»Aber er hat auch nicht so viel Geld, um sich selbständig zu machen.«
»Es war auch nur so eine Idee. Wahrscheinlich werden sie die Pension doch wohl verpachten.«
Immerhin war er nicht der Einzige, der eine solche Idee hatte.
Wie das manchmal bei Freunden üblich ist, gab es eine Gedankenübertragung.
Wäre Dr. Leitner selbst auch nie darauf gekommen, so doch ihr gemeinsamer Freund Dr. Behnisch, als er erfuhr, dass Frau von Rosen die Pension aufgeben wolle, um Karl Herzog zu heiraten. Bettina hatte es ihm erzählt.
Dr. Behnisch gehörte zu jenen, mit denen es Fortuna besonders gut gemeint hatte. Eine Erbschaft hatte ihn völlig unabhängig gemacht. Seine Klinik florierte von Anfang an überaus gut. Es war ihm nicht in den Kopf gestiegen. Er war mit den Füßen hübsch auf der Erde geblieben und von Natur aus ein anspruchsvoller Mensch. Ihm ging jetzt auch so manches durch den Kopf, und er richtete es so ein, dass er mit Bettina nochmals zusammentraf, als sie an diesem Abend die Klinik verließ. Es war ihr letzter Besuch bei André. Morgen sollte er entlassen werden, genau wie Molly. Ein paar Tage früher schon, als vorher abzusehen gewesen war.
»Morgen schlägt also nun die Abschiedsstunde«, sagte er. »Unser Patient kann es ja kaum noch erwarten.«
»Ein kleines Fest wird aber fällig«, sagte Bettina, »und wir hoffen doch sehr, dass Sie und Frau Dr. Lenz uns die Freude machen werden, unsere Gäste zu sein. Wir dachten an den Mittwoch.«
»Das wird sich doch mal einrichten lassen«, sagte er. »Der Rosengarten ist nicht weit entfernt. Wenn wirklich etwas Dringendes vorliegt, sind wir sofort zu erreichen. Haben Sie eigentlich schon Pläne, was dann mit der Pension geschehen soll?«
Bettina sah ihn verwundert an. »Da mische ich mich nicht ein. Das ist Annettes Angelegenheit. Allerdings wird mein Vater am Ende die Entscheidung wohl doch treffen.«
»Und vielleicht würden Sie in diesem Falle ein Gespräch mit ihm vermitteln? Ich wäre daran sehr interessiert.«
»An der Pension? Guter Gott, haben Sie mit der Klinik nicht genug am Hals?«
»Mir kam da so eine Idee. Sie müsste erst noch reifen, aber es wäre schade, wenn mir jemand zuvorkommen würde. Nein, keine Pension, aber zu einer Privatklinik, besser gesagt, zu einem Entbindungsheim würde sich das Haus doch vorzüglich eignen. Ist es sehr aufdringlich, wenn ich das so direkt sage?«
»Durchaus nicht. Ich finde, dass es eine ausgezeichnete Idee ist, und es kann nicht schaden, wenn sie überlegt wird. Wie die Dinge liegen, wird Annette mit ihrem künftigen Heim und ihrer Familie völlig ausgelastet sein. Ich kenne meinen Vater ja zur Genüge. Er ist ein Egoist, wenn auch ein liebenswerter, und er ist außerdem ein tüchtiger Geschäftsmann. Ich werde bei Annette mal vorfühlen.«
Sie verstanden sich so gut, dass Bettina das ohne Sorge tun konnte. Annette hatte sich zudem auch schon ihre Gedanken gemacht.
»Ja, mit dem Verpachten ist das so eine Sache«, sagte sie. »Ich weiß ja mittlerweile, was man hineinbuttern muss. Aber Karl meint, dass es nicht einfach sein wird, das Haus zu verkaufen. Es hat natürlich seinen Wert. Mir wäre das am liebsten, Bettina. Dann würde das Geld zu gleichen Teilen unter den Kindern verteilt werden, und ich müsste nicht das Gefühl haben, Karl zusätzliche Verpflichtungen aufzubürden.«
»Davon kann keine Rede sein, aber du wirst künftig doch kaum Zeit haben, dich um das Haus zu kümmern. Vielleicht gibt es einen ernsthaften Interessenten. Warten wir mal den Mittwoch ab.«
Nach dieser bedeutsamen Bemerkung hatten sie sich noch allerlei zu erzählen, bis Karl Herzog sich zu ihnen gesellte und fragte, was sie da aushecken würden.
»Das erfährst du noch, Daddy«, erwiderte Bettina.
