Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726355109
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lohnt sich immerhin, darüber nachzudenken«, sagte Dr. Brocksieper entgegenkommend. »Nur sind wir inzwischen in einen gewissen Zugzwang geraten. Der Anwalt Ihrer Gattin schlägt ein Gespräch unter acht Augen vor. Ihre Gattin, Sie, der Kollege Günther und ich sollten uns zu einer Aussprache zusammenfinden. Ich halte das für keine schlechte Idee. Es wäre eine Möglichkeit, unsere Standpunkte zu vertreten.«

      »Aber wenn sie nicht nachgibt?«

      »Nun . . . « Der Rechtsanwalt hob die Hand und ließ sie mit einer resignierenden Geste fallen, » . . . dann müssen wir es tun.«

      »Niemals!« Helmut sprang auf.

      »Mein lieber Herr Stadelmann, so begreifen Sie doch endlich Ihre Situation: Ihre Frau hat das Recht auf ihrer Seite. Wenn wir überhaupt noch etwas herausschinden können, dann nur, indem wir ihr entgegenkommen. Ihr wird ja auch nichts daran liegen, vor Gericht nach ihrem Intimleben befragt zu werden. Das können wir ihr ersparen, indem Sie die Schuld ohne Widerspruch auf sich nehmen.«

      »Aber warum sollte ich das?!«

      »Das habe ich Ihnen gerade erklärt«, sagte der Anwalt geduldig.

      »Weil Sie keinen Vorteil davon hätten, es nicht zu tun. Wollen Sie es wirklich so weit kommen lassen, daß dieses . . . « – er blätterte in der Akte – » . . . Fräulein Susanne Dinkler als Zeugin befragt wird? Eine unangenehme Geschichte für die Dinkier, für Sie und auch für Ihre Frau.«

      »Das ist mir egal.«

      »Aber es wäre unvernünftig. Wie die Dinge liegen, kann es Ihnen auch nichts nützen, wenn Sie sie zum Äußersten treiben. So erhöhen Sie nur die Gerichtskosten. Am Urteil selber ist damit nicht zu rütteln.«

      Helmut kam näher, beugte sich über den Schreibtisch und fragte, fast flehend: »Können wir die Sache nicht wenigstens noch hinausziehen? Müssen Sie diesen Brief denn gleich beantworten? Vielleicht fällt mir doch noch was ein . . . «

      Dr. Brocksieper schüttelte den Kopf. »Auch eine Verzögerungstaktik würde letzten Endes doch nur wieder gegen uns sprechen. Nein, Herr Stadelmann, Sie haben keine Wahl mehr: Sie müssen es durchstehen.«

      Die Aussprache fand am 18. Februar in der Kanzlei Dr. Günthers statt und brachte für beide Parteien nicht das erstrebte Ergebnis. Zwar erklärte Helmut sich bereit, die Schuld wegen erwiesener Untreue auf sich zu nehmen, aber er weigerte sich, auf Martinas Forderung nach einer einmaligen Abfindung einzugehen. Martina wiederum war nicht bereit, diese zurückzuziehen. Es gelang den Anwälten nicht zu vermitteln, und Martina und Helmut trennten sich im bösen, entschlossen, ihren Standpunkt vor Gericht durchzukämpfen.

      Martina blieb noch bei Dr. Günther zurück. Auf dem Tischchen in der Sitzecke standen die benutzten Kaffeetassen.

      »Tja, die sechsunddreißigtausend sind eben ein harter Brocken«, stellte Dr. Günther fest – mitfühlend und doch auch ein bißchen schadenfroh. »Ich wundere mich nicht, daß der Gute den nicht schlucken will.«

      Martina trug ein anthrazitfarbenes, enganliegendes Jumperkleid mit dreiviertellangen Ärmeln. Sie war vorteilhaft geschminkt und wirkte sehr hübsch, aber auch sehr entschlossen. Auf ihren hohen Wangenknochen glühte ein Rot, das offensichtlich nicht kosmetischer Herkunft war. »Ich werde es durchkämpfen«, erklärte sie. »Das traue ich Ihnen ohne weiteres zu.« Aus der Stimme des Anwalts klang keine reine Bewunderung.

      »Sie sagen das, als wenn ich ein Unmensch wäre . . . «

      »Niemand, der Sie sieht, könnte das behaupten!«

      Martina ließ sich von dem Kompliment nicht ablenken. »Dabei steht er sich, wenn er nachgibt, wesentlich besser, als wenn er bis an mein Lebensende für mich zahlen müßte.«

      Ihre Spitzfindigkeit entlockte Dr. Günther ein Lächeln. »Aber das müßte er ja gar nicht, Frau Stadelmann. Wir alle wissen doch, daß Sie vorhaben zu arbeiten.«

      »Aber ich muß ja nicht. Wenn ich dadurch nur meinen Mann entlaste, macht es mir keinen Spaß. Sagen Sie mir jetzt nicht, daß man mir mit zwei schulpflichtigen Kindern sehr wohl zumuten kann, Geld zu verdienen. Ich kann jederzeit krank werden . . . das kann ich doch, nicht wahr?« Sie blickte ihn beschwörend an.

