Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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daß ihr Leben und ihr Wahrnehmen nicht mehr rein ist, sondern durch die Beimischung des Übeln verdunkelt und reichlich mit Tod durchsetzt, daß sie nicht mehr sehen kann was eine Seele sehen soll, und nicht mehr die Ruhe hat in sich selbst zu verweilen, da sie immer nach außen, zum Niedern, Dunkeln hingezerrt wird. Da sie also, meine ich, verunreinigt ist, hin- und hergerissen wird durch die Anziehung der Wahrnehmungsgegenstände, reichlich mit der leiblichen Beimischung versetzt ist, reichlich mit dem Stofflichen umgeht und es in sich einläßt, so hat sie durch die Vermischung mit dem Niederen eine fremde Gestalt angenommen. So tritt, wenn einer in Lehm oder Schlamm eintaucht, seine vorige Schönheit nicht mehr in Erscheinung, sondern man sieht nur das was von Schlamm oder Lehm an ihm haftet; für den ist doch das Häßliche ein fremder Zusatz, und es ist nun seine Aufgabe, wenn er wieder schön sein will, sich abzuwaschen und zu reinigen, dann ist er wieder was er war. So dürfen wir wohl mit Recht die Häßlichkeit der Seele als eine fremde Beimischung, eine Hinwendung zum Leib und Stoff bezeichnen, und es bedeutet also häßlich sein für die Seele nicht rein und ungetrübt sein wie Gold, sondern mit Schlacke verunreinigt; entfernt man nur die Schlacke, so bleibt das Gold zurück und ist schön, sobald es vom Fremden losgelöst nur mit sich selbst zusammen ist; so ergeht es auch der Seele: löst sie sich von den Begierden die sie durch zu innige Gemeinschaft mit dem Leib erfüllen, befreit sie sich von den andern Leidenschaften und reinigt sich von Schlacken der Verkörperung und verweilt allein mit sich, dann hat sie das Häßliche, das ihr aus einem fremden Sein kommt, sämtlich abgelegt.

      [6]So ist denn also, wie es die Lehre der Alten sagt, die Züchtigkeit und Tapferkeit und jegliche Tugend und auch die Weisheit selber eine Reinigung. Darauf deutet denn auch richtig die verhüllte Lehre der Mysterien, die vom nicht Gereinigten sagen, daß er ‘im Hades im Schlamm liegen werde’: das Unreine nämlich ist wegen seiner Niedrigkeit begierig nach dem Schlamm, so wie die Säue, da sie unrein am Leibe sind, am Unreinen ihre Lust haben. Was ist denn auch wahre Selbstzucht anderes als keine Gemeinschaft pflegen mit den Lüsten des Leibes, sie fliehen da sie unrein und des Reinen unwürdig sind? Tapferkeit ferner heißt den Tod nicht fürchten, der Tod aber ist die Getrenntheit der Seele vom Leibe: davor fürchtet sich der nicht, der es liebt allein (mit seiner Seele) zu sein; und Seelengröße bedeutet ja doch Verachtung der Erdendinge; und Weisheit ist Denken in Abneigung gegen das Untere, und führt die Seele zum Oberen hinauf.

      Durch solche Reinigung wird die Seele Gestalt und Form, völlig frei vom Leibe, geisthaft und ganz dem Göttlichen angehörig, aus welchem der Quell des Schönen kommt, und von wo alles ihm Verwandte schön wird. Wird so die Seele hinaufgeführt zum Geist, so ist sie in noch höherem Grade schön. Der Geist aber und was von ihm kommt, das ist für sie die Schönheit, und zwar keine fremde sondern die wesenseigene, weil sie dann allein wahrhaft Seele ist. Deshalb heißt es denn auch mit Recht, daß für die Seele gut und schön werden Gott ähnlich werden bedeutet, denn von ihm stammt das Schöne und überhaupt die eine Hälfte des Seienden; oder vielmehr ist das wahrhaft Seiende das Schöne, das nicht wahrhaft Seiende aber das Häßliche, und das ist zugleich das ursprünglich Böse; so ist auch anderseits Gutes und Schönes, Gutheit und Schönheit identisch. Schön und gut, häßlich und böse ist also auf dem gleichen Wege zu untersuchen. Als das Erste ist anzusetzen die Schönheit, welche zugleich das Gute ist; von daher wird der Geist unmittelbar zum Schönen, und durch den Geist ist die Seele schön; und das weitere Schöne dann, in den Handlungen und Tätigkeiten, kommt von der gestaltenden Seele her; und die Leiber schließlich, welche man schön nennt, macht die Seele dazu; denn da sie ein Göttliches ist und gleichsam ein Stück des Schönen, so macht sie das was sie anrührt und bewältigt, schön, soweit es an der Schönheit Teil haben kann.

