[4]Aber sie selbst werden ja, geführt von der Wahrheit, zu Zeugen, daß es vor den Körpern eine ihnen überlegene Form, die Seele, geben muß; sie setzen ja den Hauch als vernunftbegabt und sprechen von dem vernunfthaften Feuer; als könne der obere Seinsteil nicht ohne Feuer und Hauch in der Welt sein und müßte sich einen Platz suchen worauf er sich gründen könnte; während sie vielmehr einen Ort suchen müßten wo sie die Körper gründen können; denn die Körper müssen gegründet werden in den Kräften der Seele. Wenn sie aber den Hauch und nichts anderes für gleichbedeutend mit Leben und Seele halten, was soll dann ihr vielberedetes ‘Bestimmtbefindlich’, auf das sie sich zurückziehen weil sie gezwungen sind neben den Körpern noch ein wirkendes Prinzip anzusetzen? Da nicht jeder Hauch Seele sein kann – denn es gibt zahllose unbeseelte Hauche –, müssen sie den bestimmtbefindlichen Hauch als Seele ansetzen; dann müssen sie dies ‘bestimmtbefindlich’, diesen ‘Zustand’, entweder unter das Seiende rechnen oder nicht. Wenn nicht, dann handelt es sich um den bloßen Hauch, und das ‘bestimmtbefindlich’ ist leeres Wort; dann müßten sie dahin kommen, auch sonst nichts anderes für seiend zu halten als den Stoff, Seele aber, Gott und alles andere für leere Worte und nur den Hauch für seiend. Soll aber der ‘Zustand’ ein Seiendes sein und neben dem Substrat, der Materie, existieren, am Stoff, aber selbst unstofflich – es darf ja nicht seinerseits wieder aus Stoff zusammengesetzt sein – dann ist dieser Zustand irgendwie eine rationale Form und kein Körper, und somit andern Wesens (als der Körper).
Ferner stellt sich auch auf folgendem Wege die Unmöglichkeit heraus, daß die Seele ein Körper, welcher auch immer, sei. Denn dann muß sie entweder warm sein oder kalt, rauh oder weich, flüssig oder fest, schwarz oder weiß und was sonst die verschiedenen Qualitäten in den verschiedenen Körpern sind. Ist sie nun warm, kann sie lediglich Wärme erzeugen, wenn sie kalt ist, Kälte; ein Leichtes kann durch sein Hinzutreten und seine Gegenwart nur leicht machen, ein Schweres schwer, ein Schwarzes schwarz, ein Weißes weiß. Denn Feuer kann nicht kälten, und Kaltes nicht wärmen. Nun wirkt aber die Seele in den verschiedenen Lebewesen je Verschiedenes, aber auch in demselben Gegensätzliches: sie macht bald fest bald flüssig, bald dicht bald dünn, schwarz weiß, leicht schwer. Dabei müßte sie eine einzige Wirkung hervorbringen entsprechend ihrer körperlichen Qualität, zumal ihrer Farbe: tatsächlich aber wirkt sie Vielfaches.
[5]Wie wollen sie ferner erklären daß die Bewegungen verschiedene sind und nicht eine, wo doch die Bewegung jedes Körpers nur eine ist? Wenn sie bald Vorsätze bald Begriffe als Grund ansetzen, so ist das ganz richtig. Aber weder Vorsatz noch Begriffe gehören dem Körper; sie sind verschiedenartig, der Körper ist aber einer und einfach, und hat keinen Teil an derartigem Begriff, soweit er ihm nicht gegeben ist von dem das ihn zu einem Warmen oder Kalten machte.
Das Wachsenlassen ferner je zu seiner Zeit und bis zu einem bestimmten Maß, wie kann das aus dem Körper selbst zustande kommen, dem eigen ist zu wachsen, selbst aber des Wachsenlassens unfähig zu sein, soweit er nicht aus der Masse des Stoffes aufgegriffen wird demjenigen zu dienen das durch ihn Wachstum bewirkt? Setzen wir aber auch daß die Seele Körper ist und den Körper wachsen läßt: dann muß sie ja auch selbst wachsen, und zwar selbstverständlich durch Hinzutreten von gleichviel Körper, wenn sie mit dem von ihr zum Wachsen gebrachten Körper Schritt halten soll. Das Hinzutretende muß dann entweder Seele oder unbeseelter Körper sein. Wenn es Seele ist, woher und wie kommt sie hinein und wieso tritt sie hinzu? Ist aber das Hinzutretende unbeseelt, wie kann es dann zu Seele werden und mit dem schon Vorhandenen zu gleichen Urteilen kommen und eine Einheit mit ihm werden, und wie kann es an den gleichen Vorstellungen wie das schon Vorhandene teilhaben, wo es doch wie eine fremde Seele nichts von dem wissen müßte was die andre in sich hat? Wenn weiter, wie von unsrer übrigen Leiblichkeit, so auch von der Seele, wenn sie Körper ist, immer teils etwas ausgeschieden werden teils etwas hinzukommen muß, so daß schließlich nichts Identisches mehr nachbleibt, wie können da unsere Erinnerungen statthaben, wie können sich Bekannte erkennen, wenn sie je eine andre Seele haben?
