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Die beiden Ärzte waren tief beeindruckt gewesen von dem, was sie von Fee gehört hatten. Dr. Behnisch war ganz blass geworden. Bei ihm fiel das sehr auf, weil er immer eine frische Farbe hatte.
»Ich werde höllisch auf die Prinzessin aufpassen«, sagte er.
»Aber nicht verraten, dass ich geschwatzt habe«, bat Fee.
»Das war wichtig, und was wichtig ist, ist kein Geschwätz«, meinte Dieter. »Aber ich kann sie nicht festbinden. Und weiß man denn, ob dieser Reyken nicht so ein Bursche ist, der das ganze Haus ausräumt?«
Ja, dieser Reyken war eine rätselhafte, und wie Fee meinte, auch gefährliche Figur in diesem Drama. Aber unternehmen konnte man nichts.
Unterwegs hatte Fee dann eine Idee. »Du hast doch neulich diesen netten Privatdetektiv behandelt, Daniel«, sagte sie nachdenklich.
»Edwin Pichler?«
»Ja, behandelst du noch mehr Detektive?«
»Seinen Partner auch. Kurti Schnell. Isabel nennt ihn Kurti.«
»Das soll sie nur Jürgen nicht hören lassen«, meinte Fee.
»Ach was, Kurti ist so breit wie lang, und der eifersüchtigste Mann könnte nichts Gefährliches an ihm entdecken.«
»Einer von den beiden könnte doch mal so ein paar Informationen über diesen Reyken einholen«, sagte Fee.
»Wir müssen Saskia einfach helfen, auch wenn sie sich nicht helfen lassen will.«
»Du machst es schon richtig, Liebling«, sagte Daniel. »Nimm du es in die Hand. Ich habe heute massig zu tun. Plötzlich wollen alle Frauen Mammographien machen lassen. Wenn eine Präsidentenfrau an Brustkrebs operiert wird, ist es anregender, als wenn man sachlich auf Vorsorgeuntersuchungen hinweist.«
Er dachte plötzlich an die Diagnose, die Dieter über Evelyn Boerden gestellt hatte. Davon hatte er Fee noch nichts gesagt, und er wollte es vorerst auch für sich behalten.
Ihn als Arzt erschreckte es auch, wie viele Frauen solche Leiden hatten und wie schnell sie ihnen den Tod bringen konnten, wenn etwas übersehen wurde.
Molly war schon fleißig bei der Arbeit, als sie in die Praxis kamen, aber Fee musste wieder einmal hören, dass dies alles Patienten für den Herrn Doktor waren, die im Wartezimmer saßen.
Fee nahm es mit Humor, Helga Moll nicht sosehr, aber heute war Fee gar nicht darüber bedrückt.
»Ich fahre hinauf in die Wohnung. Habe noch einiges zu erledigen«, sagte sie zu Molly. »Wenn ich doch noch gebraucht werden sollte, rufen Sie mich.«
Sie wurde von Lenchen empfangen.
»Nanu, was ist denn heute wieder los?«, fragte das schwerhörige, aber noch immer hurtige Lenchen. »Tee hat man schon getrunken, und weg aus dem Haus ist man zu nachtschlafener Zeit. Werdende Mütter sollen länger ruhen.«
»Ich trage mich noch nicht schwer an dem winzigen Etwas«, erwiderte Fee in munterem Ton, um Lenchen nicht Anlass zu weiteren Ermahnungen zu geben. »Wir mussten eine Patientin in die Klinik bringen, Lenchen.«
»Früher hat der Doktor das auch allein gekonnt, aber jetzt macht er ja rein gar nichts mehr ohne seine Frau.«
»Ist doch schön, Lenchen«, sagte Fee. Dann ging sie zum Telefon.
»Kein Kaffee?«, rief Lenchen laut.
»Doch, den könnte ich jetzt schon brauchen.« Damit war das gute Lenchen beruhigt.
Während Fee die Nummer von Edwin Pichler heraussuchte, dachte sie unwillkürlich wieder an ihren Traum, und während sie die Nummer gewählt hatte und auf das Freizeichen wartete, betrachtete sie den Samowar.
Seltsam war es, dass sie im Traum unterschwellige Assoziationen zum tatsächlichen Geschehen fand. Aber vielleicht spielte ihr doch die Fantasie einen Streich.
Endlich klang nach dem ›bitte warten‹ eine Männerstimme an ihr Ohr. Eine gemütliche Stimme, so ein bisschen schläfrig, aber sofort hellwach, als sie ihren Namen nannte.