      [7]Steigen wir also wieder hinauf zum Guten, nach welchem jede Seele strebt. Wenn einer dies gesehen hat, so weiß er was ich meine, in welchem Sinne es zugleich schön ist. Erstrebt wird es sofern es gut ist, und unser Streben richtet sich auf es als ein Gutes; wir erlangen es nun indem wir hinaufschreiten nach oben, uns hinaufwenden und das Kleid ausziehen das wir beim Abstieg angetan haben (so wie beim Hinaufschreiten zum Allerheiligsten des Tempels die Reinigungen, die Ablegung der bisherigen Kleider, die Nacktheit); bis man dann, beim Aufstieg an allem was Gott fremd ist vorübergehend, mit seinem reinen Selbst jenes Obere rein erblickt, ungetrübt, einfach, lauter, es von dem alles abhängt, zu dem aufblickend alles ist lebt und denkt, denn es ist Ursache von Leben Denken und Sein; wenn man dieses also erblickt – von welcher Liebe, welcher Sehnsucht wird man da ergriffen in dem Wunsch sich mit ihm zu vereinigen, und wie lustvoll ist die Erschütterung! Wer es nämlich noch nicht gesehen hat, strebt zu ihm als zum Guten; wer es aber erblickte, der darf ob seiner Schönheit staunen, er ist voll freudigen Verwunderns, einer Erschütterung die ohne Schaden ist, er liebt wahre Liebe, er lacht des peinigenden Begehrens, überhaupt aller andern Liebe und verachtet was er früher für schön hielt. So geht es denen welchen die Erscheinung eines Gottes oder Daimons begegnet ist, sie können die Schönheit anderer Leiber nicht mehr wie sonst bejahen; ‘was aber erlebt erst der welcher das Schöne selbst schaut, an und für sich und in seiner Reinheit, nicht mit Fleisch’ und Körper ‘befleckt’, nicht auf Erden nicht im Himmel, sonst wäre es nicht rein, denn das alles ist fremde Zutat und Mischung und nicht ursprünglich, sondern stammt erst eben von jenem Oberen. Sieht er nun also Jenes, welches allen Dingen die Schönheit spendet, sie ihnen mitteilt so daß es dabei in sich verharrt und seinerseits nichts empfängt, und verweilt er in der Schau dieses Hohen und genießt seiner und wird ihm ähnlich, was für eines Schönen bedarf er da noch? Denn dies selber, da es in höchstem Maße Schönheit ist und ursprüngliche Schönheit, macht die welche es lieben schön und macht sie liebenswert. Darum denn auch ‘der größte, höchste Wettkampf der Seelen geht’ um dessentwillen ja die ganze Anstrengung geschah, nicht verlustig zu gehen dieser herrlichsten Schau, welche den der sie erlangt selig macht, da er seligen Anblicks genießt. Wem es aber nicht glückt der ist wahrhaft unglücklich; denn nicht wer schöne Farben und schöne Leiber, nicht wer Macht, Ämter, den Königsthron nicht erlangt, ist unglücklich, sondern allein wer dies eine nicht erlangt, dessen habhaft zu werden einer Königsthron und Herrschaft über die ganze Erde, über das Meer und den Himmel fahren lassen soll, ob er vielleicht, wenn er das alles hinten läßt und gering achtet und sich jenem Einen zuwendet, es erblicken könnte.

      [8]Aber welches ist nun der Weg, welches das Mittel? Wie kann man eine überwältigende Schönheit erschauen, die gleichsam drinnen bleibt im heiligen Tempel und nicht nach außen hinaustritt daß sie auch ein Ungeweihter sehen könnte? So mache sich denn auf und folge ihr ins Innere wers vermag, und lasse das mit Augen Gesehene draußen und drehe sich nicht um nach der Pracht der Leiber wie einst. Denn wenn man Schönheit an Leibern erblickt, so darf man ja nicht sich ihr nähern, man muß erkennen daß sie nur Abbild Abdruck Schatten ist, und fliehen zu jenem von dem sie das Abbild ist. Denn wenn einer zu ihr eilen wollte und sie ergreifen als sei sie ein Wirkliches, so geht es ihm wie Jenem – irgendeine Sage, dünkt mich, deutet es geheimnisvoll an: der wollte ein schönes Abbild, das auf dem Wasser schwebte, greifen, stürzte aber in die Tiefe der Flut und ward nicht mehr gesehen: ganz ebenso wird auch, wer sich an die schönen Leiber klammert und nicht von ihnen läßt, hinabsinken nicht leiblich aber mit der Seele in dunkle Tiefen die dem Geiste zuwider sind; so bleibt er als Blinder im Hades (im Dunkel) und lebt schon hier wie einst dort nur mit Schatten zusammen. ‘So laßt uns fliehen in die geliebte Heimat’ – so könnte man mit mehr Recht mahnen. Und worin besteht diese Flucht und wie geht sie vor sich? Wir werden in See stechen wie Odysseus von der Zauberin Kirke oder von Kalypso, wie der Dichter sagt, und verbindet damit, meine ich, einen geheimen Sinn: er wars nicht zufrieden zu bleiben obgleich er die Lust hatte die man mit Augen sieht und der Fülle wahrnehmbarer Schönheit genoß. Dort nämlich ist unser Vaterland von wo wir gekommen sind, und dort ist unser Vater. Was ist es denn für eine Reise, diese Flucht? Nicht mit Füßen sollst du sie vollbringen, denn die Füße tragen überall nur von einem Land in ein anderes, du brauchst auch kein Fahrzeug zuzurüsten das Pferde ziehen oder das auf dem Meer fährt, nein, du mußt dies alles dahinten lassen und nicht blicken, sondern nur gleichsam die Augen schließen und ein anderes Gesicht statt des alten in dir erwecken, welches jeder hat, aber wenige brauchens. Und was[9] sieht dies innere Gesicht? Wenn es eben erweckt ist, kann es den Glanz noch nicht voll erblicken; so muß die Seele das Gesicht gewöhnen, daß es zuerst die schönen Tätigkeiten sieht, dann die schönen Werke, nicht welche die Künste schaffen, sondern die Männer die man gut nennt. Und