Klangvolle Stille. Julian Schwarze. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julian Schwarze
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902901354
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nicht vergeben.«

      »Warum sieht man mich dann so wütend an?«

      »Schon mehrere hohe Offiziere und Edelmänner haben sich um mich bemüht, doch kaum einer von ihnen… brachte mich zum Lachen.«

      »Ah, demnach sieht man es nicht gerne, wenn eine Frau lacht?« Die Elfe sah mich an, als hätte ich nicht begriffen, was sie mir gerade zu erklären versucht hatte.

      Wir betraten eine große Halle, in der mehrere Bänke und Tische aneinandergereiht waren. Es war noch zu früh für das Mittagessen, doch die Halle begann sich allmählich zu füllen.

      Nachdem wir bestellt hatten – ich ein gebratenes Stück Fleisch mit Kartoffeln und Bohnen, die Elfe zwei Äpfel und ein Stück Brot – setzten wir uns an einen der hinteren Tische. Während des Essens sprachen wir nicht miteinander, die Elfe war in Gedanken versunken und ich machte mich gierig über die köstliche Speisen her, denn es waren schon Monate vergangen, seit ich etwas so Schmackhaftes wie gebratene Kartoffeln und Bohnen zu mir genommen hatte.

      Die dumpfen, schweren Schritte der Männer, die sich langsam näherten, nahm ich nur am Rande wahr.

      »Was macht ein Menschenwesen im Herzen unserer Stadt?«, fragte eine raue Stimme.

      Gut gelaunt hob ich den Kopf und blickte in ein finsteres Augenpaar. Ich wollte etwas erwidern, doch mein Mund war so voll, dass ich zuerst schlucken musste.

      »Es stopft sich mit unseren Speisen den Bauch voll!« Der Elf, ein kräftiger junger Mann in Offiziersgewand, mit breiten Schultern, einer Narbe im Gesicht und rötlichem Haar, lachte laut auf und deutete seinen Männern, sich rings um uns aufzustellen.

      »Ich hoffe doch sehr, das Fleisch hat Euch geschmeckt?«

      Endlich hatte ich den Bissen hinuntergeschluckt, spülte mit einem Schluck Met nach und konnte antworten. »Ausgezeichnet, ihr Elfen versteht euch auf das Kochen!« Tatsächlich war dies als Kompliment gemeint und ich war auch zu gut gelaunt, um mich von dem Auftritt des Offiziers einschüchtern zu lassen.

      Die Elfe hob kurz den Kopf, sah mich an und wandte sich dann wieder ihrem Apfel und ihren Gedanken zu.

      Mit einer schnellen Bewegung warf der Offizier ein Messer, das im Fleisch, das auf dem Holzteller lag, stecken blieb. Mir spritzte Soße ins Gesicht, und während die Soldaten johlend aufbrüllten, wischte ich mir sorgfältig das Gesicht ab und zog das Messer aus dem Fleisch. Ruhig und gelassenen säuberte ich die Klinge mit einem Tuch, stand auf und hielt dem Offizier sein Messer hin. »Ich glaube, das gehört Euch. Es muss Euren Fingern entglitten sein. Bestimmt ein Versehen, doch es hätte jemanden verletzen können!« Ich schenkte ihm ein Lächeln, nahm den Teller, um ihn zur Speisenausgabe zurückzutragen, und wandte mich zum Gehen, als der Offizier mich grob von hinten packte und mir gewaltsam seinen kräftigen Arm um den Hals legte.

      Ich schleuderte ihm mit aller Kraft den Teller in das Gesicht und befreite mich aus seinem Griff. Er schrie wütend auf, und ich versetzte ihm noch einen Schlag mit der Faust, sodass er zurücktaumelte.

      Die Soldaten, die mich umringten, zogen ihre Schwerter, doch waren sie so verunsichert, dass es mir ein Leichtes war, den ersten beiden die Klinge aus der Hand zu treten.

      Schnell sprang ich auf den Tisch und wich den Hieben jener Männer aus, die mich nun umzingelten.

      Ich zog mein Schwert, und es stellte sich bald heraus, dass die Soldaten im Schwertkampf nicht sehr geübt waren.

      Der Offizier war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und stieß wüste Beschimpfungen aus. Er sprang auf den Tisch und schlug mit dem Schwert auf mich ein.

      Zweifellos war dieser Elf ein geübter Kämpfer. Seine Schläge waren präzise ausgeführt und mir gelang kein einziger Gegenangriff. Es schien, als wären wir einander ebenbürtig, doch während mich der Kampf nur wenig Kraft kostete, tropfte von der Stirn des Soldaten bald der Schweiß.

      Mit ein paar schnellen Hieben lockte ich ihn schließlich aus der Deckung und trat ihm in einem günstigen Moment kräftig gegen die Brust, sodass er mit dem Rücken gegen die Tischplatte prallte. Noch bevor ihm jemand zu Hilfe kommen konnte, war ich über ihn hinweggesprungen und hatte sein Schwert beiseite geworfen. Schließlich drückte ich ihm die Klinge meines Breitschwertes an den Hals. »Wagt es nicht noch einmal, einen Mann von hinten anzugreifen!«, schrie ich ihn wütend an.

