Die Fälle der Shifter Cops. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall der Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948483685
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»Trink ein Glas von dem Champagner für mich mit und lass dir die Sachen schmecken!« Er deutete auf die Feinkosttüte. Dann gab er Julie einen Kuss auf die Wange. »Und fürchte nicht für mich. Kümmere dich um dein Leben! Du weißt, was du zu tun hast.« Er wandte sich zum Gehen.

      Julie packte ihn am Arm. »Nein, bleib hier! Ich habe kein gutes Gefühl, wenn du jetzt allein bist.«

      Alastair drehte sich nicht um, er warf ihr nur einen eigenartigen Blick über die Schulter zu. Es sah aus, als freue er sich auf etwas – aber worauf? Julie überkam eine Gänsehaut und sie löste ihre Hand.

      »Du weißt doch, was man sagt: Man geht niemals so ganz.« Damit steuerte Alastair auf die Küchentür zu und schloss sie hinter sich.

      KAPITEL 7

      Der Turm

      In der Sekunde, als sie die Augen aufschlug, wusste Julie, dass etwas nicht stimmte. Der Traum vom Feuer war zurückgekehrt, intensiver noch als beim ersten Mal. Diesmal verging der Schmerz an ihren Fußsohlen nicht. Wie eine alte Frau humpelte sie ins Bad und stöhnte erleichtert auf, als sie sich auf dem Rand der Badewanne niederließ. Mit geschlossenen Augen genoss sie einen Moment lang die Kühle der Fliesen, bevor sie prüfend die Zehen bewegte. Die Haut spannte, und es tat immer noch weh. Ihr Herzschlag stockte, nur um dann doppelt so schnell wie normal wieder einzusetzen.

      Ganz ruhig, ermahnte sie sich. Versuch, logisch zu denken! Was könnte den Schmerz verursacht haben?

      Es musste Einbildung sein. Ganz klar, die Verletzungen waren nicht echt. Sie stammten aus dem Traum. Ähnlich wie Stigmata, bei denen die Wundmale Christi am Körper von Gläubigen ohne erkennbare äußere Ein­­wirkung auftauchten, musste ihr Schmerz eine psychogene Ursache haben. Wann war er zum ersten Mal aufgetreten?

      Julie rieb sich über die Nasenwurzel und versuchte sich zu erinnern, ob die Feuerträume begonnen hatten, nachdem sie die Voodoopuppen auf dem Friedhof entdeckt hatte. Das wäre die bequemste Lösung, denn in diesem Fall war die Erklärung eine logische: Die Puppen hatten ihr eine solche Angst bereitet, dass ihr Unterbewusstsein die Bedrohung während des Träumens in körperliche Empfindungen umgesetzt hatte. Julie schnaubte und lachte heiser.

      Was, wenn es keine logische Erklärung gab? Was, wenn es Hexerei wirklich gab? Sie dachte an ihre wachsende Treffsicherheit beim Kartenlegen, an das immer stärker werdende Gefühl, dass die Karten zu ihr sprachen – auf eine Weise, die sie nicht erklären, nur fühlen konnte. Sie wisperten ihr Geheimnisse zu, während die Fragende sie mit einer Hoffnung ansah, die tief in ihr Herz schnitt.

      Die Türklingel riss Julie aus ihren Überlegungen. Sie warf sich den alten Morgenmantel über, vergewisserte sich, dass der Knoten fest genug saß, und lief die Treppe hinunter. Kurz registrierte sie, dass der Schmerz an ihren Fußsohlen verschwunden war, bevor die Erleichterung wieder verflog. Was erwartete sie, wenn sie jetzt die Tür öffnete? Normalerweise bekam sie so früh am Morgen keinen Besuch. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

      Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie sich einen weiteren verkohlten Leichnam vorstellte. Wen hatte es diesmal getroffen? Hoffentlich nicht Cassandra, betete sie im Stillen. Trotz ihrer Allüren mochte sie die junge Frau. Hätte Julie sie bitten sollen, bei ihr zu wohnen, bis die Polizei den Mörder gefasst hatte?

      Am Fuße der Treppe blieb sie stehen. Gegen das weiche Licht der Morgensonne, das durch den Glaseinsatz der Tür fiel, zeichneten sich drei eindeutig ­männliche Silhouetten ab. In einer davon erkannte sie Chief ­Parsons, daneben schimmerte ein roter Schopf. Das musste Red sein. Was wollten sie von ihr, und wer war der dritte Mann? Sollte sich ihre Befürchtung tatsächlich als wahr herausstellen? Also gut, es gab nur einen Weg, es herauszufinden.

