Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Norden Bestseller Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740937553
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auf. Wer da auch kommen mochte, sie waren nicht mehr allein mit diesem Mann, in dessen Augen Hass glomm.

      »Soll ich öffnen, Saskia?«, fragte Fee.

      Das Mädchen nickte.

      Schnell eilte Fee zur Tür. Vor ihr stand ein junger Mann. Nicht mehr ganz jung, vielleicht Ende zwanzig oder anfang dreißig, hochgewachsen, breitschultrig mit tiefgebräuntem schmalem Gesicht, hellgrauen klugen Augen und aschblondem Haar.

      Er sah Fee abschätzend an, aber sie fühlte sich durch diesen Blick nicht unangenehm berührt.

      »Mein Name ist Cornelius Boerden«, sagte er mit ruhiger tiefer Stimme, und da ertönte von drinnen ein leiser Aufschrei aus Saskias Mund, den er aber nicht zu hören schien.

      »Ich möchte Frau Boerden einen Besuch machen«, fuhr er fort. »Sind Sie Saskia?«

      »Nein, ich bin eine Freundin von Saskia«, erwiderte Fee stockend. »Bitte, Herr Boerden.«

      Stocksteif stand Saskia da, allein in dem Raum. Reyken war verschwunden. Fee wunderte sich, welche Ablehnung das Gesicht des Mädchens ausdrückte.

      »Guten Tag, Saskia«, sagte Cornelius Boerden. »Wir haben uns sehr lange nicht gesehen. Zuletzt warst du noch ein kleines Mädchen. Ich wusste nicht, dass du hier bist.«

      »Meine Mutter ist in der Klinik«, sagte Saskia tonlos. »Ich kann mich nicht an Sie erinnern. Ich möchte jetzt wieder zu Mutter. Sofort.«

      Trotzig sagte sie es, und sie übersah die Hand, die sich ihr entgegengestreckt hatte.

      »Mein Vater hat dich sehr geliebt, Saskia«, sagte Cornelius Boerden. »Irgendwie sind wir doch Geschwister.«

      »Nein«, stieß Saskia hervor. »Felicitas Norden, ich möchte weg von hier.« Sie zitterte jetzt ebenso wie in der frühen Morgenstunde, als man ihre Mutter in die Klinik gebracht hatte.

      »Frau Boerden ist sehr schwer erkrankt«, sagte Fee erklärend. »Mein Mann ist der Hausarzt von Frau Boerden. Ich bin auch Ärztin«, fügte sie verhalten hinzu und warf einen bedeutungsvollen Blick zu dem Mädchen.

      Cornelius Boerden machte eine leichte Verbeugung. »Mir gehört ein Teil des Hauses«, sagte er leise. »Der hintere.«

      Fees Kopf ruckte empor. »Da wohnt zur Zeit ein Herr van Reyken«, sagte sie rasch.

      Cornelius Boerden wich einen Schritt zurück, aber aus seiner Miene war nichts zu entnehmen.

      »Das ist ja sehr interessant«, sagte er.

      »Dieser Herr ist allein mit Saskia in dem Haus.«

      »Ich bleibe nicht hier«, flüsterte sie. Und schon eilte sie hinaus.

      Fee sah den jungen Mann an. Augenblicklich war sie zu verwirrt, um klare Gedanken zu fassen.

      »Es wäre wohl nützlich, wenn Sie in unsere Praxis kämen«, sagte sie leise.

      »Das werde ich ganz bestimmt«, erwiderte er ausdruckslos.

      Nun musste sich Fee fragen, was sich hier, in diesem Hause, nun wohl abspielen würde, denn ihr sah Cornelius Boerden nicht so aus, als hätte er vor irgendetwas Angst, und noch weniger, als würde er sich etwas bieten lassen.

      *

      Cornelius Boerden kam in die Diele des Hauses, das zum Teil ihm gehörte. Er hatte an die Tür geklopft, die zu den Räumen führte, die ihm immer offenstehen sollten, wie Evelyn ihm gesagt hatte. Er hatte sie verschlossen gefunden.

      Seine Gedanken arbeiteten. Einmal würde van Reyken doch herauskommen müssen. Er wartete darauf. Als er dann aber einen Motor aufheulen hörte, ging er hinaus. Er behielt den Türknopf in der Hand, damit die Tür nicht zufallen konnte, und er sah gerade noch die Schlusslichter eines großen hellen Wagens.

      In Gedanken versunken ging er zu dem Schlüsselschränkchen, und dort fand er mehrere Schlüssel. Er probierte sie aus, bis er den passenden für die Haustür gefunden hatte. Dann ging er hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Er ging um das Haus herum und sah eine Tür, die zur Terrasse führte, einen Spalt offenstehen.

