»Und wie hat sie Sie gefunden und wo?«
»Als ich zur Beisetzung meiner Mutter kam, die vor einem halben Jahr verstarb. Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch irgendwelche Rücksichten nehmen muss. Laila war es, die meine Mutter gegen Bettina Herzog und auch gegen mich aufhetzte. Meine Mutter blieb lange unversöhnlich. Dann muss sie etwas herausgefunden haben, was sie misstrauisch gegen Laila machte. Sie schrieb mir nach Mumbay, dass sie sich in einem schrecklichen Irrtum befunden hätte und bat mich zu kommen. Aber ich kam zu spät. Sie war bereits tot.«
»Ist sie eines natürlichen Todes gestorben?«, wurde er gefragt.
»Daran habe ich nicht gezweifelt. Sie kränkelte seit dem Tode meines Bruders. Aber sie gestattete mir ja nicht, etwas für sie zu tun. Der Grund war eine ganz interne Familienangelegenheit.«
»Wir wissen Bescheid, Herr Dr. Clermont. Frau Clermont hat mehr gesagt, als wir eigentlich erwartet hatten. Es steht zu fürchten, dass sie nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Sie bekam einen Tobsuchtsanfall und wird aller Wahrscheinlichkeit nach in eine geschlossene Anstalt überführt werden müssen. – Strengt Sie das Gespräch nicht zu sehr an, Herr Dr. Clermont? Wir wollen uns nicht den Unwillen des Chefarztes zuziehen.«
»Nein, es strengt mich nicht an. Bitte, sprechen Sie weiter, oder fragen Sie.«
»Wie oft ist Ihnen Frau Clermont dann noch begegnet?«
»Zweimal, nein, dreimal«, erwiderte André. »Sie zeigte großes Interesse an der Hinterlassenschaft meines Bruders, aber ich wusste noch nicht, woran sie so besonders interessiert war. Das erfuhr ich dann erst, als mir der Anwalt meiner Mutter gewisse Papiere übergab, und ich hatte allen Grund, diese nicht in Lailas Hände kommen zu lassen.«
»Misstrauten Sie ihr schon damals?«
»In gewisser Beziehung ja, aber nicht hinsichtlich des Vergehens meines Bruders. Ich konnte einfach nicht glauben, dass eine Frau so rigoros vorgehen könnte. Sie hatte den Plan ausgeheckt, nicht Bob. Er war ein Werkzeug in ihren Händen. Verrückt, aber es ist eine Tatsache, um die ich nicht herumreden kann.«
»Und die wir bereits kennen. Wann trafen Sie Frau Clermont zuletzt?«
»Drei Tage, bevor ich nach München fuhr. Ich wollte meinen Freund hier treffen.«
»Herrn Steiger?«
»Das wissen Sie auch?«
»Herrn Steiger und Herrn Herzog ist es zu verdanken, dass wir Frau Clermont verhaften konnten. Übrigens wurde sie bereits gesucht. Ihre Mutter hatte vor ihrem Tode Anzeige gegen sie erstattet wegen Erpressung.«
»Mein Gott«, sagte André leise. »Das ist schrecklich. Sie hat es also gewagt, diese verwirrte Frau zu erpressen.«
»Hat sie das nicht auch bei Ihnen versucht?«
»Nein, mich wollte sie mit allen Mitteln betören. Aber ich ahnte ja, dass sie nur die Papiere wollte, die Bob hinterlassen hatte. Sie allerdings ahnte wohl nicht, dass auch er die ganze Wahrheit niedergeschrieben hatte. Das war auch meiner Mutter bekannt geworden. Es muss ein schrecklicher Schock für sie gewesen sein. Sie hätte Bob das nie zugetraut. Ich übrigens auch nicht. Ich wusste anfangs nur, dass er, obgleich er verheiratet war, sich mit Bettina Herzog verlobt hatte. Das heißt, ich erfuhr es erst, als Bettina die Verlobung gelöst hatte. Da lernte ich Laila kennen, die mir gegenüber behauptete, dass Bettina ihre Ehe zerstört hätte. Das wusste ich allerdings besser. Laila verschwand sehr schnell von der Bildfläche, und alles andere habe ich Ihnen ja schon gesagt.«
»Noch nicht, wie Sie zu dieser Verletzung gekommen sind.«
»Es war Lailas Brosche. Eine Brillantnadel in Form eines Salamanders.« Seine Stimme wurde leiser, sein Gesicht nachdenklicher. »Ich sagte Ihnen schon, dass sie mich mit allen Mitteln betören wollte. Sie rückte mir, auf deutsch gesagt, auf den Pelz, hautnahe. Ich war verblüfft, denn ich hatte ihr vorher gesagt, dass ich sehr vieles wüsste. Ich wollte sie abwehren, und da ritzte ich mich, denn die Nadel stand offen. Sie trug sie an der linken Schulter.«
»Nehmen wir an, der Stich wäre anstatt in die Hand in Ihre Brust gegangen, etwa in die Herzgegend?«, fragte der Beamte.
