»Und hat mir sein tiefstes Bedauern ausgedrückt, dass ich schon verheiratet bin.«
»Das nächste Mal übernehme ich ihn«, sagte Daniel verärgert.
»Ach was, er schätzt dich genauso, und er gibt mir wenigstens das Gefühl, dass ich hier nicht überzählig bin.«
»Heute bist du aber auch ganz schön in Trab gehalten worden.«
»Ja, so sehr, dass ich nicht ausreichend beachtet habe, dass es Molly nicht gutgeht.«
»Was? Was tut ihr denn weh?«
»Sie sagt nichts. Ich glaube, sie hat Angst, dass sie nicht mehr gebraucht wird.«
»So was Dummes. Na, das werden wir ihr doch ausreden können!«
»Jetzt mache ich mir wirklich Sorgen, Dan. Ich werde nachher mal zu ihr fahren, wenn du Besuche machst.«
»Meine Güte, sie kann doch den Mund auftun. Aber wenn du meinst, Fee, dann kümmere dich mal um sie.«
Und so kam es dann, dass sie nicht erfuhren, was in der Behnisch-Klinik geschehen war. Das sollte erst am späten Nachmittag geschehen, und diesmal unter dramatischen Umständen für Fee, denn sie fand eine fiebernde Molly vor, als sie zu ihr kam. Heinz Moll war ganz aus dem Häuschen.
»Sie wollte Ihnen das Wochenende nicht verderben, Frau Doktor«, sagte er beklommen. »Aber so geht es doch nicht.«
»Nein, so geht es nun wirklich nicht«, sagte Fee energisch.
»Das ist der Blinddarm, Molly, und der muss schleunigst raus«, sagte Fee. Und schon eilte sie auch zum Telefon.
»Mein Gott, mein Gott«, stöhnte Heinz Moll.
»Der kann uns jetzt nicht helfen. Nur ein tüchtiger Chirurg.« Und da hatte sie auch schon Dr. Behnisch an der Strippe.
»Habe schon versucht, dich zu erreichen, Fee«, sagte er. »Hat sich allerhand getan.«
Dafür hatt Fee jetzt kein Ohr. Sie war besorgt um Molly, und das sagte sie ihm auch hastig.
Zehn Minuten später war der Krankenwagen da, und Fee fuhr mit Molly, ihre Hand tröstend haltend und die Tränen trocknend, die ihr über die Wangen rannen.
»Da sehen Sie, was für eine Ärztin ich bin«, klagte sie sich selbst an.
»Es ist doch erst zu Hause schlimmer geworden«, flüsterte Molly.
Und wenn nun ihr Zähnezusammenbeißen schlimme Folgen gehabt hätte? Wenn es ausgerechnet für Molly keine Rettung mehr gäbe? Fee wusste, wie tückisch ein Blinddarm sein konnte. Mit jedem Wort des Trostes für Molly sprach sie sich auch selbst Mut zu.
*
Daniel kam verhältnismäßig früh von seinen Besuchen zurück.
»Ist Fee immer noch nicht zurück?«, fragte er Lenchen.
»Hat angerufen«, erwiderte sie so schleppend, dass Daniel aufhorchte. »Hat Molly in die Klinik gebracht. Blinddarm.«
»Liebe Güte«, seufzte Daniel. »Dann adieu, Lenchen.«
Molly war schon im Operationssaal, als Daniel kam. Fee lief blass und aufgeregt im Warteraum hin und her. Sie fiel ihm in die Arme.
»Ich kann es mir nicht verzeihen, Daniel«, schluchzte sie auf. »Ich hätte es doch sehen müssen.«
»Durchsichtig sind die Menschen halt leider nicht, Liebes«, sagte er tröstend.
Sie hielten sich bei den Händen und warteten und ahnten nicht, dass Bettina jetzt bei André Clermont war.
Sie war erst zu ihm gegangen, als sie ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden hatte, aber er hatte noch lange geschlafen, wie einer, dem schon eine schwere Last von der Seele genommen worden war.
Sie wagte jetzt seine Hand zu streicheln, die schmal und blass auf der Bettdecke lag. Und als sie dann endlich noch wagte, ihre Hand an seine Wange zu legen, schlug er die Augen auf. Aber er schloss sie gleich wieder.