»Wenn es etwa darum geht, wo eure Hochzeit gefeiert wird, muss ich sagen, dass dies bei dir liegt. Unsere«, und dabei legte er seinen Arm um Annettes Schultern, »wird bei uns zu Hause gefeiert.«
»Warum eigentlich nicht in einem Aufwasch?«, fragte Bettina.
»Nein«, protestierte Annette da. »Ihr habt so lange gewartet, und für mich gibt es noch viel zu regeln.«
»Dabei wird dir Daddy tatkräftig behilflich sein«, meinte Bettina lächelnd. »Ich warne dich, er kann ein sehr ungeduldiger Mensch sein.«
»Das weiß ich mittlerweile schon«, erwiderte Annette.
*
Man kann wohl sagen, dass sich eine Fülle von Ereignissen überstürzt hatte.
Am Samstagmorgen holten Bettina und ihr Vater André von der Klinik ab. Die Familie Moll war ebenfalls schon erschienen, um Molly heimzuholen.
Bettina fand nur einen Augenblick Zeit, um Dr. Behnisch zuzuflüstern, dass sie schon mit Annette gesprochen hätte. Am Mittwoch würde man weitersehen.
Zu diesem Fest sollten auch Daniel und Fee geladen werden. Dafür nahm sich Bettina dann gleich am Vormittag Zeit, und sie bekam auch von ihnen eine Zusage.
»Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus«, bemerkte Daniel lächelnd. »Die Herren reiferen Alters scheinen etwas für den Namen Anne übrig zu haben.« Er spielte damit auf seinen Schwiegervater Dr. Cornelius an, der eine glückliche Zweitehe mit seiner Frau Anne führte.
»Es ist doch nicht der Name«, sagte Fee. »Es ist wunderbar, wenn reife Menschen auch noch den passenden Partner finden.«
»Besser ist es allerdings, wenn man ihn in jungen Jahren findet, dann hat man mehr davon. Ich finde, dass wir schon zu viel versäumt haben, Feelein.«
»Das sag lieber Isabel, falls sie sich zu ewigwährendem Alleingang entschlossen hat.«
»Ich werde mich heute Abend mit ihr ins stille Kämmerlein zurückziehen und ihr die Leviten lesen.«
Doch dazu kam es nicht. Mit glückstrahlender Miene kam Isabel hereinspaziert.
»Dass ihr mal Zeit habt, ist ein Wunder. Ich platze fast, um euch Neuigkeiten zu verkünden, und ausgerechnet meine besten Freunde sind dauernd beschäftigt.«
»Hoffentlich sind es wenigstens angenehme Neuigkeiten«, sagte Daniel hintergründig.«
»Warum schaust du so skeptisch drein? Sehe ich aus, als hätte ich unangenehme Neuigkeiten zu verkünden?«
Nein, das konnte man wahrhaftig nicht sagen, aber wie Daniel schon festgestellt hatte, wusste man ja bei Isabel nie so recht, woran man war.
»Ich habe gekündigt«, platzte sie heraus. »In zwei Monaten wird geheiratet. Was sagst du nun? Was sagt ihr nun?«, wiederholte sie schnell, als Fee nun auch in die Diele kam.
»Jürgen hat kein Sterbenswörtchen verlauten lassen«, erklärte Fee atemlos.
»Das wollte er mir überlassen. Ihr kennt ihn doch, er ist viel zu schüchtern. Es wird Zeit, dass er eine energische Frau bekommt.«
»Die ihm eindeutig klarmacht, dass die Insel nicht der rechte Platz für einen so befähigten Arzt ist?«, fragte Daniel.
»Aber ganz im Gegenteil. Ich werde mich dort einnisten, und wenn es euch hier mal zu viel wird, sollt ihr zuschauen, wie ihr uns von dort wegbekommt. – Spaß beiseite. Mir tut es gut, wenn ich richtigen Tapetenwechsel bekomme. Hier würde ich doch immer wieder mit Kollegen zusammentreffen, und dann …« Da läutete es, und sie unterbrach sich.
Und dann würde sie vielleicht doch wieder Sehnsucht nach ihrer Redaktion bekommen, dachte Fee, während Daniel Dr. Leitner die Tür öffnete.
»Ach, der Schorsch!«, rief Isabel aus. »Nett, dass man sich wieder mal sieht!«
Schorsch machte immer einen etwas melancholischen Eindruck. Er sagte später, dass ihm wohl einfach das Talent zum Glücklichsein fehle.
»Talent braucht man nicht dazu«, meinte Isabel. »Nur die Bereitschaft. Lass