gott. Augenblicklich wusste sie wieder, warum sie sich auf das Abenteuer mit ihm eingelassen hatte.

      Er trug einen französischen Anzug mit heller Hose und nussbraunem Jackett, dazu einen steifen, cremefarbenen Kragen, der farblich perfekt zu ihrem Kleid passte und seine vornehme Haltung betonte. Das markante Gesicht war glatt rasiert, die kurzen, dunklen Haare mit Pomade zurückgekämmt. Seine dunkelblauen Augen schimmerten voller Stolz, als sein Vater ihm Lenas zitternde Hand übergab. Es war, als ob er sagen wollte: Seht her, was für eine junge, schöne Frau mir das Jawort gibt!

      Lena war bemüht, seinen Blick mit einem hingebungsvollen Augenaufschlag zu erwidern. Pastor Langley schien ihre Nervosität nicht zu bemerken. Er bat Edward und Lena, nebeneinander auf zwei rot gepolsterten Hockern Platz zu nehmen, und hob die Hände zum Gebet.

      Der Innenraum der Kapelle hatte sich bis auf den letzten Platz gefüllt. Einige der geladenen Männer fanden keine Sitzmöglichkeit mehr und drängten sich in den Kirchentüren, sodass niemand mehr hinein- oder hinausgelangen konnte. Zum Weglaufen war es nun eh zu spät, dachte Lena und faltete sittsam die Hände, den Blick starr geradeaus auf den Altar gerichtet.

      Die nun folgenden Worte des Pastors rauschten beinahe ungehört an ihr vorbei, bis Langley ihr mit beiden Händen den Schleier zurückschlug und das Brautpaar bat, sich gemeinsam zu erheben. Schüchtern ergriff sie Edwards dargebotene Hand, bemüht, den weiteren Ausführungen des Pastors mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

      «Willst du, Edward William Montgomery Blake, die von Gott dir anvertraute Helena Sophie Huvstedt als deine Ehefrau lieben und ehren und die Ehe mit ihr nach Gottes Gebot und Verheißung führen in guten und in bösen Tagen, bis der Tod euch scheidet, so antworte: Ja, mit Gottes Hilfe.»

      Edward zögerte keinen Moment.

      «Ja, mit Gottes Hilfe!» Mit tiefer, sonorer Stimme sprach er die Worte mit geradezu einschüchternder Autorität.

      Nun wandte sich der Pastor mit der gleichen Frage an Lena. Während er sprach, glaubte sie mit einem Mal neben sich zu stehen. In Edwards Augen loderte unterdessen unbändiges Verlangen, doch loderte darin auch das Feuer ewiger Verbundenheit? Bei seinem siegessicheren Lächeln brachen erneute Zweifel an seiner Liebe in ihr auf.

      Eine innere Stimme riet ihr schon länger zur Vorsicht, was Edwards wahre Gefühle für sie betraf. Es erschreckte sie selbst, dass sie sich bis vor kurzem hauptsächlich nach seinem attraktiven Körper und seinen heißen Küssen gesehnt hatte. Die Herzenswärme war dabei entschieden zu kurz gekommen, und doch sehnte sie sich nun vor allem nach seiner Liebe. Dabei war Lena noch nicht einmal klar, wann sie sich dessen bewusst geworden war. Als Edward bereits bei ihrer Ankunft mit seiner Abwesenheit geglänzt hatte? Oder weil er so nachlässig mit seinen Sklaven umging? Oder lag es daran, weil sie das Gefühl nicht loswurde, dass er sie offenbar mehr mit dem Körper als mit dem Herzen begehrte?

      Du verlangst zu viel, mahnte eine innere Stimme. Er ist bereit, alles für dich zu tun, sein Leben und seinen Reichtum mit dir zu teilen. Liebe kann man nicht erzwingen, sie muss wachsen, und das wird sie auch.

      Vielleicht aber waren ihre Zweifel auch nur den Anstrengungen der vergangenen Wochen und den aufwendigen Hochzeitsvorbereitungen geschuldet.

      Lena hatte schon viel zu lange mit einer Antwort gezögert, als Pastor Langley sich unvermittelt räusperte.

      Ein hastiger Blick zur Seite versicherte ihr, dass die Armee von Hochzeitsgästen in ihrem Nacken ihr keine Chance ließ, das Ruder im letzten Augenblick noch herumzureißen. Sie durfte nicht einmal ansatzweise dem Versuch erliegen, ihre wahren Gefühle preiszugeben.

      «Ja, mit Gottes Hilfe», wiederholte sie willenlos die Vorlage des Pastors, doch die Worte fühlten sich seltsam hohl an.

      «Der allmächtige Gott segne eure Verbindung!», verkündete Langley mit salbungsvoller Stimme und vollführte den Segen. «Getreu dem Motto: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, und wo man dich begräbt, will auch ich begraben werden.» Dann wandte er sich mit einem feierlichen Nicken an Edward. «Zum Zeichen der ehelichen Treue und Liebe darfst du, Edward William Montgomery Blake, der Braut nun den Ring anstecken.»

      Für einen Moment erlag Lena der Vorstellung, was wohl geschehen würde, wenn sie die Hand zurückzog, bevor Edward den goldenen Ehering neben ihrem hochkarätigen Diamantring platzieren konnte, den er ihr anlässlich ihrer Verlobung in London geschenkt hatte. Aus Furcht, ihre Hand könnte sich plötzlich verselbständigen, machte sie sich stocksteif und ließ die Zeremonie wortlos über sich ergehen.

      Mit erhobenem Haupt richtete sich Langley nun an die gesamte Gästeschar. «Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.» Dann senkte er den Blick auf das vor ihm stehende Paar.

      «Hiermit erkläre ich euch kraft meines von Gott gegebenen Amtes zu Mann und Frau. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.»

      In Edwards Kuss bestätigte sich sein unbotmäßiges Verlangen, das fern jedweder Romantik lag und ihre Bedenken nachträglich verstärkte. Eisern kniff sie die Lippen zusammen, als sie spürte, wie seine Zunge vor allen Leuten nach Einlass verlangte.

      «Amen!», erscholl es aus gut zweihundert Kehlen.

      Sogleich setzte der Organist an und spielte zur Ehre des englischen Königs die Nationalhymne. Die Gäste erhoben sich und sangen lauthals mit.

      Währenddessen beugte sich Edward vor und flüsterte ihr triumphierend ins Ohr:

      «Heute Nacht ist es vorbei mit all der Prüderie. Dann gehörst du deinem Ehemann, mit Haut und Haaren. So, wie du es vor Gott versprochen hast.»

      Obwohl sie eigentlich glücklich sein sollte, brachte Lena nur ein gequältes Lächeln zustande. Bei Lichte betrachtet hatte sie genau das erhalten, was sie sich in London so sehnlich gewünscht hatte: einen blendend aussehenden, vermögenden Kerl, dem es, was die körperlichen Bedürfnisse von Frauen betraf,