Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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Die Seele ihrerseits muß gewissermaßen Auge sein, und der Gegenstand ihres Sehens der Geist; bevor sie sieht, unbestimmt, aber befähigt zum Geistigsein: und mithin, im Verhältnis zum Geist, Materie …

      VI.

      Wenn wir uns selbst denken, so erblicken wir zweifellos ein denkendes Wesen, oder es wäre nicht wahr daß der Mensch denkend ist. Wenn wir aber wirklich denkend sind, und wenn wir dann uns selbst denken, so denken wir ein Wesen welches gedankenhaft ist. Folglich ist vor diesem unserm Denken ein andres, gleichsam im Ruhezustand. Ferner hat auch das Sein und das Leben Denken; so muß vor diesem unserm Leben und Sein ein anderes Sein und Leben existieren, und dies ist es also, welches dasjenige erblickt, was wirkende Denkkraft ist. Wenn aber die in diesem uns-selbst-Denken wirksamen Kräfte Gedanken sind, so ist das Gedachte unser eigentliches Selbst, und jenes ihr Denken gibt nur das Abbild davon.

      VII.

      Das Erste ist das Vermögen zu Bewegung und Ruhe; es liegt also jenseits beider. Das Zweite dagegen steht sowohl still wie es sich um Jenes bewegt. Es gibt aber dort im Bereich des Zweiten auch den Geist; und sein Denken richtet sich auf ein anderes als es selbst, Jenes aber seinerseits hat kein Denken. Aber auch wenn es sich selbst denkt ist das Denkende zwiefältig; es ist unvollkommen, weil es das Vollkommene nur im Denken, nicht in der Existenz besitzt.

      VIII.

      Das Aktualsein ist für jedes Ding, das aus der Potenz in Akt übergegangen ist, das was es ist stets unverändert, solange das Ding existiert. Mithin kommt auch den Elementen, etwa dem Feuer, Vollendung zu; nur können sie nicht ewig existieren weil sie in Zusammensetzung mit der Materie existieren. Was aber, ohne zusammengesetzt zu sein, aktual ist, das ist es ewig. Indes kann ein und dasselbe Ding, das aktual ist, zugleich in anderer Hinsicht potential sein.

      IX.

      Das Erste liegt jenseits des Seins, während der Geist das Seiende ist und es bei ihm Bewegung und Ruhe gibt. Denn das Erste ist auf nichts bezogen, die übrigen Dinge dagegen sind auf Jenes bezogen in der Ruhe, indem sie sich erholen, und in der Bewegung: denn die Bewegung ist ein Hintrachten, Jenes aber trachtet nach nichts hin; wonach auch, da es doch das Höchste ist? Denkt es also auch nicht sich selber? Ist etwa damit, daß es sich selber hat, auch schon allgemein ausgesagt daß es sich denkt? Indes, nicht damit das etwas sich selbst hat ist ausgesagt daß es denkt, sondern damit daß es zum Ersten hinblickt. Ferner aber, das Denken selber ist ja die erste Verwirklichung; ist es die erste, so darf es keine frühere geben. Also ist das was diese Verwirklichung gewährt, jenseits ihrer, das Denken ist also das Zweite nach Jenem. Ist doch auch das Denken nicht etwas primär zu Verehrendes, da doch nicht jedes, sondern nur das Denken des Guten (Ersten) Verehrung verdient. Folglich liegt das Gute (das Erste) jenseits des Denkens. Indessen dann kann das Gute ja kein Selbstbewußtsein haben! Nun, in welchem Sinn sollte ihm denn auch ein Selbstbewußtsein zukommen? Als von einem gut Seienden oder nicht? Wenn ja, dann ist es das Gute bereits vor dem Selbstbewußtsein. Bringt dagegen das Selbstbewußtsein das Gutsein erst zu Stande, so ist Jenes vor dem Selbstbewußtsein nicht das Gute, dann kann aber das Selbstbewußtsein in diesem Sinne nicht statthaben da es sich nicht auf ein Gutes beziehen kann. Und weiter, Leben hat es auch nicht? Nein, daß es lebe, darf man nicht von ihm sagen, da es vielmehr Leben gewährt. Alles aber was sich seiner selbst bewußt ist und sich selber denkt, ist ein Zweites; denn Selbstbewußtsein hat es deshalb, damit es in dessen Vollzuge bei sich selber sein kann; es ist also notwendig, wenn es sich erst kennenlernt, mit sich unbekannt gewesen, ist also von Haus aus mangelhaft und wird erst durch das Denken vervollkommnet. Folglich ist das von sich Wissen auszuschließen von Einem; denn es wäre eine Zutat, die vielmehr eine Wegnahme, einen Mangel ausmacht.

