Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726355109
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der Zug durch die Industrielandschaft brauste, wendeten sich Martinas Gedanken der Vergangenheit zu. Zwanghaft, sie wollte es gar nicht, versuchte sie immer aufs neue herauszufinden, warum es zwischen ihr und Helmut zum Bruch gekommen war und wann sich der erste verhängnisvolle Sprung am Firmament ihrer Ehe gezeigt hatte.

      Zwei Stationen, Menschen, die hinaus- und hereindrängten, Duisburg, Oberhausen, vorbei an den Hochöfen der Gutehoffnungshütte, dann war sie am Ziel. Dinslaken. Ohne Freude eilte sie einem Heim entgegen, das kein Heim mehr war.

      Einmal, es war Februar geworden, die Kälte war gebrochen, und trotz des strömenden Regens lag ein Hauch von Frühling in der Luft, begegnete sie auf dem Weg nach Hause Susi Dinkler.

      Martina hatte seit dem Zwischenfall die Drogerie, in der Susi arbeitete, nie mehr betreten. Dennoch war sie darauf gefaßt gewesen, daß ihr die frühere Freundin irgendwann und irgendwo über den Weg laufen würde. Aber als es geschah, war sie doch völlig überrascht. Es war im Kaffeegeschäft. Martina haue auf dem Heimweg noch rasch ein Päckchen Kaffee besorgen wollen, und Susi hatte diesen Einfall anscheinend auch gehabt und deshalb kurz ihren Arbeitsplatz verlassen.

      Martina hatte sich vorgenommen, Susi zu schneiden, über sie wegzusehen, als hätte sie sie niemals gekannt. Aber das ging nun nicht. Ihr erster Blick hatte sie schon verraten.

      Sie standen sich in dem kleinen Geschäft gegenüber, Martina war von der Tür und Susi Dinkler von der Kasse her gekommen. Es schien, als wichen die anderen Kunden vor ihnen zurück und bildeten gleichsam einen Kreis um sie. Auch die Plaudereien verstummten.

      »Tag, Martina«, sagte Susi Dinkler.

      Martina hätte wortlos an ihr vorbeigehen können, aber sie wollte die Leute im Laden nicht mit Gesprächsstoff versorgen.

      Es war ihr zwar nicht klar, wieso jemand in der Stadt – außer den Juristen, und die mußten schweigen – etwas über sie, Susi und Helmut wissen konnte, aber es wurde bestimmt schon weidlich geklatscht. Das wurde Martina in diesem Augenblick bewußt, denn anders war die Aufmerksamkeit, die das zufällige Treffen erregte, nicht zu erklären.

      »Tag«, gab sie zurück.

      »Du siehst gut aus.«

      »Es geht mir auch gut.«

      Diese wenigen, beiläufig gesprochenen Worte genügten, um die Spannung im Raum zu lösen. Die Gespräche setzten wieder ein. »Entschuldige, aber ich hab’s furchtbar eilig!« Martina drängte an Susi vorbei zum Verkaufstisch.

      Sie war erleichtert, daß es ausgestanden war, und versuchte zu ergründen, warum sie die Begegnung so peinlich empfunden hatte: nicht sie, sondern Susi hatte doch Grund sich zu schämen.

      Aber es war noch nicht vorbei,

      Als sie das Geschäft verlassen hatte, trat Susi wenige Schritte weiter aus dem Haustor. »Martina, bitte . . . « Sie trug eine durchsichtige Plastikhaut mit Kapuze über ihrem weißen Kittel, ihre blonde Hübschheit wirkte farblos, obwohl sie an Lidstrich und Lippenrot nicht gespart hatte. Der Regen lief ihr wie Tränen über das Gesicht, das Haar war vorne, wo es von der Kapuze nicht ganz bedeckt war, dunkel vor Nässe.

      »Ich habe es wirklich eilig«, sagte Martina.

      »Nur einen Moment!« Susi machte eine Bewegung, als wollte sie Martina am Ärmel ziehen, schien es dann aber doch nicht zu wagen und ließ die Hand wieder fallen. »Ich konnte dir da drinnen doch nicht sagen . . . «

      »Ich will gar nichts von dir hören!«

      »Aber du mußt doch wissen, wie leid es mir tut.«

      »Was!? Daß du es mit Helmut getrieben hast? Ich dachte, es hätte dir Spaß gemacht!«

      »Ich wollte deine Ehe nicht zerstören!«

      »Wer soll dir das glauben?«

      »Du! Ich würde doch niemals meiner besten Freundin den Mann wegnehmen wollen!«

      »Würdest du nicht?! Aber du hast es getan. Und erzähl mir jetzt bloß nicht, daß du ihn nicht mit Handkuß nehmen würdest, wenn er dich drum bäte.«

      »Ich liebe ihn eben.« Sie senkte den Blick.

