Alles Alltag. Sascha Wittmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sascha Wittmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783903061828
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zusätzlich verwende, dann kann ich sogar Mohn oder Kaffee mahlen. Sie sehen, der Ehrmann-Multifunktionsschneider erspart Ihnen eine Menge verschiedener Haushaltsgeräte. So haben Sie gleich viel mehr Platz in ihrer Küche …«

      Schon wieder eine neue Formulierung. Was ist los mit Klaus Bachmüller?

      Im Weinhaus Schnabel sitzen die üblichen Gäste. Auch die Unterhaltung geht ihren gewohnten Gang. Als Klaus Bachmüller ausgetrunken hat, legt er das Geld auf die Schank. Bevor er geht, sagt er zum Wirt leise: »Danke«.

      Am Heimweg denkt er darüber nach, was mit ihm gerade passiert. Zu Hause streicht er wie immer seine Semmeln. Alles wie gewohnt. Aber diese Versprecher. Und im Weinhaus. Wäre es möglich, dass sich auch andere Dinge veränderten? Wäre es gut, wenn sich sein Leben verändern würde? War er bisher unzufrieden? Kann er die Veränderung überhaupt aufhalten? Und wenn Veränderung, wie sollte es nachher sein? Wenn alles in Bewegung ist, kann man dann planen, wie das Ergebnis sein wird? Wie hoch ist das Risiko? Kann überhaupt alles bleiben, wie es ist, oder hat er nicht schon längst die Kontrolle verloren?

      »Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herrn. Sie schauen mich verdattert an. Das kann ich gut verstehen. Seit fünf Jahren preise ich Ihnen diese Küchenmaschine an. Seit fünf Jahren beginne ich um neun Uhr in der Früh mit meinem Text und höre um sechs Uhr am Abend auf. Ich sage immer genau dieselben Worte in genau derselben Reihenfolge und mit derselben Betonung. Sie hören mir nicht wirklich zu. Und ich kann es Ihnen nicht verdenken. Sie hören ja auch seit fünf Jahren dasselbe. Selten bleibt jemand stehen und schaut sich die Küchenmaschine an. Ein paar habe ich immerhin verkauft.

      Aber jetzt will ich nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich halte jeden Tag dieselbe Rede, zu jeder Viertelstunde. Ich spreche nie mit jemandem, ich spreche zu allen. So kann ich nicht weitermachen. Ich will wieder mit Menschen sprechen. Ich will ihnen zuhören.

      Es tut mir sehr leid, meine Damen und Herrn, der Stand ist ab sofort geschlossen. Ich verabschiede mich von Ihnen. Sie können Ihre Küchenmaschinen genauso gut in einem Haushaltswarengeschäft kaufen. Was ich tun werde, weiß ich noch nicht. Ich werde jetzt mit jemandem darüber reden.«

       Zurichtung

      Mit ein bisschen Planung und Selbstdisziplin lässt sich ganz einfach ein ruhiges und angenehmes Leben führen. Überraschungen werden minimiert, und man schafft sich Freiräume für sich selbst. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind ein geregeltes Leben und Unauffälligkeit.

      Der richtige Auftritt ist von immenser Bedeutung. Zuerst einmal ist die Kleidung sorgfältig zu wählen: Im Business-Kostüm ist man beim Punk-Konzert fehl am Platz, ebenso mit Jeans bei einer Opernpremiere. Für das Büro empfiehlt sich ein Kostüm in einer ruhigen Farbe: Grau, Beige, eventuell ein gedecktes Grün. Der Rock nicht kürzer als eine Hand breit über dem Knie. Dazu neutrale Strümpfe, eine einfarbige oder dezent gemusterte Bluse, ein glattes Shirt geht auch. Der Ausschnitt sollte auf keinen Fall zu tief sein. Pumps sind nie falsch, Schwarz passt fast immer, im Sommer können auch hellere Farben gewählt werden.

      Und auch beim Styling gilt: Weniger ist mehr. Das Make-up sollte zum Hautton passen, die Augen leicht mit zur Augenfarbe und Kleidung passendem Lidschatten betonen. Kajal auf dem oberen Lid tuts auch. Nicht zu viel Wimperntusche, die Wimpern dürfen nie verkleben. Dezenter Lippenstift. Auf keinen Fall fleckiges Rouge.

      Das Haar trägt man am besten halblang, bis zum Kinn, höchstens bis zur Schulter. So schaut man gepflegt aus, auch wenn man einmal längere Zeit keinen Friseurtermin hat. Außerdem kann man die Frisur variieren. Für das Büro wird das Haar zu einem Knoten aufgesteckt. Bei dieser Länge kann man es auch offen tragen, wenn es nicht bei der Arbeit stört. Bewährt hat es sich, das Haar einfach im Nacken mit einer dezenten Spange zusammenzuhalten. Keinesfalls auffälligen Haarschmuck, keine Bänder oder Reifen.

      Mit Schmuck sollte man in jedem Fall vorsichtig sein. Kleine Ohrstecker, eine unauffällige Uhr, vielleicht eine zarte Halskette.