      Wie unglaublich unüberlegt war es von ihm gewesen, nicht daran zu denken, dass van Reyken so entwischen könnte. Er hätte sich am liebsten selbst eine Ohrfeige gegeben.

      Er ging durch diese Terrassentür ins Haus. Drei ineinandergehende Räume befanden sich in diesem Trakt. Die Tür war von innen verschlossen, aber der Schlüssel steckte. Cornelius schloss die Terrassentür und begann systematisch die Räume zu durchsuchen. Aber nur im Bad, in einem Abfalleimer, fand er etwas, was seine Aufmerksamkeit erregte. Eine Packung, in der sich noch eine Tablette befand.

      Viel Gepäck schien Anatol van Reyken nicht mitgebracht zu haben, und anscheinend hatte er alles auf seiner Flucht mitgenommen.

      Auch Cornelius Boerden hatte viel Grund zum Nachdenken. Er durchsuchte aber auch die anderen Räume des Hauses, die Evelyn gehörten, systematisch. Da fand er doch manches, das von Interesse für ihn war.

      In dem Zimmer, in dem Saskia zwei Nächte geschlafen hatte, lag ein Teddybär unter der Bettdecke. Er war alt und abgegriffen, und sein Fell war dünn geworden.

      Seine Gedanken wanderten Jahre zurück. Er sah ein kleines Mädchen mit großen traurigen Augen vor sich stehen, das diesen Bären an sich drückte.

      »Mein Papi hat mir gehört«, hatte es gesagt. Schmerzhaft hatten diese Worte in seinen Ohren noch lange, sehr lange fortgeklungen. Er hatte erst ein Mann werden müssen mit sehr sehr viel Erfahrung, um diesen Schmerz zu überwinden. Das war erst geschehen, als er erfahren hatte, warum sein Vater ihn verleugnet hatte.

      Kalter Hass war in seinen Augen, als er an Anatol van Reyken dachte. Er wollte, er musste ihn finden. Er sollte nicht ungeschoren davonkommen!

      Diesmal nicht!

      *

      Fee saß indessen am Schreibtisch und nahm sich Frau Boerdens Karteikarte vor. Sehr korrekt waren da alle Medikamente aufgezeichnet, die sie verordnet bekommen hatte. Sehr genau hatte Daniel auch die Bemerkungen zur Anamnese notiert. Sie entnahm daraus, dass Evelyn Boerden eine Herzinnenhautentzündung hatte. Endokarditis lenta, was soviel bedeutete, wie schleichend verlaufend. Diese war besonders bösartig. Bei Patienten mit einem labilen Kreislauf nützten da auch die Antibiotika nicht viel.

      Das Dingdong des Gongs ertönte, und Fee drückte automatisch auf den Türöffner. Sie blickte auf und sah Cornelius Boerden zur Tür hereinkommen.

      Sie war augenblicklich verblüfft, dass er sobald kam.

      »Ich habe hoffentlich Ihren kleinen Hinweis richtig verstanden«, sagte er leise. »Oder hat Saskia Ihnen inzwischen Misstrauen gegen mich eingeflößt?«

      »Sie ist jetzt ein verwirrtes Kind«, sagte Fee, die einen aggressiven Unterton aus seinen Worten zu entnehmen glaubte.

      »Sie ist ja noch ein Kind«, sagte er.

      »Aber ein überaus intelligentes«, erwiderte Fee.

      »Was nützt das einem jungen Menschen schon, wenn er acht Jahre seines Lebens eingesperrt wird«, erklärte er heiser.

      »Eingesperrt?«, fragte Fee.

      »Was war es denn anderes? Natürlich muss man Evelyn zugute halten, dass sie maßlose Angst um ihr Kind hatte und nicht die Kraft, ihm selbst Schutz zu gewähren. Aber Sie haben das Internat nicht gesehen, in dem Saskia war.«

      »Haben Sie es gesehen?«, fragte sie erstaunt.

      »Gewiss. Ich war mehrmals dort, ohne Saskias Wissen. Eine Raubritterburg ist nichts dagegen. Natürlich wurden die jungen Damen höchst vornehm erzogen, aber hinter dicken Mauern wie im Mittelalter. Ich möchte mich darüber nicht äußern, damit Sie nicht denken, dass ich Evelyn einen Vorwurf machen will. Sie war seit dem Tode meines Vaters von geradezu panischer Angst um das Leben ihres Kindes erfüllt.«

      »Ich weiß nicht viel, aber was ich an diesem einen Tag erfahren habe, ist höchst geheimnisvoll, Herr