      »Na, dann viel Spaß!«

      Der Regen hatte aufgehört, Martina klappte ihren Schirm zusammen, daß die Tropfen spritzten, und ließ Susi stehen.

      Noch war sie voller Zorn. Aber schon nach wenigen Schritten spürte sie, daß die Auseinandersetzung ihr gutgetan hatte. Sie hatte Dampf abgelassen und war jetzt imstande, das, was passiert war, nüchterner zu sehen.

      Susi war nicht schlecht, sondern nur dumm – ein dummes Luder auf der verzweifelten Suche nach einem Mann. Arme Susi. Sie konnte einem leid tun. Egal, ob Helmut sie nun heiratete oder stehenließ. Angeschmiert war sie auf jeden Fall.

      »Also – ich kenn’ mich da nicht mehr aus!« Helmut Stadelmann hatte die Stirn in waagerechte Falten gelegt. »Ehrlich . . . ich versteh’ meine Frau nicht mehr. Was sie bloß hat?«

      Rechtsanwalt Dr. Brocksieper blieb ganz ernst; er war ein smarter Mann, der selbst den Verlust seines rechten Armes – er hatte ihm im Krieg amputiert werden müssen – mit Souveränität zu tragen wußte.

      »Na, immerhin hat sie Sie in einer eindeutigen Situation überrascht. Haben Sie sich schon mal gefragt, wie Sie reagiert hätten, wenn Sie Ihre Frau in flagranti erwischt hätten?«

      Helmuts Stirn glättete sich nicht. »Ich hätte sie rausgeschmissen! Aber das ist doch was ganz anderes! Da ist doch ein Unterschied, ob ein Mann so was tut oder eine Frau. Das läßt sich doch gar nicht miteinander vergleichen.«

      »Na ja, ich glaube, es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns in der Theorie verlieren.« Der Rechtsanwalt lehnte sich in seinen Schreibtischsessel zurück. »Tatsache ist, Ihre Frau besteht auf der Scheidung, und Sie sind mit Ihren Aussöhnungsversuchen keinen Schritt weitergekommen. Die Frage ist jetzt . . . «

      Helmut fiel ihm ins Wort. »Das eben versteh’ ich nicht! Daß sie im ersten Augenblick wütend war – schön und gut, wenn sie auch nicht gleich zum Anwalt hätte rennen brauchen. Aber inzwischen hätte sie doch, weiß Gott, Zeit genug gehabt, zur Vernunft zu kommen. Eine Ehe bedeutet doch was! Die gibt man nicht so einfach auf. Und da sind doch auch noch die Kinder.«

      »Auf die Kinder«, erinnerte der Anwalt, »braucht sie ja nicht zu verzichten. Die Kinder werden ihr nach Lage der Dinge bestimmt zugesprochen.«

      »Aber sie nimmt ihnen das Zuhause. Sie zerstört die Familie!«

      »Ich verstehe Ihren Standpunkt, Herr Stadelmann, obwohl ich Sie darauf aufmerksam machen muß, daß das Gericht aller Wahrscheinlichkeit nach zu der Ansicht gelangen wird, daß Sie es waren, der die Ehe gebrochen hat. Es wäre gefährlich, wenn ich Ihnen da etwas vormachen wollte. Wir müssen den Tatsachen ins Gesicht sehen, und die zeigen uns, daß wir leider in einer sehr miesen Position sind, es sei denn . . . « Er sprach den Satz nicht zu Ende.

      »Es sei denn – was?«

      »Wir könnten nachweisen, daß Ihre Frau nicht ganz das weiße Unschuldslämmchen ist, als das mein Kollege Günther sie hinzustellen sucht.«

      »Wenn sie ihre Pflicht getan . . . wenn sie mich nicht mit ihrer Freundin allein gelassen hätte . . . «

      Der Rechtsanwalt machte eine ungeduldige Handbewegung. »Darüber haben wir schon oft genug gesprochen, es geschah schließlich mit Ihrem Einverständnis. Nein, ich denke an etwas anderes. Sie selber, lieber Herr Stadelmann, finden es doch auffallend, daß sie so konsequent auf eine Scheidung drängt . . . «

      »Ich verstehe es einfach nicht.«

      »Es gäbe aber eine sehr einfache Erklärung dafür . . . « Wieder sprach Dr. Brocksieper einen Satz nicht zu Ende; er wollte erreichen, daß Helmut Stadelmann als erster den Verdacht ausspräche.

      Aber sein Mandant war begriffsstutzig.

      »Nun, denken Sie doch mal nach! Aus was für einen Grund