Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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Form; und so wie die Form Form ist ohne noch etwas anderes zu sein, so ist auch von der Materie, als welche der rationalen Form vermöge ihrer Unbestimmtheit entgegengesetzt ist, zu sagen daß sie, ohne etwas anderes zu sein, unbegrenzt ist.

      [16]Ist die Materie nun auch identisch mit der Andersheit? Nein, sondern nur mit dem Teil der Andersheit welcher den im eigentlichen Sinn seienden Dingen, die ja rationale Formen sind, entgegengesetzt ist. Deshalb ist sie, obgleich nichtseiend, in diesem Sinne ein Etwas; mit der Privation ist sie identisch, wenn man Privation als Gegensatz gegen das in der Vernunft Seiende versteht. Wird nun die Privation aufgehoben wenn das hinzutritt von dem sie Privation ist? Keineswegs; denn das Aufnehmende für einen Zustand ist nicht ein Zustand sondern eine Privation, und für die Grenze nicht das Begrenzte und nicht die Grenze, sondern das Unbegrenzte sofern es unbegrenzt ist. Wie sollte also die hinzutretende Grenze die Seinsform des Unbegrenzten zerstören, besonders da es nicht akzidentiell unbegrenzt ist? Wenn es quantitativ unbegrenzt wäre, würde sie es aufheben; nun aber nicht, sondern sie erhält es im Gegenteil im Sein; denn sie führt seine Natur zur Verwirklichung und Vollendung, wie das Ungesäte wenn es gesät wird, und wie das Weibliche wenn es vom Männlichen empfängt (?), nicht sein Weiblichsein verliert sondern in höherem Grade weiblich wird, und das heißt, in höherem Grade wird was es ist.

      Ist denn Materie noch ein Böses, da sie so am Guten Teil erhält? Ja, deshalb, weil sie des Guten bedurfte, denn sie hatte es ja nicht. Denn ein Wesen welchem ein Stück fehlt und ein anderes Stück hat es, das steht vielleicht in der Mitte zwischen Gut und Böse, wenn es ein gewisses Gleichgewicht nach beiden Seiten innehält; was aber nichts hat, das muß, da es in Armut ist, vielmehr da es Armut ist, notwendig böse sein. Denn dies ist nicht Armut an Hab und Gut, nein Armut an Besonnenheit, Armut an Tugend Schönheit Kraft Form Gestalt Wiebeschaffenheit. Wie sollte sie also nicht unansehnlich, nicht durchaus häßlich, nicht durchaus böse sein? Jene obere Materie aber ist seiend; denn vor ihr liegt was jenseits des Seienden ist; hier unten aber liegt vor der Materie das Seiende; sie ist also ihrerseits nicht seiend, da sie vom Seienden verschieden und ein Zusatz zu seiner Schönheit (?) ist.

       13

      Vermischte Untersuchungen

      I.

      Der Geist’, heißt es, ‘sieht die Ideen in dem wesenhaften Organismus’, und weiter, der Schöpfer ‘faßte den Gedanken’, daß das ‘was der Geist in dem wesenhaften Organismus sieht’, ‘auch dies All haben müsse’. Ist damit nicht gesagt, daß die Ideen schon vor dem Geist da sind und daß der Geist sie als schon seiende denkt? Zuerst ist jener, ich meine der Organismus zu untersuchen, ob er nicht etwa der Geist, sondern vom Geist verschieden ist. Das Schauende ist der Geist, folglich ist der wesenhafte Organismus nicht Geist; vielmehr müssen wir sagen daß er Gedachtes (Gegenstand des Geistes) ist, daß der Geist also das was er sieht, außerhalb seiner selbst hat. Er kann also nur Abbilder und nicht die wahren Dinge haben – wenn denn die wahren Dinge dort im Organismus sind, denn dort, heißt es ja, ist die Wahrheit, im Seienden, wo die Idee jeden Dinges ist.

      Nun, wenn auch beide voneinander verschieden sind, so brauchen sie doch nicht voneinander getrennt zu sein als nur in soweit sie verschieden sind. Weiter, nichts von dem Angeführten steht im Wege, daß beide Eins sind und nur durch den Akt des Denkens auseinandertreten, indem lediglich das eine das Gedachte, das andere das Denkende ist; denn der Ausdruck ‘er erblickt’ bedeutet nicht durchaus daß es in einem andern stattfindet, sondern in ihm selbst, da er das Geistige in sich hat. Aber es spricht auch nichts gegen die folgende Lösung: der Gegenstand des Geistes (das Gedachte) ist seinerseits ein Geist in Unbewegtheit, Einssein und Ruhe, der aktive Geist aber, welcher diesen andern in sich verharrenden ‘sieht’, ist seinem Wesen nach eine wirkend tätige Entfaltung von jenem andern her, und diese Entfaltung ‘sieht’ jenen; indem nun der Geist jenen sieht, ist er denn gewissermaßen der denkende Geist jenes ruhenden Geistes, weil er jenen denkt; aber jener denkende Geist ist auch seinerseits wieder aktiver und passiver Geist, jedoch, weil er jenen nur nachahmt, in anderer, geringerer Weise. Dieser entfaltete Geist ist also dasjenige, was ‘den Gedanken faßt’, die vier Arten von Lebewesen, die es dort sieht, dieser Welt schöpfend einzupflanzen.