»Ich hätte Sie gern in einer dringenden Angelegenheit gesprochen, Herr Pichler«, sagte Fee. »Könnten Sie bitte zu uns kommen? – Ja, das ist fein. In die Privatwohnung bitte.«
Der Name Norden schien Herrn Pichler zu beflügeln, denn schon zehn Minuten später war er da. Er versicherte, dass er gern mit einer so bezaubernden Frau Kaffee trinken würde.
Er war lang und dünn, hatte abstehende Ohren und eine Glatze. Fee war sicher, dass ihr eifersüchtiger Daniel nichts dabei finden würde, dass sie Herrn Pichler zu einer Tasse Kaffee eingeladen hatte.
Er ließ es sich schmecken, während sie ihm ihr Anliegen vortrug, dabei aber so wenig wie möglich von Saskia erwähnend.
»Anatol van Reyken?«, fragte Edwin Pichler ganz nebenbei.
Fee sah ihn verwundert an. »Seinen Vornamen kenne ich nicht«, sagte sie.
»Wenn es sich um den van Reyken handelt, kann ich Ihnen bald einiges Material vorlegen, Frau Doktor. Da haben wir vor acht Wochen für einen anderen Klienten Ermittlungen angestellt.«
Nun war Fee doch neugierig, aber bevor sie eine Frage stellen konnte, erklärte Edwin Pichler: »Allerdings kann ich über den Klienten keine Auskunft geben. Das ist Berufsgeheimnis. Aber Auftrag ist Auftrag, und was kann ich dafür, wenn zwei Klienten Auskunft über den gleichen Mann haben wollen.«
»Vielleicht sind es zwei verschiedene«, meinte Fee. »Der Vorname passt nicht zum Nachnamen, finde ich.«
»Der Vater war Holländer, die Mutter Perserin. Ich werde mich sofort auf die Beine machen.«
Die Mutter war Perserin!, klang es in Fees Ohren. Wie seltsam. Sie war sicher, dass es der richtige van Reyken war. Aber welche Rolle spielte er in Evelyn Boerdens Leben?
Da war sie nun mittendrin in einer merkwürdigen Geschichte um eine zauberhafte Prinzessin. Ja, so stellten sich wohl romantische kleine Mädchen ein Prinzeßchen vor.
Wie nüchtern Saskia von ihrem Vater gesprochen hatte, wie liebevoll verhalten von dem andern, der ihr dann Vater geworden war.
War er wirklich ermordet worden, oder hatten sich das Mutter und Tochter in ihrem Schmerz nur eingeredet, weil sie es nicht begreifen wollten, dass er nicht mehr bei ihnen war?
Eigentlich hätte ich Herrn Pichler auch bitten sollen, ein paar Erkundigungen über Magnus Boerden einzuziehen, ging es Fee durch den Sinn. Ob das große Vermögen der Frau Boerden von ihm stammte?
Viele Fragen standen offen, wie in einem spannenden Krimi, aber Fee dachte dann auch für sich, dass Daniel bestimmt nicht erpicht darauf wäre, schon wieder einmal in einen Fall verwickelt zu werden, in dem die Polizei mitspielte.
Sie rief jetzt schnell in der Behnisch-Klinik an und bekam Dr. Jenny Lenz an den Apparat, die von Dr. Behnisch eingeweiht worden war. Er konnte das unbesorgt tun, denn zwischen den beiden herrschte ein großes Vertrauensverhältnis. Außerdem war Jenny Lenz sehr verschwiegen.
Saskia war noch in der Klinik. Jenny hatte kurz mit ihr gesprochen. Sie sagte, dass Saskia wohl bleiben würde.
Was aber ging indessen in der Villa Boerden vor? Zu gern hätte Fee das gewusst. Aber sie war völlig ahnungslos, dass währenddessen drunten in der Praxis dieser rätselhaften Geschichte schon ein weiteres Kapitel zugefügt wurde, ohne dass Daniel einen Zusammenhang erkennen konnte.
Molly sah die Fremde, die gegen zehn Uhr kam, forschend an. Sie war noch nie in der Praxis gewesen. Molly hatte ein gutes Personengedächtnis, und eine solche Erscheinung konnte man auch kaum vergessen.
Diese Frau, hochgewachsen, schwer schätzbaren Alters, slawisch geschnittenem Gesicht, schmalen Katzenaugen, auffallend elegant gekleidet, beeindruckte Molly