Andrés Augen weiteten sich. »Soll das heißen, dass die Nadel vergiftet war? Ich glaubte, dass ich mich nachträglich irgendwie infiziert hatte. Der Ritz war ziemlich tief. Er blutete auch. Was für ein Gift sollte es gewesen sein?«
»Eine tödliche Dosis Atropin.«
»Unmöglich. An einer Nadel? Ich verstehe allerhand von Giften.«
»Es war eine Hohlnadel. Sie haben sich nur daran geritzt. Wäre es Frau Clermont gelungen, die Nadel direkt in Ihren Körper zu praktizieren, würden Sie heute nicht mehr leben. Es war ein Mordversuch. Sie hat es selbst zugegeben, weil sie meinte, dass Sie Anzeige gegen sie erstattet hätten. Sie war sehr erregt und hat vorher viel gesagt, was uns stutzig machte. Manch einer schaufelt sich sein eigenes Grab, Herr Dr. Clermont.«
»Die Frau muss wahnsinnig sein«, sagte André erschöpft.
»Wahrscheinlich ist sie das. Sie hat lange in panischer Furcht gelebt und unter Verfolgungswahn gelitten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie Ihren Bruder in denTod getrieben und Ihre Mutter auch. Bei Ihnen wollte sie wohl ihre weiblichen Reize als Kampfwaffe anwenden, und als sie merkte, dass dies vergeblich war, blieb nur noch Hass und Vernichtungswillen und wohl Angst um ihr eigenes Leben. Nun wäre dieser Fall geklärt. Eine Sühne wird er wohl kaum finden, wenn man geistige Umnachtung nicht als schlimme Strafe betrachten will.«
»Es ist grauenvoll«, sagte André leise. »Wohin kann sich ein Mensch verirren?«
*
»Jenny ist enorm«, sagte Dr. Behnisch zu Dr. Norden. »Sie hat gleich auf Atropin getippt. Diese Laila Clermont ist ein teuflisches Weib.«
»Wir wollen froh sein, dass es auch genügend Engel gibt«, sagte Daniel.
»Mein Engel ist Jenny«, meinte Dr. Behnisch, »aber es wird wohl noch einige Zeit brauchen, um ihr das klarzumachen.«
»Sie läuft dir schon nicht davon«, sagte Daniel lächelnd. »Jetzt haben wir ja erst mal ein glückliches Paar.«
»Bettina Herzog wird tüchtig zu schlucken haben, bis sie richtig glücklich sein kann. Und sie wäre wohl todunglücklich geworden, wenn Clermont nicht überlebt hätte.«
Dies alles zu überlegen, jagte Daniel ein Schaudern über den Rücken, und es war ein Glück, dass sie sich wenigstens um Molly keine großen Sorgen zu machen brauchten. Sie war zwar noch sehr mitgenommen und wollte nicht begreifen, dass sie wenigstens zehn Tage in der Klinik bleiben musste und dann auch nicht gleich wieder arbeiten durfte, aber sie war doch heilfroh, dass es noch so abgegangen war.
Nun wurde sie von ihrer Familie tüchtig verwöhnt. Immer war einer bei ihr, immer schön abwechselnd, und selbst Lenchen raffte sich zu einem Besuch auf, obgleich sie Klinikluft doch gar nicht mochte.
Molly wurde von allen Seiten beruhigt, dass sie ganz bestimmt nicht auf ein Abstellgleis geschoben werden würde. Jetzt sollte sie sich richtig auskurieren und erholen, solange Fee noch in der Praxis mithelfen konnte.
»Und wenn dann nächstes Jahr das Baby erst da ist, kann der Doktor doch nicht auf Sie verzichten, Molly«, meinte Lenchen. »Sie wissen doch, dass er sich an neue Gesichter nicht gewöhnen kann.«
Am Nachmittag des nächsten Tages traf Fee Bettina in der Klinik. Sie begrüßten sich herzlich.
»Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen«, sagte Bettina. »Eigentlich hätte ich Ihnen längst Bericht erstatten müssen.«
Fee lachte leise. »Wir wissen schon eine ganze Menge«, erwiderte sie. »Und vielleicht können wir mal zu viert ganz gemütlich beisammensitzen, wenn Dr. Clermont erst wieder ganz hergestellt ist.«
Bettina errötete leicht. »Ich wollte Sie nämlich