Flamme von Jamaika. Martina Andre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Andre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726292879
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mit blendend weißen Zähnen und trug eine eng sitzende, violettfarbene Livree, die keinen Zweifel über seine Vorzüge aufkommen ließ.

      «Bevor er in meinen Dienst getreten ist», erklärte Lady Fortesque, «hat er auf der Plantage aus Zuckerrohr Melasse gekocht. Daher sein Name. Candy, von Süßigkeit. Er ist ein wahrhafter Engel. Liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Sogar mein Bett vergisst er nie vorzuwärmen.»

      Maggie warf Lena einen irritierten Blick zu, der diese beinahe zu einem unpassenden Grinsen verleitet hätte. Die Miene des jungen Mannes blieb undurchsichtig, doch er schien seiner Herrin tatsächlich zutiefst ergeben. Unterdessen hatte der zufriedene Ausdruck in den Augen der Lady, wenn ihr Blick auf seiner markanten Erscheinung ruhte, etwas von einer Katze, die in einen Rahmtopf gefallen war.

      Als Edward sich kurz darauf zu ihnen gesellte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck zu einer neutralen Miene, die darauf schließen ließ, dass sie ihr süßes Geheimnis nicht mit jedem teilte.

      «Und liebe Tante, wie stehen die Geschäfte in Rosenhall?»

      «Alles bestens», gab sie mit einem Schulterzucken zu Protokoll.

      «Keine Aufstände? Keine entlaufenen Sklaven?», fragte er.

      «Gott bewahre!», erwiderte die Lady und fasste sich an ihre ausladende Brust. «Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Sklaven», beteuerte sie.

      «Trotz allem, man sollte sein Vertrauen mit Bedacht vergeben», bemerkte Edward kühl und bedachte Candy Jones mit einem abfälligen Blick. «Es gab in den vergangenen Wochen mehrere Zwischenfälle, die ich nicht näher erläutern möchte, um dich nicht zu erschrecken. Aber wir sollten wachsam sein! Wenn du willst, lasse ich meine Männer auch auf Rosenhall Patrouillen reiten.»

      «Nicht nötig», erwiderte Lady Fortesque ein wenig ungehalten. «Ich habe meine eigenen Leute und will keine zusätzliche Unruhe unter meinen Sklaven verbreiten. Aber danke für das großzügige Angebot.»

      Edward schien bemerkt zu haben, dass er zu weit gegangen war, und verwickelte sie in eine harmlosere Unterhaltung, in der es um Zuckerpreise und die kostengünstigen Schiffsrouten nach Europa ging. Lena und Maggie zogen sich auf eine Chaiselongue zurück, die etwas abseits stand, um sich bei einem Glas Limonade, das Jeremia ihnen serviert hatte, ungestört zu unterhalten.

      «Habe ich das richtig gedeutet?», fragte Maggie und beugte sich zu ihrer Freundin vor. «Sie ist seit zehn Jahren verwitwet und hält sich diesen Candy Jones als Geliebten?»

      Ihr Blick verriet Lena, dass sie kurz davor stand, laut loszuprusten. Diese Überlegung war tatsächlich nicht nur abgrundtief skandalös, sondern bei dem Alters- und Standesunterschied der beiden absolut unvorstellbar.

      «Vielleicht ist er ihr nur ein treuer Freund?», erwiderte Lena und versuchte zu überspielen, wie schockiert sie war. «Es kommt gar nicht so selten vor, dass die Dienerschaft zum engsten Vertrauten wird. Sieh uns beide an.»

      «Aber das ist ein himmelweiter Unterschied», gab Maggie leise, aber entschlossen zurück.

      «Vielleicht haben wir ihre Bemerkungen auch nur falsch interpretiert, oder sie hat zu viel Brandy zum Tee getrunken und hat sich versprochen», erklärte sie kaum hörbar. «Sie hat ja auch lediglich gesagt, dass er ihr das Bett vorwärmt …»

      Maggie kicherte hell und erntete prompt einen irritierten Blick von Edward, der sich noch immer angeregt mit Lady Elisabeth unterhielt.

      «Abgesehen davon, dass eine gusseiserne Pfanne diese Aufgabe weitaus zuverlässiger erledigen würde», murmelte Maggie mit zusammengebissenen Zähnen, «wird es hier wohl kaum kälter als bei uns zu Hause im Hochsommer. Wofür benötigt sie also einen Bettwärmer? Denkst du nicht, da ist etwas faul?»

      «Keine Ahnung, aber ich mag sie», fügte Lena flüsternd hinzu. «Immerhin gehört sie als seine Patentante zu Edwards Familie, auch wenn keine direkte Verwandtschaft besteht. Außerdem ist sie weniger steif und verbissen als Lord William.»

