Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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sieh dich an; und wenn du siehst daß du noch nicht schön bist, so tu wie der Bildhauer, der von einer Büste, welche schön werden soll, hier etwas fortmeißelt, hier etwas ebnet, dies glättet das klärt, bis er das schöne Antlitz an der Büste vollbracht hat: so meißle auch du fort was unnütz und richte was krumm ist, das Dunkle säubere und mach es hell und laß nicht ab ‘an deinem Bild zu handwerken’ bis dir hervorstrahlt der göttliche Glanz der Tugend, bis du die Zucht erblickst ‘thronend auf ihrem heiligreinen Postament’. Bist du das geworden und hast es erschaut, bist du rein und allein mit dir selbst zusammen, und nichts hemmt dich auf diesem Wege eins zu werden, und keine fremde Beimischung hast du mehr in deinem Innern, sondern bist ganz und gar reines, wahres Licht, nicht durch Größe gemessen, nicht durch Gestalt umzirkt in engen Grenzen, auch nicht durch Unbegrenztheit zu Größe erweitert, sondern gänzlich unmeßbar, größer als jedes Maß und erhaben über jedes Wieviel: wenn du so geworden dich selbst erblickst, dann bist du selber Sehkraft, gewinnst Zutrauen zu dir, bist so hoch gestiegen und brauchst nun keine Weisung mehr, sondern blicke unverwandt, denn allein ein solches Auge schaut die große Schönheit. Wer aber die Schau unternimmt mit einem durch Schlechtigkeit getrübten Auge, nicht gereinigt, oder kraftlos, der ist nicht Manns genug das ganz Helle zu sehen, und sieht auch dann nichts wenn einer ihm das was man sehen kann als anwesend zeigt. Man muß nämlich das Sehende dem Gesehenen verwandt und ähnlich machen, wenn man sich auf die Schau richtet; kein Auge könnte je die Sonne sehen, wäre es nicht sonnenhaft; so sieht auch keine Seele das Schöne, welche nicht schön geworden ist. Es werde also einer zuerst ganz gottähnlich und ganz schön, wer Gott und das Schöne schauen will. Dann wird er im Emporsteigen zuerst zum Geist gelangen und wird dort alle schönen Formen sehen und sagen, das sei die Schönheit: die Ideen; denn durch sie ist alles schön, sie die Erzeugnisse des Geistes und der Seinsheit; die Wesenheit aber jenseits des Geistes nennen wir das Gute, und sie hat das Schöne wie eine Decke um sich; sie ist also, ohne nähere Scheidung gesprochen, das Erste Schöne; trennt man das Geistige ab, so muß man den Ort der Ideen als das Geistige Schöne ansehen, als das Gute aber das Jenseitige, welches Quell und Urgrund des Schönen ist; oder man muß das Gute und das Erste Schöne gleichsetzen: nur muß in jedem Falle das Schöne in den jenseitigen Bereich gehören.

       2

      Die Unsterblichkeit der Seele

      Ob aber jeder einzelne unter uns Menschen unsterblich ist oder ob wir gänzlich der Vernichtung verfallen, oder aber ob ein Teil des Menschen dahingeht, sich zerstreut und vernichtet wird während ein anderer Teil, der sein eigentliches Selbst ist, auf immer bleibt, diese Frage kann man klären wenn man sie in folgender Weise ihrem Wesen gemäß betrachtet.

      Der Mensch ist ja nicht ein Einfaches, sondern es ist in ihm Seele, anderseits hat er den Leib; mag der nun unser Werkzeug oder in anderer Weise mit uns verknüpft sein – jedenfalls wollen wir die genannte Einteilung ansetzen und die Wesensart jedes der beiden betrachten. Der Leib also, der seinerseits wieder zusammengesetzt ist, kann damit schon aus Gründen der Logik keinen Bestand haben; aber auch die Wahrnehmung sieht ihn sich auflösen, verwesen und sonst mancherlei Verderbnis ausgesetzt; jeder der Bestandteile kehrt zu seinem Ort zurück, ein Teil vernichtet den andern, wandelt sich in den andern und zerstört ihn, und das besonders wenn die Seele nicht mehr bei den Teilen der Materie ist, die sie einträchtig macht. Aber auch wo diese Teile sich absondern und Einzelding werden, ist keine Einheit; es läßt sich immer noch auflösen in Form und Stoff, aus denen notwendiger Weise auch die Elemente zusammengesetzt sein müssen; da sie ferner, als Körper, Masse haben, und daher zerteilt und in kleinste Bestandteile zerstückt werden können, so können sie auch auf diesem Wege der Zerstörung unterliegen. Ist also der Leib ein Teil von uns, so sind wir nicht als Ganzes unsterblich; ist er unser Werkzeug, so mußte er, da er uns nur auf eine gewisse Zeit gegeben wurde, seinem Wesen nach zeitlich sein. Nun steht aber das Eigentliche, das Selbst des Menschen, wenn anders es dies wirklich ist, im Verhältnis von Form zu Stoff zum Leibe oder im Verhältnis von Benutzer zu Werkzeug: auf beide Weisen aber ist dies Selbst die Seele.