      Den herbeieilenden Soldaten gab der Offizier Anweisung zurückzubleiben. »Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?«, fragte er mich dann.

      »Mein Name ist Preston, ich bin ein Einsiedler und komme aus den Wäldern des Nordens. Ich war hier, um Fleisch mit Bohnen und Kartoffeln zu essen, doch Ihr habt mir dies verwehrt!« Bei dem Gedanken, dass der Offizier mich um mein Mittagsmahl gebracht hatte, stieg erneut Wut in mir auf.

      »Spürt Ihr die Klinge?« Meine Stimme war ruhig und bedrohlich geworden.

      »Ich fühle Magie in dem Schwert…«, stellte der Mann entsetzt fest. Es kam zwar nicht selten vor, dass Gegenstände voller Magie waren, doch wenn es sich dabei um eine Waffe handelte, war das besonders beängstigend.

      »Fühlt Ihr die Kälte des Stahls?« Ich drückte die flache Seite der Klinge gegen seinen Hals. Zuerst geschah nichts, doch plötzlich zuckte der Mann mehrmals zusammen und begann zu schreien.

      »Was, bei all den Gottheiten, geht hier vor?«, polterte eine vertraute Stimme. Offizier Haren hatte soeben in Begleitung mehrerer Männer den Saal betreten.

      Langsam nahm ich die Klinge vom Hals des Elfs und stieg vom Tisch, während Haren auf den Offizier zueilte und die Narbe begutachtete. »Bringt ihn zu einem Heiler. Sagt ihm, die Wunde ist durch Magie entstanden, nicht durch erhitztes Metall!«

      Als die jungen Soldaten den besinnungslosen Offizier hinausgetragen hatten, wandte sich Haren mit funkelnden Augen mir zu. »Wie könnt Ihr es wagen, einen Offizier unseres Volkes anzugreifen?«

      »Wie könnt Ihr es wagen, Euren Männer nicht zu sagen, wer ich bin? Oder ist dies ein Teil Eurer Gastfreundschaft. Ich bin gegen meinen Willen in diese Stadt gekommen, und wie es scheint, werdet Ihr jeden Krieger brauchen, der sich bereit erklärt, für Euer Volk zu kämpfen. Ich habe diesen Treueschwur geleistet und werde ihn auch nicht brechen – doch wagt es nicht, Euch mir in den Weg zu stellen! Wagt es nicht, eine Klinge gegen mich zu erheben, Elfenmann!« Nun war ich es, der den Offizier wütend anfunkelte. Meine Hand hielt den Griff des Breitschwertes fest umschlossen.

      »Er ist wahrlich ein starker Krieger, nicht wahr?« Aran, der Magier, war neben Haren getreten. Die dunklen Ringe unter seinen Augen waren völlig verschwunden. Das Haar hatte eine braune Färbung angenommen und die Finger umschlossen den Stab, den der Magier nun wie eine Waffe, nicht wie eine Krücke hielt. »Ich kann mich nicht erinnern, dass je zuvor jemand unseren Feldherrn in einem Zweikampf bezwungen hätte.«

      »Ob Auserwählter oder nicht, Ihr habt Euch an unsere Gesetze zu halten!« Haren seufzte und deutete mir, das Schwert sinken zu lassen. »Dagara ist ein hitzköpfiger Offizier, er täte gut daran, sich zurückzuhalten, richtet ihm das aus«, wandte er sich an einen der Offiziere von niederem Rang, die neben Aran standen. Dann stieg er auf den Tisch und sah sich in der Halle um. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. »Ihr Soldaten, eine düstere Zeit steht uns bevor!«, rief er über die Köpfe hinweg. »All jene, die noch keine bestimmte Aufgabe zugewiesen bekommen haben, sollen sich in den Kasernen versammeln. Die Offiziere werden euch neue Anweisungen geben.«

      Gemurmel hob an. Die Männer sprachen verwirrt durcheinander, bis Haren die Arme hob und sie alle verstummten. »Es wird euch alles erklärt werden, jedoch in den Kasernen. Nun aber geht. Eines noch, ehe ich es vergesse: Preston, der Mensch, steht fortan unter dem Schutz von König Rafra, dem König von Alphradon und des Elfenvolks.«

      Mit einem Schlag verstummten die Stimmen der Soldaten, die nun in Scharen zu den Eingangstoren eilten. Man würde mich also zum König der Elfen schicken! Obwohl es mich ehrte, stieg auch Furcht in mir auf. Was jedoch fürchtete ich? Wovor erzitterte selbst ich? Vielleicht, weil nun endgültig klar war, dass der Kaiser seinen Feldzug gegen das Elfenvolk begonnen hatte. Doch warum berührte mich das so sehr?