Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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Teile hat, können sie nicht wie Größen und wie Zahlen symmetrisch sein; denn nach welcher Proportion sollte eine Zusammensetzung oder Vermischung der Seelenteile statthaben? Und der Geist, worin sollte dann seine Schönheit bestehen, wenn er für sich allein ist?

      [2]So heben wir nochmals an und wollen zuerst bestimmen, was denn nun das Schöne an den Leibern ist. Es gibt nämlich etwas Schönes das schon beim ersten Hinblicken wahrgenommen wird; dessen wird die Seele gewissermaßen inne und spricht es an; indem sie es wiedererkennt, billigt sie es und paßt sich ihm sozusagen an; wenn ihr Blick dagegen auf das Häßliche trifft, so zieht sie sich zurück, weigert sich ihm und lehnt es ab, denn es stimmt nicht zu ihr und ist ihr fremd. Wir behaupten nun, wenn die Seele das ist was ihr wahres Wesen ist, und das heißt: auf der Seite der Wesenheit steht die in der Welt die obere ist, so ist es das Verwandte oder auch nur die Spur des Verwandten, dessen Anblick sie erfreut und erschüttert; sie bezieht das auf sich selbst und erinnert sich ihres eigensten Wesens, dessen was sie in sich trägt. Aber wie kann denn eine Ähnlichkeit der hiesigen schönen Dinge mit den jenseitigen bestehen? Und mögen sie auch, da es eine Ähnlichkeit gibt, irgendwie ähnlich sein – wieso kann aber das Irdische ebensowohl schön sein wie das Jenseitige? Das geschieht, so lehren wir, durch Teilhaben an der Gestalt (Idee). Denn alles Formlose ist bestimmt Form und Gestalt anzunehmen; solange es daher keinen Teil hat an rationaler Form und Gestalt, ist es häßlich und ausgeschlossen von der göttlichen Formkraft; das ist das schlechthin Häßliche; häßlich ist aber auch das was von der Form und dem Begriff nicht voll bewältigt wird, weil die Materie eine gänzlich der Idee entsprechende Formung nicht zuließ. Die Idee tritt also hinzu; das was durch Zusammensetzung aus vielen Teilen zu einer Einheit werden soll, das ordnet sie zusammen, bringt es in ein einheitliches Gefüge und macht es mit sich eins und übereinstimmend, da ja sie selbst einheitlich ist und das Gestaltete, soweit es ihm, das aus Vielem besteht, möglich ist, auch einheitlich sein soll; ist es dann zur Einheit gebracht, so thront die Schönheit über ihm und teilt sich den Teilen so gut mit wie dem Ganzen; trifft aber die Idee auf ein Einheitliches, aus gleichartigen Teilen Bestehendes, so teilt sie die Schönheit dem Ganzen mit; so als wenn die Schönheit bald, durch die Kunst, einem ganzen Hause mit seinen Teilen gegeben wird, bald, durch eine Naturkraft, einem einzelnen Stein.

      [3]Der schöne Körper also entsteht durch Gemeinschaft mit der von den Göttern kommenden Formkraft. Die Erkenntnis dieses Schönen nun vollzieht dasjenige Vermögen der Seele, welches ihm vorgeordnet ist; es ist vor allen berufen zu urteilen über die Dinge seines Bereiches, da ja überdies auch die übrige Seele nachprüfend mitwirkt; vielleicht aber spricht auch dies Vermögen allein schon das Schöne an, indem es an der ihm zugänglichen Idee abmißt und diese Idee bei ihrem Urteil benutzt wie man an der Richtschnur das Gerade mißt. Aber wie kann denn die Idee, die am Leibe ist, mit jener die vor und über dem Leibe ist, übereinstimmen? Und wie kann der Baumeister das Haus draußen nach der Idee des Hauses in seinem Innern abstimmen und es dann als schön ansprechen? Nun, weil das äußere Haus, wenn man die Steine ausscheidet, eine Teilung der inneren Idee vermöge der äußeren Masse der Materie bedeutet, eine Sichtbarwerdung des Unteilbaren in der Vielheit. Erblickt nun die Wahrnehmung die Idee an den Körpern, welche die ihr entgegengesetzte, gestaltlose Wesenheit zusammenbindet und überwältigt, diese Form, welche hervorleuchtend über den anderen Formen thront, so faßt eben dies das Vielfältige geschlossen zusammen, hebt es hinauf, bringt es ein in das Innere als ein nunmehr Unteilbares, und überliefert es ihm als ein Übereinstimmendes, zu ihm Passendes, Verwandtes; so wie einen edlen Mann schon die aufleuchtende Spur der Tugend an einem Jüngling freundlich berührt, welche übereinstimmt mit dem wahren Urbild in seinem eigenen Innern.