      [2]Welches Wesen aber hat dies Selbst? Ist es Körper, so müssen wir es unbedingt zerlegen, denn aller Körper ist ja zusammengesetzt. Ist es freilich nicht als Körper anzusehen, sondern andern Wesens, so ist eben dies andere Wesen in derselben Weise oder auf eine andere zu untersuchen. Zuvörderst aber ist zu prüfen, in welche Bestandteile dieser Körper, als den sie die Seele ansehen, aufzulösen ist. Da der Seele notwendig Leben beiwohnt, muß notwendig dieser Körper, die Seele, Leben von Anbeginn in sich tragen; und zwar, besteht er aus zwei Körpern, beide, besteht er aus mehreren, alle, oder einzelne der Bestandteile haben Leben, andere nicht, oder keiner von beiden beziehungsweise von allen. Wenn einem der Bestandteile Leben anhaftet, so ist eben dieser die Seele. Was gibt es nun für einen Körper, der von sich aus Leben hat? Feuer Luft Wasser und Erde sind von sich aus unbeseelt; welcher von ihnen Seele und Leben hat, hat es als nachträglich Hinzugekommenes. Andere Körper (Elemente) aber außer diesen gibt es nicht; auch soweit man noch andere Elemente angenommen hat, hat man sie ja als Körper, nicht als Seelen bezeichnet, und als unbelebt. Hat aber keines der Elemente Leben, so wäre die Erzeugung von Leben durch ihre bloße Vereinigung ein Unding, oder vielmehr es wäre eine Unmöglichkeit, daß das Zusammentreffen von Körpern Leben bewirkt, und damit das Ungeistige Geist erzeugt. Sie werden ja selbst nicht behaupten daß die Körper durch beliebige Mischung zu belebten Wesen werden; es muß also ein ordnendes Prinzip vorhanden sein, eine Ursache der Mischung; dann hat eben dies Prinzip den Rang der Seele. Denn nicht nur kein zusammengesetzter, nein auch kein einfacher Körper kann in der Welt sein ohne daß die Seele im All ist, wenn anders rationale Form, an den Stoff herantretend, den Körper hervorbringt; Form aber kann von nirgend herantreten als von der Seele.

      [3]Wer aber behauptet, daß nicht in dieser Weise, sondern durch Vereinigung von Atomen oder teillosen Bestandteilen Seele entsteht, der wird widerlegt durch die Einheitlichkeit und Empfindungseinheit (der Seele); … und auch dadurch daß durch bloße Nebeneinanderstellung kein durchwaltetes Ganzes entstehen kann … denn ein Einheitliches und einheitlich Empfindendes kann nicht aus empfindungslosen und der Vereinheitlichung nicht fähigen Körpern entstehen, die Seele aber hat einheitliches Empfinden mit sich selbst. Aus teillosen Körpern ferner kann gar kein Körper und überhaupt keine Größe entstehen.

      Aber auch wenn der Seelenkörper ein einfacher ist und man zugibt, daß er, soweit er rein stofflich ist, von sich aus kein Leben hat (da der Stoff qualitätlos ist), dann aber behauptet daß dasjenige, was die Stelle der Form einnimmt, das Leben hervorbringt, so müssen sie entweder diese Form als Substanz ansetzen: dann kann die Seele nicht beides zusammen, sondern nur das eine von beiden sein und das kann nicht mehr Körper sein, denn es ist nicht seinerseits aus Stoff, sonst können wir es wieder auf die gezeigte Weise auflösen; oder sie setzen diese Form als eine Affektion des Stoffes und nicht als Substanz an: dann müssen sie aufweisen, woher denn diese Affektion, das Leben, in den Stoff gekommen ist; denn der Stoff formt sich doch nicht selbst und pflanzt sich nicht selbst die Seele ein. Es muß also etwas da sein das Leben zu liefern (mag es nun an den Stoff oder an irgendeinen der Körper geliefert werden), und das muß außerhalb und jenseits jedes körperlichen Seins liegen. Ja es könnte überhaupt gar kein Körper existieren, wenn das Seelenvermögen nicht wäre. Denn der Körper fließt, sein Wesen ist in Bewegung; und er würde gar bald zu Grunde gehen, wenn alles Sein nur aus Körpern bestünde, mag man auch einem dieser Körper den Namen ‘Seele’ geben; diese wäre ja doch den gleichen Erscheinungen unterworfen wie die andern Körper, da er aus demselben Stoff wäre, vielmehr es würde ein Körper überhaupt gar nicht zur Existenz gelangen, sondern alles würde in der bloßen Materie stecken bleiben, wenn es keine Kraft gibt die sie formt; vielleicht gäbe es dann sogar überhaupt keine Materie. Auch unser Weltall ferner müßte sich auflösen, wenn man seine Existenz der bindenden Kraft eines Körpers anvertrauen wollte, dem man die Rolle der Seele, selbst ihre Bezeichnung gibt, der Kraft der Luft, des Hauches, der sich doch weithin zerstreut und nicht aus sich die Möglichkeit hat eine Einheit zu sein. Wie kann man, wo alle Körper der Zerteilung unterliegen, auf einem Körper welcher es sei die Existenz dieser Welt beruhen lassen, ohne sie zu einem vernunftlosen, ordnungslos Bewegten zu machen? Wie kann der Hauch, der selbst von der Seele her der Ordnung