      Auch der Körper selbst ist nicht unwichtig. Jedes Zuviel oder Zuwenig sollte vermieden werden. Das bedeutet: schlank, aber nicht dünn. Dicke Menschen fallen auf, extrem dünne ebenso. Das kann unangenehme Fragen nach dem Wohlbefinden hervorrufen, oft sogar Tipps von wohlmeinenden Mitmenschen nach sich ziehen. Je nach Statur sollte man eine Konfektionsgröße von sechsunddreißig bis höchstens vierzig anstreben. Beim Essen also ein bisschen aufpassen, ein wenig Sport. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass man keine Muskelpakete aufbaut.

      Unzulänglichkeiten können ganz gut mit der passenden Kleidung kaschiert werden. Zu kurze Beine wirken durch leichte Absätze länger, ein breites Becken kann man mit der richtigen Jackenlänge verbergen, bei einem zu großen Busen wirkt ein Sport-BH Wunder.

      Das Verlassen der Wohnung will wohl überlegt sein. Es empfiehlt sich, die Angewohnheiten der Nachbarn unauffällig zu beobachten. Wer geht wann aus dem Haus? Wer plaudert gerne? Wer tratscht gerne über andere? Wer nimmt den Lift, und wer geht zu Fuß? So kann man unangenehmen Begegnungen schon im Vorfeld aus dem Weg gehen.

      Natürlich lässt es sich nicht immer so einrichten, dass man alleine am Gang ist. Mitbewohner könnten unregelmäßige Arbeitszeiten haben. Jemand verbringt einen freien Tag zu Hause. Einer verschläft und verlässt später als sonst die Wohnung. Für solche Situationen heißt es gerüstet sein. Ein knappes aber freundliches »Guten Morgen« ist auf keinen Fall falsch. Der Gesichtsausdruck sollte signalisieren, dass man etwas zu tun hat, jede Anbahnung eines Gesprächs im Keim ersticken.

      Die Situation auf der Straße ist einfach. Die meisten Menschen hetzen ohnehin irgendeinem Ziel entgegen, ohne viel auf die anderen zu achten. Man wählt eine gerade, nicht zu aufrechte Haltung, zu sehr eingesunkene Schultern fallen auf, zu aufrechter Gang signalisiert Aggression. Der Blick ist ins Unbestimmte gerichtet, keinesfalls suchend. Es gibt immer wieder Menschen, die sich bemüßigt fühlen, anderen zu helfen.

      Im öffentlichen Verkehrsmittel wählt man einen Einzelplatz. Ist keiner frei, setzt man sich neben eine unauffällige Person oder bleibt stehen. Ein Sitzplatz hat den Vorteil, dass man die Tageszeitung lesen kann. Das unterbindet jeden Kommunikationsversuch. Schon ein Magazin oder ein Buch könnte Aufmerksamkeit hervorrufen.

      Für die Firma gilt Ähnliches wie für den Hausgang: Erst beobachten, dann die Strategie wählen. Kann man den Arbeitsbeginn selbst wählen, sollte man möglichst zeitig am Platz sein, wenn noch wenige Kollegen anwesend sind. So muss man bei Eintreffen der anderen nur zurückgrüßen, nicht selbst aktiv werden. Fragen nach dem zeitigen Arbeitsbeginn begegnet man am besten mit Allgemeinplätzen. Man möchte nach der Arbeit noch etwas vom Tag haben, hat sich bewährt. Schon nach kurzer Zeit fragt niemand mehr nach. Den Tag über sollte man immer beschäftigt wirken. Der Bildschirm schützt vor neugierigen Blicken.

      Die Arbeitsleistung sollte konstant durchschnittlich sein. Abweichungen könnten zu Belobigungen oder Kritik führen, fallen auf jeden Fall auf.

      Die Teeküche betritt man nur alleine und nur, um sich schnell etwas zu holen. Hier macht es sich bezahlt, dass man die Gewohnheiten der Kolleginnen und Kollegen beobachtet hat.

      Eine Hürde ist die Mittagspause. Beginnt man schon früh mit der Arbeit, kann man die Pause zeitig ansetzen. Das fällt nicht weiter auf. Gibt es eine Kantine, nimmt man die Zeitung mit. Sonst verbringt man die Pause besser außerhalb des Büros. Man holt sich einen Imbiss und geht ein bisschen spazieren. Bei Nachfrage sagt man, dass man Bewegung an der frischen Luft brauche.

      Verlässt man die Firma früher als die anderen, kommt man nicht in die Verlegenheit, einen gemeinsamen Kaffeehausbesuch oder ein Bier nach der Arbeit ablehnen zu müssen.

      Für den täglichen Bedarf kauft man am Heimweg im Supermarkt ein. Hier beschränkt sich die menschliche Interaktion auf das Bezahlen an der Kasse.

      Am Abend zu Hause kann man sich ruhig etwas gehen lassen: ein warmes Bad, ein bisschen fernsehen, ein Buch.

      Bei Gebrauch des Internets ist darauf zu achten, so wenig persönliche Spuren wie möglich zu hinterlassen. In Foren und bei Chats hält man sein Profil neutral. Keine ausgefallenen Hobbys und Interessen angeben, nichts