       14

      Die Kreisbewegung des Himmels

      Weshalb ‘bewegt sich’ der Himmel ‘im Kreise’? Weil er den Geist nachahmt. – Und wer vollzieht die Bewegung, Seele oder Leib? Und was hat es damit auf sich, daß die Seele in sich ist und auf sich gerichtet? Kann sie da noch trachten aus sich herauszugehen? Nun, vielleicht ist sie in sich ohne kontinuierlich zu sein (?)? – Und bewegt sie bei ihrer Bewegung den Körper mit? Aber wenn sie ihn mitbewegte, so müßte sie ihn jetzt nicht mehr bewegen sondern die Bewegung müßte abgeschlossen sein, das heißt sie müßte vielmehr eine Ruhelage des Weltkörpers bewirken und nicht seine ständige Kreisbewegung, so wie sie selbst ja auch zur Ruhe kommen muß; oder aber, wenn sie sich bewegt, so doch nicht räumlich. Wie kann sie aber räumlich bewegen, wo sie sich selbst auf eine andre Weise bewegt? Nun, vielleicht ist die Kreisbewegung des Himmels gar nicht räumlich; oder wenn, nur akzidentiell. Welcher Art ist sie aber dann? Eine Bewegung zu sich selbst, eine Bewegung der Selbstwahrnehmung und des Selbstbewußtseins und des Lebens, die niemals nach außen und zu einem andern geht, denn sie muß alles umfassen. Denn das Lenkende im Organismus hat die Funktion, ihn zu umfassen und zu einer Einheit zu machen. Wenn es aber stillsteht, so kann es nicht so umfassen daß es lebendig macht und kann, da es einen Leib hat, die drinnen befindlichen Wesen nicht am Leben halten; ist doch das Leben des Körpers Bewegung. Aber auch wenn die Kreisbewegung eine räumliche ist, so bewegt sich eben das All so wie es vermag; denn es ist ja nicht Seele allein, sondern mit Seele versehener Leib, sozusagen Organismus. Seine Bewegung ist also gemischt aus körperlicher und seelischer; der Körper bewegt sich von Natur geradeaus, die Seele aber hält ihn fest und aus beidem entsteht etwas, das sowohl Bewegung wie Stillstand ist.

      Wenn man aber die Kreisbewegung dem Körper zuschreibt, wie ist das möglich, da doch jeder Körper und so auch das Feuer sich in gerader Richtung bewegt? Vielleicht bewegt es sich geradeaus, bis es zu der ihm zugeordneten Stelle kommt. Denn offenbar steht es von Natur dort still wo es der Ordnung nach hingehört, und bewegt sich dahin, wo sein zugeordneter Platz ist. Aber weshalb steht es denn nicht still, wenn es dahin gelangt ist? Vielleicht weil es die Natur des Feuers ist in Bewegung zu sein. Würde es sich nun nicht im Kreis bewegen, so müßte es sich bei geradliniger Bewegung zerstreuen; es muß sich also im Kreis bewegen. Doch das wäre ein Akt des Vorausdenkens und der Vorsehung! Nein, es ist, von der Vorsehung kommend, im Feuer selbst, so daß es sich aus sich selbst heraus im Kreis bewegt, wenn es nach oben kommt. Oder aber, das Feuer, das geradeaus drängt, hat dort oben keinen Raum mehr und gleitet gewissermaßen ab und biegt dahin um wo es kann; denn hinter ihm hat es ja keinen Raum mehr, da dies der äußerste Raum ist. So läuft es dort wo es Raum hat; es ist selbst sein eigner Raum geworden nicht damit es dort (?) stillstehe sondern sich bewege. Bei einem Kreis steht ja der Mittelpunkt von Natur still; die Peripherie aber würde, wenn sie stillstünde, nur ein großer Mittelpunkt sein. Sie wird sich also vielmehr um den Mittelpunkt bewegen, beim Körper eines Lebewesens so gut wie bei dem eines Naturkörpers. Denn so kann sie sich zum Mittelpunkt hinneigen, nicht indem sie sich auf ihn hin zusammenzieht, dann würde sie den Kreis zerstören, sondern da sie das nicht kann, durch den Umschwung; denn so allein kann sie ihr Streben erfüllen.

      Aber auch die Seele wird, wenn sie die Kreisbewegung hervorruft, nicht ermüden; denn sie braucht den Weltkörper nicht zu zerren, ist doch diese Bewegung nicht wider die Natur; denn Natur ist das von der Allseele Angeordnete. Da ferner die Allseele überall als ganze ist und nicht in Teile zertrennt, gewährt sie ihrerseits auch dem Himmel, überall zu sein, so wie er es kann; er kann es indem er alles durchläuft und durchwandelt. Wenn die Seele irgendwo stillestände, würde er, wenn er dorthin gelangt wäre, auch stillestehen; jetzt aber, da sie als ganze überall ist, strebt er nach allem. Und wie, wird ers niemals erlangen? Nun, er erlangt es hierbei immer, vielmehr die Seele leitet ihn immer zu sich hin, und indem sie ihn immer leitet, bewegt sie ihn immer; indem sie ihn nicht anderswohin bewegt, sondern zu sich hin auf derselben Stelle, führt sie ihn nicht in gerader sondern in kreisförmiger Bewegung, und gewährt ihm so sie immer dort zu besitzen wohin er jeweils gelangt. Wenn die Seele stillestünde, etwa nur dort oben wäre wo jegliches stillesteht, dann würde die Welt auch stillestehen. Da sie nun nicht allein dort oben (wo immer das sei) ist, muß der Weltkörper überallhin sich bewegen, nur nicht nach außen: folglich im Kreise.