Alles Alltag. Sascha Wittmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sascha Wittmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783903061828
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den Alkoholkonsum anbelangt, ist man vorsichtig. Gegen ein Gläschen Wein oder ein Bier ist nichts einzuwenden, jedoch sollte man es bei dem einen belassen. Augenringe lassen sich zwar wegschminken, ein schwerer Kopf kann aber die Reaktionsfähigkeit und damit den Tagesablauf negativ beeinflussen.

      Hat man die Arbeitswoche gut hinter sich gebracht, ist es Zeit für das Ausgehen am Freitagabend. Nach der Arbeit sollte man eine Stunde Schlaf einplanen, damit man länger frisch bleibt.

      Für den Abend wählt man eine Bar, in der man niveauvolle Menschen trifft. Die Location sollte öfter gewechselt werden, damit kein Stammlokal-Effekt entstehen kann. Neueröffnungen sind immer interessant. Musik ist wichtig. Die Lautstärke sollte Gespräche zwar zulassen, allzu intensive Diskussionen aber unterbinden.

      Das Styling wird der Situation entsprechend gewählt. Schwarze Hosen passen immer. Dazu kann das Top ruhig weiter ausgeschnitten sein. Sehr gut wirkt auch ein eng anliegendes, hochgeschlossenes Shirt. Ein Push-up-BH betont die richtigen Stellen. Aber Achtung: Wieder gedeckte Farben wählen. Die Kleidung soll das Aussehen unterstreichen, nicht im Vordergrund stehen.

      Die Schuhe sollten Absätze haben. Trotzdem achtet man darauf, sicher gehen zu können. Nichts wirkt lächerlicher als ein ungeschickter Watschelgang in High Heels. Lieber zu Hause etwas üben.

      Der Schmuck kann nun ausgefallener sein; er soll die Vorzüge unterstreichen. Große Ohrringe sind ein Hingucker.

      Auch beim Make-up ist jetzt etwas mehr erlaubt, schließlich soll das Gesicht im dämmrigen Licht nicht zerfließen. Rote Lippen sind ein Muss. Je nach Typ kann man dunkleres oder helleres Rot wählen, auf keinen Fall Brauntöne oder naturfarbene Lippen.

      Ist man mit einem Mann aus einem Chat verabredet, kommt man etwas später als ausgemacht und achtet auf das Erkennungszeichen. Sollte er völlig indiskutabel sein, gibt man sich einfach nicht zu erkennen und setzt sich an die Bar. Ist der Mann interessant, setzt man sich mit ihm in eine Nische.

      Ist man ohne Verabredung unterwegs, bleibt man an der Bar. Wichtig: Nur mit Männern Blickkontakt halten, die einem wirklich gefallen. Sich Feuer geben zu lassen, ist immer noch eine sichere Methode. Man kann sich auch beim Aufheben hinuntergefallener Gegenstände, etwa einer Serviette oder eines Bierdeckels, helfen lassen.

      Die Auswahl des Getränks ist sehr wichtig. Bier ist zwar neutral, macht aber müde und wirkt ein bisschen vulgär. Bei Mixgetränken ist auf den hohen Zuckergehalt zu achten. Er schadet nicht nur der Figur, sondern macht auch schnell beschwipst. Prosecco ist immer eine gute Wahl. Er hebt die Stimmung, ist leicht und wirkt edel.

      Im Gespräch ist darauf zu achten, möglichst wenig über sich selbst zu erzählen. Keine Details zu Beruf oder sonstigen Aktivitäten. Zuhören und an den richtigen Stellen nicken oder lächeln.

      Man nimmt niemals einen Mann zu sich nach Hause. Aus einer fremden Wohnung kann man jederzeit verschwinden. Jemanden loszuwerden, ist schon wesentlich schwieriger. Eine Freundin oder Schwester, die vorübergehend die Wohnung blockiert, ist immer ein guter Grund.

      Man bleibt auch niemals zum Frühstück. Vorbereitungen für einen Verwandtenbesuch sind plausibel.

      Dem Wunsch nach einer sofortigen Verabredung zu einem Wiedersehen begegnet man mit unaufschiebbaren Terminen in der nächsten Zeit. Eine vorgeschützte Geschäftsreise ist riskant. Die Stadt ist zwar groß, aber es ist doch nicht ausgeschlossen, dass man einander unbeabsichtigt trifft und peinliche Fragen beantworten muss.

      Man lässt sich seine Telefonnummer geben. Lässt es sich nicht vermeiden, die eigene Telefonnummer anzugeben, ist es besonders wichtig, keine Visitenkarten dabei zu haben. Man schreibt eine Nummer auf einen Zettel oder den Rand einer Zeitung. Falls man jemals darauf angesprochen wird, dass man unter der angegebenen Nummer nicht erreichbar war, kann man sich darauf ausreden, sich in der Aufregung verschrieben zu haben.

      Vor acht Uhr ist man wieder zu Hause.