Wenn ferner die Seele Körper ist, zum Wesen des Körpers es aber gehört daß wenn er in mehrere Teile geteilt wird, jeder Teil nicht dasselbe ist wie das Ganze – wenn die Seele eine bestimmte quantitative Größe ist, und wenn sie sich dann verringert, ist sie nicht mehr Seele, wie denn jedes Quantitative durch Subtraktion sein bisheriges Sein ablegt –; wenn anderseits ein Ding, das Größe hat, trotz Verringerung des Quantums an Qualität dasselbe bleiben kann, so ist sein Körper-Sein von seinem Quantität-Sein verschieden, und es kann Qualität die ja etwas andres ist als Quantität nur vermöge der Identität bewahren –: wofür werden sich also entscheiden die die Seele als Körper ansehen? Erstlich zu den einzelnen Teilen der Seele die in demselben Leibe ist: soll der einzelne Teil auch Seele sein in gleicher Weise wie die ganze? Und so fort der Teil des Teiles? Dann macht also die Größe für ihr Wesen nichts aus – was sie doch müßte wenn die Seele eine Quantität wäre. (Auch ist sie als Ganzes an vielen Stellen, und das ist für einen Körper unmöglich, daß dasselbe als Ganzes in mehreren Dingen ist und daß der Teil dasselbe ist wie das Ganze.) Wollen sie aber ihre einzelnen Teile nicht Seele nennen, so ergibt sich ihnen eine Seele die aus unseelischen Teilen besteht. Überdies, wenn die Größe jedes einzelnen Seelenteiles begrenzt sein soll nach beiden Richtungen, so kann wenigstens die in Bezug auf Verkleinerung begrenzte nicht Seele sein. Wenn nun aus einer Begattung und einem Samen Zwillinge entstehen, oder auch wie bei den Tieren Mehrlinge, indem der Same sich an viele Stellen (der Gebärmutter) verteilt, und jeder Teil des Samens also ein Ganzes ist: so muß das doch die die lernen wollen belehren, daß dasjenige dessen Teil dasselbe ist wie das Ganze, in seiner Seinsart über dem Quantitativ-sein steht, und notwendig ohne Quantität sein muß; denn so kann es identisch bleiben obgleich es die Quantität los wird, denn es braucht sich nicht zu kümmern um Quantität und Masse, da sein Wesen andrer Art ist. Folglich sind die Seele und die Formkräfte nicht quantitativ.
[6]Daß aber, wenn man die Seele als Körper ansetzt, es unsre Wahrnehmung, unser Denken, unser Wissen nicht geben kann und keine Tugenden und Werte, das wird aus Folgendem klar. Was etwas wahrnehmen soll, das muß seinerseits eine Einheit sein und jeden Gegenstand mit einem und demselben Vermögen erfassen, auch dann wenn durch verschiedene Sinne mehrere Wahrnehmungen nach innen gelangen oder viele Qualitäten die einem einzigen Gegenstand zugehören, wie auch dann wenn durch einen einzigen Sinn eine vielgegliederte Wahrnehmung wie z. B. ein Antlitz eindringt; denn nicht nimmt ein Vermögen die Nase wahr, ein andres die Augen, sondern ein und dasselbe alles zumal. Wenn die eine Wahrnehmung von den Augen, die andre von den Ohren kommt, so muß es Eines geben an das beide gelangen; denn wie könnte der Mensch sonst diese Sinneseindrücke als verschieden ansprechen, wenn sie nicht bei ein und derselben Instanz zusammenträfen? Diese Instanz muß also gewissermaßen das Zentrum sein, und die von allen Seiten kommenden Wahrnehmungen müssen, wie Radien die von einer Kreisperipherie aus zusammentreffen, zu ihm hindringen, und entsprechend muß das Wahrnehmungsorgan wahrhaft eines sein. Wenn es dagegen ausgedehnt wäre und die Wahrnehmungen wie auf die beiden Enden einer Linie träfen, so muß der Eindruck entweder doch wieder an demselben Punkt, etwa der Mitte der Linie, zusammentreffen, oder die beiden Stellen werden verschiedene Wahrnehmung, und jede von einem andren Ding, haben, so als wenn ich und du verschiedenes wahrnehmen. Wenn ferner der Sinneseindruck einheitlich ist, wie z. B. ein Antlitz, so muß er entweder in einen Punkt zusammengefaßt werden – und das ist offensichtlich wirklich so; er wird ja schon in den Pupillen zusammengefaßt, sonst könnte man nicht die größten Gegenstände durch die Pupille sehen; um so mehr werden sie, wenn sie weiter gehen zum Leitenden (Zentralorgan), gleichsam zu teillosen Gedanken – und dann muß dieser Punkt teillos sein; oder, ist das Wahrnehmungsbild quantitativ ausgedehnt, so müßte das Aufnehmende sich mit ihm teilen, so daß jeder Teil einen andern Teil wahrnähme und kein Mensch das Wahrgenommene als ein Ganzes erfassen könnte. Es ist aber das ganze Aufnehmende ein Einheitliches. In welcher Weise sollte es auch zerteilt werden? Es kann dabei doch nicht gleich zu gleich passen, weil das Leitende nicht jedem Wahrnehmbaren gleichgroß ist; in was für Größenabschnitte soll es also zerlegt werden? Etwa in soviel Teile wieviele das eintretende Wahrgenommene an mannigfachen Teilen zählt? Soll dann jeder dieser Seelenteile mit seinen Unterteilen Wahrnehmung haben, oder die Teile der Teile kein Wahrnehmungsvermögen besitzen? Das wäre unmöglich. Soll aber jeder