Ein Buch, in dem Stimmen von Migrant*innen in Südtirol die Grundbasis bilden, erschien außerdem 2009 in Brixen. Fernando Biague50, der Autor des Buches, hat in diesem Werk fünf Lebensgeschichten und ihre Migrationsprojekte genauer unter die Lupe genommen und räumt dabei gezielt mit Vorurteilen gegenüber Migrant*innen auf. Einen klaren bildungspolitischen und integrationsfördernden Auftrag verfolgt zudem das von Annemarie Profanter51 herausgegebene Buch über Badanti (Pflegekräfte) in Südtirol. Ähnlich wie Biague möchte auch Profanter Migrant*innen mehr Sichtbarkeit verleihen, in dem sie ihre Geschichten und Erzählungen in den Vordergrund stellt. Darüber hinaus sind Publikationen zu nennen, die sich im Speziellen mit dem Thema Migration und Integration in Südtirol auseinandersetzt. So zum Beispiel eine Studie der Landesbeobachtungsstelle52 zur Einwanderung, die die Integration von jungen Migrant*innen in den Fokus stellt oder ein Bericht der Koordinierungsstelle für Einwanderung53 über Zuwanderung und Integration in Südtirol. Ebenfalls entstanden in den letzten Jahren eine Reihe von Diplomarbeiten, die sich der Frage der Integration von Migrant*innen in Südtirol gewidmet haben und dabei politikwissenschaftliche sowie erziehungswissenschaftliche Zugänge bieten.
All diese Studien haben ihren Wert in der Erkenntnis von Gegenwartsphänomenen, in der Erklärung von destabilisierenden Aspekten und im Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Migration. Sie können jedoch – wie bereits erwähnt – keinen Blick auf Migration als zeithistorisches Phänomen schaffen. Publikationen, die aus geschichtlicher Perspektive und mit den Methoden der historischen Disziplin nach Ursachen, Wesen und Veränderung von Migration fragen, stecken noch in den Kinderschuhen. Das seit 2017 abgeschlossene Forschungsprojekt zur Geschichte der (Arbeits-)Migration in Südtirol seit dem Zweiten Autonomiestatut, durchgeführt von der Universität Innsbruck (unter der Leitung von Eva Pfanzelter und Dirk Rupnow) in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen in Brixen (dort mit Teil-Projektleiterin Annemarie Augschöll Blasbichler), ist das erste große Projekt, das das Thema Migration aus zeitgeschichtlicher Perspektive beleuchtet. Die vorliegende Arbeit ging aus diesem Projekt hervor; zwei aus dem Projekt hervorgegangene Publikationen54 fassen außerdem die zentralen Ergebnisse zusammen.
1.2 Migrant*innen und Medien
Befunde und Forschungsstand
Wird die Forschungslandschaft zum Thema Migration und Medien näher betrachtet, lassen sich mehrere Schwerpunkte bzw. Forschungsrichtungen herauskristallisieren: Die Darstellung von Migrant*innen in den Medien, die Mediennutzung von Zugewanderten sowie Rezeptionsstudien, die sich mit der Wirkung der Migrationsberichterstattung auseinandersetzen. Methodisch bzw. methodologisch kann zudem zwischen qualitativen, quantitativen und diskursanalytischen Studien unterschieden werden. Da sich die vorliegende Arbeit mit der Darstellung von Migrant*innen in Medien befasst, beschränkt sich der Forschungsüberblick aufgrund der Vielzahl an Studien vorwiegend auf diesen Schwerpunkt.
Wichtige Überblickswerke zur zum Thema Migration und Medien im deutschsprachigen Raum sind die Sammelbände und Bücher von Christoph Butterwegge und Gudrun Hentges55, Georg Ruhrmann56, Urs Dahinden57, Joachim Trebbe58, Rainer Geißler und Horst Pöttker59 sowie Heinz Bonfadelli60. Internationale Beiträge zum Thema Migration und Medien und insbesondere Beiträge zur Konstruktion von Krisen durch Medien versammelt das Buch „Migrations and the Media“61 von Kerry Moore, Bernhard Gross und Terry Threadgold. Vergleiche zwischen Europa und den USA und insbesondere die Grenz-Berichterstattung zeichnet das von Giovanna dell’Orto und Vicki L. Birchfield herausgegebene Buch „Reporting at the Southern Borders“62 nach. Vorwiegend mit Diskriminierung von Migrant*innen und ethnische Minderheiten in Medien beschäftigen sich zudem die Bücher: „Medien und Fremdenfeindlichkeit“63 von Bernd Scheffer und „Feindbild Minderheit“64 von Wolf-Dietrich Bukow.
In der US-amerikanischen Forschung kann ebenfalls auf eine lange Tradition an Analysen zurückgegriffen werden. Neuere Studien konzentrieren sich zunehmend auf die Darstellung von asiatischen Minderheiten oder Migrant*innen im Allgemeinen, wie etwa das Buch „Framing Immigrants“65 von Chris Haynes, Jennifer Merolla und Karthick Ramakrishnan oder aktuelle Aufsätze in internationalen Zeitschriften.66 Ältere Untersuchungen hingegen stellen stärker die Repräsentation von African Americans in den Fokus.67
Medienanalysen, die internationale oder interlinguale Vergleiche zum Thema haben, finden sich im Vergleich zu nationalen und intralingualen Studien seltener. Am häufigsten wird der angloamerikanische Raum zum Vergleich herangezogen. Eine komparative Inhaltsanalyse deutscher und australischer Zeitungen bietet etwa Sigrid Luchtenberg68. Rodrigo Zamith69 hingegen stellt die französische und die amerikanische Presse gegenüber und Ralf Koch70 vergleicht deutsche und amerikanische Zeitungen. Eine deutsch-französische Gegenüberstellung hat Daniela Wehrstein71 durchgeführt, indem sie das Thema Islam in deutschen und französischen Pressetexten untersuchte. Vergleiche europäischer Länder finden sich hingegen bei Barbara Laubenthal72, die soziale Bewegungen illegal Zugewanderter in der Schweiz, in Frankreich und Spanien untersuchte sowie bei Thomas Niehr und Karin Böke73, die deutschsprachige Printmedien in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich nach sprachlichen Prägungen und historischen Entwicklungen durchforsteten. Eine vergleichende Studie zur europäischen Grenzregion Saar-LorLux hat Elena Enda Kreutzer74 in ihrer Dissertation durchgeführt. Ihre Arbeit betritt mit der Grenzforschung Neuland und mit einem Analysezeitraum von 1990 bis 2010 kann sie als Langzeitstudie eingeordnet werden. Kreutzer wendet jedoch für ihre Untersuchung ein Stichprobenverfahren an, womit die Repräsentativität deutlich geschmälert wird.
Während sich die Forschungsbefunde der Sammelbände und Überblickswerke von Bonfadelli, Butterwegge, Ruhrmann usw. mehrheitlich auf die Situation in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder nordischen Ländern beziehen, ist die Forschungsliteratur zum Thema Migration in Italien recht überschaubar. Das liegt auch daran, dass erste empirische Untersuchung in Deutschland bereits in den 1970er-Jahren entstanden,75 als Italien sich erst langsam zu einem Einwanderungsland entwickelte. Erst in den