Ich träume, dachte er. Das kann nur ein Traum sein.
»Bébé«, flüsterte er.
»André«, flüsterte sie zurück.
Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Lippen. Und sie legte ihren Mund an seine Wange. Und so blieben sie minutenlang, stumm vor Erschütterung und Glück.
»Dass du auch hier bist, hat dein Vater mir nicht gesagt«, kam es dann stockend über Andrés Lippen. »Sonst hätte ich nicht schlafen können.«
»Der Schlaf hat dir gutgetan.« Und er hat nichts von der Aufregung mitbekommen, dachte sie weiter. Was wäre geschehen, wenn Laila bis zu seinem Zimmer vorgedrungen wäre?
»Ich habe dir sehr viel zu sagen, Bébé.«
»Wir werden sehr viel Zeit dafür haben, liebster André. Ich habe so lange auf diesen Tag gewartet, immer gewartet und gebangt.«
»Das wusste ich nicht. Ich dachte, du würdest mich gern vergessen wollen.«
»Nie«, sagte sie leise. »Vergessen hätte ich dich nie.«
Nun war alles so einfach, dass sie sich wohl fragen mussten, warum sie sich so gequält hatten. Sie hatten sich wieder, und alles andere Zeit.
Sie waren glücklich, so weit man in dieser Umgebung glücklich sein konnte. Mit der Kraft ihrer Liebe wollte Bettina zu seiner Genesung beitragen.
»Nun werde ich jeden Tag bei dir sein und immer auf dich aufpassen«, sagte sie, bevor sie ihren Mund auf seinen legte. Endlich, endlich konnten sie sich ganz nahe sein.
*
Endlich wurden auch Fee und Daniel von ihrem unruhevollen Warten erlöst. Dr. Jenny Lenz brachte ihnen die Nachricht, dass die Operation gut verlaufen sei, wenngleich es auch höchste Eisenbahn gewesen wäre. Ja, da rätselten selbst Ärze, wie mancher Mensch Schmerzen ertrug, andere wegen Lappalien ein Mordstheater veranstalteten.
Molly lag zwar noch in der Narkose, aber Fee und Daniel wollten doch warten, bis sie in ihr Zimmer gebracht wurde, und Daniel verließ schnell noch mal die Klinik, um Blumen für Molly zu besorgen, damit gleich welche am Bett standen, wenn sie erwachte.
Der Laden sollte gerade geschlossen werden, als er kam. Es war also schon halb sieben Uhr geworden. Dafür bekam er aber einen besonders schönen Strauß, denn auch hier war er wohlbekannt. Die Besitzerin gehörte auch zu seinen Patientinnen. Ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch musste er schon erübrigen.
Als er dann in die Klinik zurückkam, hatte sich bereits die ganze Familie Moll in der Halle versammelt. Heinz Moll und die Kinder Sabine, Peter und Katrin.
Sabine war eine hübsche junge Dame, aber jetzt hatte sie verweinte Augen. Peter, der langaufgeschossene Junge, war bleich, und die Jüngste, Katrin, klammerte sich an ihren Vater.
»Es wird ja alles gut werden«, sagte Daniel tröstend. »Die Operation ist gut verlaufen. Morgen könnt ihr eure Mutter besuchen.«
Ja, wenn der Mutti so etwas passierte, wollte man es nicht begreifen. Sie, die immer für ihre Familie da war, die sich kaum Ruhe gönnte, wurde schwer vermisst, und wenn der Anlass auch höchst unerfreulich war, meinte Daniel Norden doch, dass es der ganzen Gesellschaft mal guttäte.
Blumen mitzubringen, hatten sie in ihrer Aufregung vergessen, und als Heinz Moll das ganz niedergeschlagen bemerkte, sagte Daniel aufmunternd: »Dann teilen wir eben den Strauß. Heute Nacht wird Molly ohnehin schlafen.«
Aber einen Blick wollten sie doch in das Krankenzimmer werfen. Wenigstens sehen wollten sie ihre Mutti.
Fee schien verschwunden. Daniel fand sie bei Dieter Behnisch.
»Du wirst staunen, was sich hier getan hat, Dan«, sagte Fee hastig. »Es ist nicht zu fassen, was in ein paar Stunden alles geschehen kann.«
Das