      Allerdings scheint er insgeheim doch wieder das, was ‘den Gedanken faßt’, zu unterscheiden von jenen beiden genannten; während andere wieder die Drei, den wesenhaften Organismus, den Geist und das was den Gedanken faßt, für Eines halten werden; es ist eben wie bei vielen anderen Dingen, je nach den verschiedenen Voraussetzungen versteht jeder unter dem Dreisein etwas anderes. Was von den beiden ersten zu halten ist haben wir dargelegt; aber was ist jenes Dritte, das ‘den Gedanken faßte’, das was der Geist als dem Organismus Innewohnendes sah, nun seinerseits werktätig zu schaffen, das heißt aber: zu teilen? Nun, es ist ja nicht undenkbar, daß in einem Sinne der Geist es ist der jene Teilung verursacht, in anderem Sinne aber der Teilende doch nicht der Geist ist: sofern nämlich das Geteilte von ihm her kommt, kann er als der Teilende angesehen werden, sofern er jedoch selbst ungeteilt verharrt, während erst das aus ihm Hervorgehende und das heißt: die Seelen geteilt sind, kann die Allseele es sein die die Teilung in viele Seelen hervorruft. Deswegen heißt es auch im Text, daß die Teilung auf jenes ‘Dritte’ zurückgeht, und in dem Dritten stattfindet, weil es ‘den Gedanken faßte’; denn das, das Überlegen, ist nicht Sache des Geistes, sondern der Seele, welche mit ihrem Eintritt in die geteilte Wirklichkeit eine geteilte Wirksamkeit übt.

      II.

      [7]… Wie nämlich die eine Wissenschaft, welche ein Ganzes ist, sich teilt in die einzelnen Lehrsätze ohne daß sie zerstreut und zerstückelt wird, und wie dasjenige Einzelne das Ganze potential in sich enthält, bei welchem Urgrund und Endziel dasselbe sind, so muß man auch sein Ich zurüsten, daß die Urgründe in ihm zugleich auch sein Endziel sind und daß es im Ganzen und mit all seinen Inhalten gerichtet ist auf das Wertvollste seines Wesens; wird man zu diesem Wertvollsten, so ist man in der oberen Welt; denn mit diesem besten Stück seines Wesens kann man, wenn man es festhält, rühren an das Obere.

      III.

      Die Allseele ist nirgendwohin geraten oder gekommen, es gab ja gar kein Wo, sondern der Körper, ihr zunächst stehend, hat an ihr Teil genommen; so sagt auch Platon an einer Stelle, nicht etwa daß sie im Leibe sei, sondern daß der Leib ihr eingesetzt wurde. Die andern Seelen dagegen haben ein Woher (denn sie kommen von der Allseele), und ein Wohin, ein Hinabgehen und ein von einem zum andern Gehen; mithin auch ein Hinaufgehen. Die Allseele aber ist stets droben, dort wo es ihrem Wesen als Seele entspricht zu sein; ihr schließt sich als Nächstes unsere Welt an, so deren ihr benachbarter, oberer Teil wie auch der unterhalb der Sonne gelegene.

      Die Teilseele nun wird belichtet wenn sie sich zu dem bewegt was vor ihr ist, denn dann trifft sie auf ein Seiendes; bewegt sie sich aber zu dem nach ihr Liegenden, auf das Nichtseiende. Und das tut sie, wenn sie sich zu sich selbst wendet; denn wenn sie für sich sein will, so bringt sie das was nach ihr ist hervor, ein Schattenbild ihrer selbst, das Nichtseiende, damit trifft sie gleichsam ins Leere und wird unbestimmter. Dies ihr Schattenbild, das Unbestimmte, ist nun durchaus düster; denn es ist gänzlich vernunftlos und des Geistes bar und steht weit ab vom Seienden. Bis dahin nun ist sie noch in der Mitte, in ihrem eigenen Bereich; aber indem sie wieder hinblickt, gleichsam mit einem zweiten Blick, gibt sie dem Schattenbilde Form und geht, erfreut, in es ein.

      IV.

      … Wie wird nun aus Einem die Vielheit? Weil es überall ist, denn es gibt keine Stätte wo es nicht wäre. So erfüllt es also alles; es ist also Vielheit, vielmehr ist es geradezu Alles. Wäre das Eine nämlich nur überall, so wäre es selbst Alles; da es aber auch nirgends ist, entsteht Alles durch das Eine, sofern das Eine überall ist, aber von dem Einen verschieden, sofern dieses nirgends ist. Aber warum muß denn der Eine nicht nur überall, sondern überdies auch nirgends sein? Weil vor und über Allem ein Eines sein muß; so muß sein Verhältnis zu Allem das des Ausfüllens und Schaffens sein und es darf nicht das Alles, was er schaffte, auch selber sein.