      Julie öffnete die Tür und erschrak. Red stand mit erhobener Faust vor ihr. Offenbar hatte er gerade an die Tür donnern wollen. Er lächelte verlegen und ließ den Arm sinken. Julie schaute von ihm zu Chief Parsons, dessen buschige Augenbrauen finster zusammengezogen waren. Seine Lippen unter dem Walrossschnauzer waren fest zusammengepresst. Welche Laus war ihm denn über die Leber gelaufen?

      Es war der dritte Mann, der Julies Knie weich vor Angst werden ließ. Er stand etwa zwei bis drei Meter entfernt. Julie hatte kaum einen Blick auf ihn geworfen, als plötzlich sämtliche Alarmglocken in ihrem Kopf schrillten. Seine hochgewachsene Gestalt schien für den Bruchteil einer Sekunde in Flammen aufzugehen und der Geruch von Rauch wehte zu Julie herüber.

      Ihr stockte der Atem und ihr erster Impuls war, wegzulaufen. Mit aller Kraft kämpfte sie dagegen an und hielt sich zur Sicherheit am Türrahmen fest. Der Mann kam näher und betrachtete sie interessiert. Bewusst langsam löste Julie die Finger vom Holz und griff stattdessen nach dem weichen, vertrauten Stoff ihres Morgen­­mantels. Unwillkürlich zog sie den Kragen vor der Brust zusammen und trat einen Schritt zurück.

      »Julie«, begann Red und machte eine Geste, als wolle er sie an sich drücken.

      Chief Parsons räusperte sich übertrieben laut und Red senkte die Arme wieder. Ein Blick in sein Gesicht genügte, um Julies schlimmste Befürchtungen zu be­­stätigen.

      »Wer?«, brachte sie mit krächzender Stimme heraus.

      Niemand antwortete ihr. Stattdessen schob der hochgewachsene Typ die beiden anderen zur Seite und kam noch einen Schritt auf sie zu.

      »Julie Mireau?« Seine Stimme war tief und angenehm, aber die blauen Augen blickten kalt und schienen jedes Detail zu erfassen.

      Julie nickte stumm.

      Der Mann wandte sich an Chief Parsons und Red: »Vielen Dank für die Hilfe, ich komme jetzt allein klar.« Sein Ton machte deutlich, dass er von ihnen erwartete, augenblicklich zu verschwinden.

      Chief Parsons betrachtete ihn missbilligend, tippte sich dann aber an den imaginären Hut und wandte sich zum Gehen.

      Red zögerte. »Das ist ein Kollege aus … New York«, erklärte er.

      Verwirrt sah Julie zuerst ihn und dann den Fremden an. Er wirkte nicht wie ein Feuerwehrmann, eher wie ein Cop oder ein Soldat. Oder war er ein speziell geschulter Brandermittler, wie man sie aus den Krimiserien im Fernsehen kannte? Aber würde ein New Yorker Brandspezialist tatsächlich in Yarnville Amtshilfe leisten? Wohl kaum.

      »Sein Name ist Blair«, sprach Red weiter. »Er hilft uns bei den Ermittlungen.«

      Chief Parsons drehte sich noch einmal um. Ihm war deutlich anzusehen, was er von dieser Einmischung hielt.

      »Wenn du was brauchst«, sagte Red, »ruf mich an! Du hast ja meine Nummer.«

      »Und ich werde später noch einmal bei Ihnen im Laden vorbeischauen«, versicherte Chief Parsons.

      Gerührt schenkte Julie ihm ein Lächeln. Ihr war gerade bewusst geworden, was das Verhalten der beiden bedeutete: Sie war angekommen. Jetzt war sie ein Teil von Yarnville, war es vielleicht sogar immer gewesen. Und wenn jemand wie Mr Blair von außen kam und sich in ihre Angelegenheiten einmischte, dann machte man ihm klar, dass er unter Beobachtung stand.

      »Entschuldigung, ich wollte Ihnen keine Angst einjagen«, sagte Mr Blair, nachdem die Männer endlich gegangen waren. Es klang nicht so, als würde er es ernst meinen. »Mein Name ist Madoc Blair, ich komme vom New York Police Department. Chief Parsons und Mr van Buren waren so freundlich, mich hierherzube­gleiten. Könnten wir vielleicht ins Haus gehen?« Das war keine Bitte, sondern eine Aufforderung.

      »Können Sie sich ausweisen?«, forderte Julie und überlegte. Van Buren musste Red sein – merkwürdig, dass sie sich nie gefragt hatte, wie er mit vollem Namen hieß. »Und wieso ist plötzlich die New York Police hier zuständig?« Die Furcht ließ sie schnippisch werden, aber alles war besser, als sich von diesem unverschämten Typen tyrannisieren zu lassen.

      Mr Blair zuckte die Achseln. »Dazu kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben.«

      Was für ein sympathischer Typ, dachte Julie, dann sagte sie: »Aber Sie können sich doch sicherlich