      «Nun ja», seufzte Maggie und beobachtete, wie sich die Lady mit Edward unterhielt. «Sie scheint jedenfalls kein Kind von Traurigkeit zu sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist sie so etwas wie die Princess of Lieven von Jamaika.»

      Lena verdrehte die Augen. «Ihr verstorbener Mann war ein Viscount und eng mit Lord William befreundet», erklärte sie. «Nach seinem Tod hat Lady Fortesque eine gigantische Summe geerbt, und obwohl sie spielend nach Europa hätte zurückkehren können, möchte sie wie Lord William auf dieser Insel sterben und neben ihrem Gatten beerdigt werden.»

      «Wie romantisch!», entfuhr es Maggie mit einem unterdrückten Kichern, um Edward nicht noch einmal in seiner Unterhaltung zu stören. «Was Lord Fortesque wohl zu Candy Jones sagen würde? Denkst du, er würde sich im Grabe umdrehen?»

      «Maggie!» Lena warf ihrer Freundin, deren ungehemmte Neugier sie nur allzu gut kannte, einen warnenden Blick zu. «Lady Elisabeth ist hier, um uns bei den letzten Hochzeitsvorbereitungen zu helfen. Also untersteh dich, ihr bis zur Trauung am nächsten Samstag allzu intime Fragen zu stellen!»

      Die Glocken der hauseigenen Kapelle, die unweit des Herrenhauses von Redfield Hall von Edwards Vorfahren erbaut worden war, läuteten Sturm. Gleichzeitig scharten sich immer mehr Gäste anlässlich der unmittelbar bevorstehenden Vermählung von Helena Sophie Huvstedt und Sir Edward William Montgomery Blake um das kleine Gotteshaus.

      Draußen war es windig, aber noch schien die Sonne warm vom Himmel herab. Über den hoch aufragenden Blue Mountains bildeten sich bereits die ersten dunklen Gewitterwolken.

      Hoffentlich hält das Wetter wenigstens, bis die Hochzeitsgesellschaft in den geschmückten Festsaal des Haupthauses zurückkehrt, dachte Lena. Sie stand am Fenster ihrer Gäste-Suite und inspizierte von ferne den mit weißem Kies ausgestreuten Vorplatz der Kapelle. Aufgeregt beobachtete sie die Ankunft der zahlreichen Gäste. Die Männer erschienen ausnahmslos in Frack und Zylinder. Die Frauen waren in einfarbige Seidenkleider mit ausladenden Ballonärmeln gekleidet, die der neusten europäischen Mode in nichts nachstanden.

      Schon seit dem frühen Morgen trug Lena das bauschige, cremefarbene Hochzeitskleid, das ihre Schneiderin in London nach dem letzten Pariser Schick angefertigt hatte. Estrelle und Maggie hatten ihr das hellblonde Haar zu einem dicken Knoten auf dem Kopf aufgetürmt. Darüber fiel in langen Bahnen der eierschalfarbene Schleier, ein Erbstück von Edwards Mutter. Lena hoffte, dass die Haarnadeln, die den Stoff hielten, dem Wind trotzen würden, der bereits die ersten Hüte von den Köpfen der Damen blies.

      «Komm, wir müssen gehen», erinnerte sie Maggie und legte letzte Hand an, um die hauchdünne Brüsseler Spitze vor ihrem Gesicht zu drapieren. «Dein zukünftiger Ehemann wartet bereits ungeduldig am Altar auf dich.»

      Edward hatte sie an diesem Tag noch nicht zu Gesicht bekommen. In seiner Familie hatte man die Tradition auf den Kopf gestellt. Angeblich brachte es Unglück, wenn die Braut den Bräutigam vor der Kirche erblickte.

      «Da ist ja die wichtigste Person des Tages!», rief eine ihr bekannte weibliche Stimme, als Lena sich zusammen mit Maggie auf den Weg zur Kapelle machte.

      «Und da rauscht die zweite Brautjungfer heran», vermeldete Maggie mit beißender Ironie.

      Lady Elisabeth Fortesque kam aufgeregt hinter ihnen her gewatschelt, wobei ihre pompöse Aufmachung an ein üppiges, frisch dekoriertes Sahnetörtchen erinnerte.

      Als erste Brautjungfer war Maggie zwangsläufig in das gleiche rosafarbene Seidenkleid gehüllt worden wie ihre Mitstreiterin, die sich diese Farbe und die vielen Rüschen und Schleifen ausdrücklich gewünscht hatte.

      Zu Maggies Bestürzung hatte die Schneiderin, die von Lady Elisabeth mit dem Nähen der Brautjungfernkleider beauftragt worden war, Ballonärmel und Überrock zusätzlich mit Hunderten von Seidenröschen versehen.

      «Ich hasse Rosa», hatte Maggie nach der Anprobe in den letzten Tagen stets gejammert. «Und wenn Lady Elisabeth wüsste, dass sie in dem Kleid wie