Betrachtet man die Forschungslage zum Thema Medien – und im Besonderen Zeitungsanalyse – in Südtirol, können einzelne Publikationen einen Leitfaden bieten. Die Koordinierungsstelle für Integration hat in ihrem Jahresbericht 2013 „Einwanderung und Südtirol“79 beispielsweise eine Medienanalyse zum Ausländerbild durchgeführt. Analysiert wurden insgesamt 217 Artikel der Alto Adige und 199 Artikel der Dolomiten. Das daraus entstandene Kapitel schließt mit dem Fazit, dass „keiner der untersuchten Artikel bewusst rassistische Elemente (enthält), allerdings können auch eine unbewusste bzw. nicht durchdacht und unsensible Wortwahl, wie sie häufig vorkommt, zur Verzerrung und somit zu Vorurteilen bzw. Ängsten bei den Lesern führen“80. Die Analyse kann jedoch keine historische Entwicklung und keine Muster aufzeigen, weshalb sie für die vorliegende Studie wenig aussagekräftig ist.
Im Folgenden werden die wichtigsten Forschungsergebnisse der oben angeführten Literatur grob zusammengefasst sowie kritisch reflektiert:
Es wird überwiegend negativ über Migrant*innen berichtet
Die Erkenntnis, dass Medien Migrant*innen in einer überwiegenden skandalisierenden und diffamierenden Weise präsentieren, ist in unzähligen Standardwerken angeführt.81 Demzufolge werden nach dem Motto only bad news are good news in den Medien vorwiegend negative und skandalöse Nachrichten verbreitet. Der Schwerpunkt bei der Nachrichtenbeschaffung liegt auf der Aktualität und ist damit durch Punktualität und inhaltliche Reduktion gekennzeichnet.82 Laut Rainer Geißler hat dieser Negativismus mehrere Facetten: 1) Neu Zugewanderte bedrohen die öffentliche Sicherheit 2) Migrant*innen kosten den Steuerzahler*innen Geld, belasten das soziale Sicherungssystem sowie die öffentlichen Haushalte 3) Migranten sind Problemgruppen, sie machen Probleme und haben selbst viele Probleme.83 Dazu kommt die quasi natürliche Verbindung mit Schwerpunkten wie Drogenhandel, Gewalt, Prostitution und Kriminalität, womit der Eindruck erweckt werden kann, dass diese Themen selbstverständlicher Bestandteil der Lebenswelt von Migrant*innen sind.84
Gegen diese Erkenntnis lassen sich aber auch Einwände einbringen. Viele der genannten Untersuchungen liegen bereits eine längere Zeit zurück und entsprechen nicht mehr den derzeitigen Vorkommnissen. Zudem klammern die meisten Untersuchungen aus, dass es sehr wohl eine positiv konnotierte Wahrnehmung von Migrant*innen in Medien gibt und vor allem in Tageszeitungen ein bewusst ausgewogenes Bild von Migrant*innen gezeichnet wird – ganz im Auftrag von Friedensstiftung und Friedenserhaltung.
Das heißt, Medien geben durchaus positive und vorurteilsfreie Nachrichtenmeldungen wieder, weshalb der Vorwurf an die Medien, sie würden das Thema Migration durchwegs problematisieren, etwas zu kurz greift.85
Trotzdem muss auch die bewusste Fremdenfreundlichkeit in den Medien kritisch reflektiert werden. Bernd Scheffer86 kritisiert in seinem Aufsatz, dass fremdenfreundliche Medienpraxis offenbar nur dann besonders effektiv zu sein scheint, wenn diese die fremdenfeindliche Praxis mit ihren eigenen Mitteln schlägt – sprich stark emotional besetzt und ähnlich unreflektiert ist. Denn auch hier gilt: Sensationalisierung, Polarisierung und Emotionalisierung verkaufen sich besser als die Darstellung eines normalen Alltags.87 Anita Moser spricht in diesem Zusammenhang von positiver Diskriminierung. Migrant*innen werden dabei als gute und fähige Menschen dargestellt, die das Idealbild eines gut integrierten Menschen widerspiegeln.88 Die Wahrnehmung von Migrant*innen als normaler Bestandteil der Gesellschaft ist durch die Rezeption von Medien nach wie vor nicht möglich.
Migrant*innen werden überrepräsentiert versus marginalisiert
Priska Bucher und Andrea Piga kommen in ihrem Aufsatz „Medien und Migration – ein Überblick“89 zum Fazit, dass Migrant*innen in Medien deutlich unterrepräsentiert sind, sprich zu wenig über Zugewanderte geschrieben wird. Auch Heinz Bonfadelli90 und Margret Lünenborg91 kommen zur selben Schlussfolgerung. Andererseits hebt Ruhrmann hervor, dass bestimmte ethnische Gruppen in den Medien deutlich überrepräsentiert werden. In diesem Zusammenhang nennt Ruhrmann Menschen türkischer Herkunft, über die in den 1980er-Jahren in deutschen Medien häufiger berichtet wurde als über Migrant*innen anderer Herkunft. Damit wurde eine verzerrte Häufigkeit von Migrant*innen gezeichnet.92 Auch Gabriel Weimann93 ist zum Schluss gekommen, dass bestimmte Gruppen von Zugewanderten in den Medien deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen würde. Diese Aufmerksamkeit richtet sich an erster Stelle gegen Gruppen, die als unerwünscht gelten. Dazu zählt Weimann Menschen türkischer Abstammung sowie Personen aus afrikanischen und arabischen Ländern.
Befunde von Analysen italienischsprachiger Medien deuten zudem auf eine Überrepräsentation von Migrant*innen in der sogenannten cronaca nera hin, sprich jenem Teil der Zeitung, in dem Verbrechen und Kriminalitätsfälle aufgelistet werden.94 Beide Schlussfolgerungen, sowohl jene der Marginalisierung als auch jene der Überrepräsentation, stehen dabei nicht zwangsläufig im Widerspruch. In der bloßen Erwähnung sind Migrant*innen unterrepräsentiert, insbesondere in nicht problematisierenden Berichterstattungen. Zudem werden ihnen kaum Artikulationsmöglichkeiten zugestanden.95 Diese passive Rolle, in die Migrant*innen durch Medien gezwängt werden, unterstreicht nach Ruhrmann und Sommer zudem die politische Einflusslosigkeit von Menschen mit Migrationsgeschichte.96 Medien tragen also deutlich dazu bei – so Erol Yildiz97 – welche Diskurse dominant sind und in welchen Migrant*innen marginalisiert werden. So sind Migrant*innen etwa in bestimmten Diskursen überrepräsentiert – wie etwa im Kriminalitätsdiskurs –, und in anderen Diskursen – wie etwa Alltagsdiskursen – unterrepräsentiert.98
Kritisch angemerkt werden muss jedoch, dass die Beurteilung der Repräsentation von Migrant*innen