      Hält man sich an diese Anweisungen, ist eine ruhige Woche garantiert. Man hat nun das restliche Wochenende zur freien Verfügung, kann tun, worauf immer man Lust hat, ohne von sozialen Verpflichtungen gestört zu werden.

      Nur eines kann diese Planung über den Haufen werfen, alle Sorgfalt und Mühe zunichte machen. Deshalb muss man eine Regel unbedingt einhalten:

      Man darf sich niemals verlieben!

       Dunkelgrün

      »Frau Haselsteiner! Frau Lina Haselsteiner!« Die Stimme des Richters überschlägt sich bei den letzten Silben. »Wir haben jetzt den zweiten Verhandlungstag, und Sie haben noch immer kein Wort gesagt. Das hier ist nicht das Fernsehen oder eine Theatervorstellung. Das ist ernst. Schließlich haben Sie sich einer schwerwiegenden Tat zu verantworten. Vorsätzliche Sachbeschädigung ist keine Kleinigkeit. Ich gebe also dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und genehmige die Verlesung von Auszügen aus ihren Tagebüchern. Vielleicht bringt uns das ja Klarheit über den Tathergang und Ihr Motiv. Frau Staatsanwältin – bitte.«

      17.03.

      Ich habe mir ein Fahrrad gekauft. Gebraucht bei der Fahrradbörse. Es ist super in Schuss, einundzwanzig Gänge, vorne ein Korb für Einkäufe, Taschen für den Gepäckträger hat es gratis dazu gegeben. Warum das jemand weggegeben hat? Wenigstens ist es nicht im Müll gelandet. Es wird ja viel zu viel weggeworfen. Jedenfalls bin ich mit meinem neuen Rad gleich heimgefahren. Noch bin ich etwas unsicher, weil ich doch schon lange nicht mehr Rad gefahren bin. Und die Autofahrer sind wirklich total rücksichtslos. Einer hat mich sogar beschimpft, weil ich gegen die Einbahn gefahren bin. Dabei ist das doch erlaubt!

      18.03.

      Heute bin ich zum ersten Mal mit dem Rad in die Arbeit gefahren. Am Heimweg habe ich mir Radhandschuhe besorgt. Beim Bergauffahren kommt man ins Schwitzen, aber die Finger bleiben klamm.

      Jetzt muss ich noch eine Entscheidung treffen: Was mache ich mit meinem Auto? Ich brauche es ja nicht mehr, weil ich nun umweltfreundlich mobil bin. Darf man ein Auto verkaufen? So bleibt es doch weiterhin in Gebrauch, nur dass halt jemand anders die Luft damit verpestet. Andererseits: Wenn ich es zum Verschrotten gebe, mache ich Abfall daraus. Ich muss mich in einer ruhigen Stunde darüber informieren, wie man gebrauchte Autos korrekt recycelt.

      19.03.

      Markus findet, dass ich verrückt bin und seit diesem Green-Life-Seminar im Waldviertel total durchdrehe. Nur weil ihm Nachhaltigkeit vollkommen egal ist. Er ist so ein Egoist. In den Urlaub fliegen – überhaupt kein Problem. Müllentsorgung – einfach alles ab in den Mistkübel. Bewusst Lebensmittel einkaufen schon. Das, was ihm schmeckt. Über die Produktionsbedingungen macht er sich keine Gedanken. Gut, dass wir nicht zusammenwohnen. In meinem Haushalt habe jedenfalls ich das Sagen. Da wird Müll getrennt und ein energiesparender Kühlschrank angeschafft. Da wird auf tierische Produkte weitgehend verzichtet und Rad gefahren.

      20.03.

      Im Büro machen sie immer wieder so komische Andeutungen. Dass man beim Radfahren ja schwitzt und dass man das riechen würde. Ich stinke doch nicht! Ich dusche jeden Tag. Im Sommer schwitzen auch alle. Sollen sie sich nur lustig machen über mich. Denen wird das Lachen noch vergehen, wenn immer mehr Menschen vernünftig geworden sind und wir den Ton angeben.

      Nach der Arbeit Treffen der lokalen Green-Life-Gruppe. Endlich Menschen, die mich verstehen. Noch vor Ostern werden wir eine Aktion zur Eier-Lüge durchführen. Am Karfreitag werden wir in ganz Wien vor den Filialen der Bäckereiketten stehen, in Hühner-Kostümen und mit großen Bildtafeln. Denn es ist ja wirklich eine Frechheit, was da passiert. Bei uns wird sogar im Supermarkt jedes Ei aus Freiland- oder zumindest aus Bodenhaltung verkauft. Für die Backwarenindustrie wird Trockenei aus Polen importiert. Und wie die Hühner dort vegetieren, kann man sich ja vorstellen. Davon macht sich der normale Konsument überhaupt keinen Begriff. Da müssen wir aufrütteln.

      21.03.

      Jedes Mal, wenn ich den Müll rausbringe, das Gleiche: Altpapier im Restmüll, Plastik in der Bio-Tonne. Habe eine Müll-Anleitung ans schwarze Brett gehängt.

      Markus