      Die Schönheit ferner der Farbe ist ein Einfaches vermöge der Form, indem das Dunkel in der Materie bewältigt wird durch die Anwesenheit des Lichts, welches unkörperlich ist, rationale Form und Gestalt. Daher denn auch das Feuer als solches vor den andern Körpern schön ist; denn es hat den Rang der Idee im Verhältnis zu den andern Elementen, es ist das oberste seiner räumlichen Stellung nach und der feinste von allen Körpern wie es seiner Nähe zum Unkörperlichen entspricht; es nimmt allein die anderen Körper nicht in sich auf, während die andern es aufnehmen (die andern Körper können erwärmt, das Feuer aber nicht abgekühlt werden): so ist dem Feuer denn auch primär die Farbe eigen, und die andern Körper entnehmen erst von ihm die Idee der Farbe; daher leuchtet und glänzt es, wie es einer Idee zukommt. Was aber nicht mehr obsiegt, dessen Leuchten verblaßt und es gehört nicht mehr zum Schönen, da es nicht voll an der Idee der Farbe Teil hat. Was ferner die an den Tönen vorfindlichen Harmonien angeht, so lassen sie, indem die verborgenen Harmonien die sinnlichen erzeugen, auch auf diesem Gebiet die Seele des Schönen innewerden, indem sie ihr an einem andern das ihr Gleiche zeigen. Den sinnlichen Harmonien ist es eigentümlich dem Maß unterworfen zu sein nicht in jedem beliebigen Zahlenverhältnis, sondern nur in demjenigen welches dienlich ist zur Erzeugung der Idee, zur Bewältigung.

      Damit genug von den sinnlich schönen Dingen; Abbilder, gleichsam entsprungene Schatten die in die Materie hinabgehen, verursachen es daß sie wohlgeformt sind und ihr Anblick erschüttert.

      [4]Das weiter hinauf liegende Schöne, das zu erblicken der Wahrnehmung nicht mehr vergönnt ist, sondern ohne die Handhabe der Sinne sieht es die Seele und spricht es an: zu seiner Betrachtung muß man hinaufsteigen und die Wahrnehmung unten bleiben lassen. Wie über das sinnlich Schöne nicht sprechen kann, wer es nicht gesehen oder nicht als schön begriffen hat, also etwa ein Blindgeborener, so kann auch über die Schönheit geistiger Tätigkeiten nicht sprechen, wer nicht diese Schönheit geistiger Tätigkeiten und Wissenschaften und ähnlicher Dinge in sich aufgenommen hat, nicht über das Leuchten der Tugend, wer sich nie vor Augen gehalten, wie schön das Antlitz der Gerechtigkeit und Mäßigkeit ist – ‘nicht Morgen- und nicht Abendstern ist so schön’; vielmehr muß man sehend sein mit dem Vermögen mit dem die Seele derartige Dinge schaut, und wenn man sie erblickt, weit mehr als bei dem sinnlich Schönen sich freuen, entzückt und gepackt sein, denn nun rührt man an das eigentliche Schöne. Betroffenheit, süße Erschütterung, Verlangen, Liebe, lustvolles Beben, das sind Empfindungen die gegen jegliches Schöne eintreten müssen. Auch gegen das nicht sichtbare kann man sie erleben, es erleben sie auch eigentlich alle Seelen, aber stärker die liebebewegteren unter ihnen, so wie die leibliche Schönheit alle sehen, aber nicht alle in gleicher Stärke von ihr gestachelt werden, sondern einige in besonders starkem Maß, von denen man spricht sie lieben.

      [5]Die nun also liebebewegt sind auch gegen das Nichtsinnliche, die muß man fragen: ‘was empfindet ihr gegenüber dem was man schöne Tätigkeiten nennt, gegenüber den schönen Sitten, dem zuchtvollen Charakter, überhaupt bei tugendhafter Leistung und Gesinnung und bei der Schönheit der Seelen? Und wenn ihr euch selbst erblickt in eurer eigenen inneren Schönheit, was empfindet ihr, warum seid ihr dabei in Schwärmerei und Erregung und sehnt euch nach dem Zusammensein mit eurem Selbst, dem Selbst, das ihr aus den Leibern versammelt?’ Das nämlich sind die Empfindungen dieser echten Liebebewegten. Und was ist es, woran sie solches empfinden? Nicht Gestalt nicht Farbe nicht irgendeine Größe, sondern die Seele, selbst unfarbig, in sich tragend die unfarbige Selbstzucht und den Glanz der andern Tugenden: in euch selbst wahrzunehmen oder beim andern zu schauen Großherzigkeit, gerechten Sinn, lautere Selbstzucht, die Tapferkeit mit ihrem grimmigernsten Antlitz, die Würde und darüber erschimmernd die Ehrfurcht, alle das in einem ruhigen, von keiner Wallung und keiner Leidenschaft erregten Seelenzustand, und über ihm leuchtend den Geist, den gottgleichen – das ist es was wir bewundern und lieben; aber wieso nennen wir das schön? Nun, es ist seinsmäßig seiend und stellt sich so dar, und wer es gesehen hat, kann es nicht anders nennen als das seinsmäßig Seiende. Was aber ist es seinsmäßig? Eben schön. Aber damit ist noch nicht aufgewiesen, durch welchen Zug seines Wesens es die Seele liebreizend macht. Was ist es das aus alle den Tugenden gleich wie ihr Licht hervorleuchtet? Laß uns denn einmal das Gegenteil ins Auge fassen, das Häßliche in der Seele, und es dem Schönen gegenüberstellen; denn es könnte wohl zu unserer Untersuchung beitragen, wenn klar wird, was das Wesen des Häßlichen ist und weshalb. Nehmen wir also eine häßliche Seele, zuchtlos und ungerecht, voll von vielen Begierden, von vieler Wirrnis, in Ängsten aus Feigheit, in Neid aus Kleinlichkeit, all ihre Gedanken, soweit sie überhaupt denkt, sind irdisch und niedrig, verzerrt in allen Stücken, unreinen Lüsten verfallen und so lebend, daß sie das Häßliche an allem, das ihr vom Körper widerfährt, als etwas