      Einmal mehr faszinierte es ihn, daß ihr eines Auge braun war und das andere ein klares Grün zeigte. »Würde Sie das befriedigen?«

      »Natürlich nicht. Deshalb helfen Sie mir, daß ich zu dem Geld komme. Ich brauche es, Doktor Günther, ich brauche es wirklich. Wenn man vorankommen will im Leben, braucht man eine Starthilfe. Sobald ich mein Praktikantinnenjahr hinter mir habe, will ich mich selbständig machen. Sie glauben doch nicht, daß ich die Ehe aufgebe, um mich statt dessen ein Leben lang für fremde Leute abzurackern?« Sie zerrte an ihren langen Handschuhen.

      »Nein, das glaube ich nicht, Frau Stadelmann. Wie wär’s mit einem Kognak? Ich glaube, wir beide könnten einen brauchen.«

      Dr. Günther ging zum Schreibtisch, bückte sich, nahm eine Flasche Kognak und zwei Gläser heraus und brachte alles in die Sitzecke.

      »Ich verstehe Ihren Standpunkt sogar. Sie haben Ihre Ehe als Sklaverei empfunden, und jetzt wollen Sie frei sein.«

      »Stimmt. Aber frei sein kann man nicht ohne Geld.«

      Dr. Günther stellte die beiden Gläser auf den Tisch, der schon Spuren von Alkoholrändern zeigte, und schenkte ein. »So sollten wir aber nicht vor Gericht argumentieren. Richter sind meistens Männer. Denen geht es wider den Strich, eine Frau zu unterstützen, die auf ihre Selbständigkeit pocht. Geschickter ist es, wenn wir an ihr gutes Herz und ihren Beschützerinstinkt appellieren. Eine kleine hilflose Frau, von ihrem Mann betrogen . . . Vertrauensgrundlage der Ehe zerstört... Steht vor dem Nichts und möchte wenigstens ihre Zukunft sichern. Wir werden die Überschreibung der Witwenpension auf Ihre Person verlangen, und wir haben eine große Chance, damit auch, durchzukommen.«

      »Das haben Sie mir schon einmal vorgeschlagen, und das will ich nicht!« Martina setzte ihr Glas hart auf den Tisch. »Was soll ich denn mit einer Pension, wenn ich alt und grau bin?!«

      »Sagen Sie das nicht. Eine Pension kann man immer gebrauchen.«

      »Aber ich brauche Geld, und zwar bald.«

      »Wir können Ihren Mann nicht zwingen, da er sich nicht überzeugen lassen will. Wir können nur das Erreichbare herausholen. Und ich verspreche Ihnen, das werde ich tun.«

      »Und wie soll ich zu meinem Startkapital kommen?«

      »Das ist eine andere Frage. Ich könnte mir vorstellen, daß eine Frau wie Sie doch einen Gönner finden sollte.«

      Martina stand auf. »Nein, danke. Ich habe nicht die Absicht, meinen Mann gegen einen Gönner auszutauschen. Aber ich werd’s schon irgendwie schaffen.«

      »Davon bin ich überzeugt.« Er trat einen Schritt näher auf sie zu. »Wissen Sie eigentlich, daß ich Sie bewundere?«

      Sie hatte eine kecke Antwort schon auf der Zunge – er sah es am Funkeln ihrer Augen. Dann aber besann sie sich und sagte lächelnd: »Das ist lieb von Ihnen, Herr Doktor. Tun Sie für mich, was Sie können!«

      Helmut Stadelmann war wütend. Es grauste ihm davor, den Abend im Kreis seiner sich ihm immer mehr entfremdenden Familie zu verbringen. Er hatte das Bedürfnis sich auszusprechen, und die einzige Person, von der er hoffen konnte, daß sie Verständnis für ihn aufbringen würde, war Susi Dinkler.

      Seine Mutter würde nur wieder mit den alten Vorwürfen kommen. »Warum hast du sie denn auch geheiratet . . . gleich gesagt . . . ist keine Frau für dich . . . mußte ja so kommen . . . «

      Sein Vater hätte, schweigend an seiner Pfeife nuckelnd, nur zugehört und sich jeden Kommentars enthalten. Aber allzu deutlich hätte Helmut gespürt, was er dachte: daß er, Helmut, ein Schlappschwanz sei, nicht fähig, eine Frau zu beherrschen. Als Vater von fünf Kindern, der seine Familie immer mit Erfolg unter dem Daumen gehalten hatte, konnte er ja gar nicht anders denken. Außerdem hatte er seit jeher eine Schwäche für Martina, die hübscheste seiner Schwiegertöchter,