Dafür lernte sie dann aber Karl Herzog kennen, dem es doch unheimlich geworden war, weil Bettina gar nichts von sich hören ließ.
Als er erfuhr, dass sie noch immer bei André war, glitt ein Lächeln über sein Gesicht.
»Ihnen haben wir sehr viel zu verdanken, dass Sie so schnell gehandelt haben«, sagte er, »und auch, dass Sie meiner Tochter beistanden.«
Nun, jetzt würden sie sich öfter sehen, denn es war selbstverständlich, dass Daniel und Fee jeden Tag wenigstens einen kurzen Besuch bei Molly machen würden. Das musste schon herausspringen, wenn ihnen Mollys tatkräftige Unterstützung in der Praxis sehr fehlen würde.
Wie aber war es zu Lailas Verhaftung gekommen? Das wusste bisher niemand außer Karl Herzog. Und der schwieg sich darüber noch aus. Er hatte auch keine Ahnung, dass sie bereits etwas gestanden hatte, dessen sie von Karl Herzog gar nicht beschuldigt worden war.
Doch während Laila sich ausweglos in ihrem eigenen Lügengewebe verstrickt hatte und sich immer mehr verstrickte, um sich selbst reinzuwaschen, schlief André mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen einem neuen Tag entgegen, der schon der Anfang eines neuen Lebensabschnittes sein sollte, und Karl Herzog konnte seine glückliche Tochter in dieArme nehmen, die jetzt allerdings sehr müde war. Über Laila sprachen auch sie heute nicht mehr.
*
Über Laila sprachen aber Poldi und Ricky, wenn es ihm auch gar nicht so leicht fiel, als Ricky so schüchtern vor ihm saß, die Hände ineinander verschlungen, immer wieder die Augen niederschlagend, wenn er sie forschend anblickte.
Mit Ricky konnte man nicht reden wie mit Laila. Poldi fragte sich nur, wie sie ausgerechnet den Job in dem Lokal annehmen konnte. Und er fragte auch sie.
»Wo kann man sonst nachts arbeiten?«, fragte sie. »Tagsüber muss ich doch lernen.«
»Wie kann man lernen, wenn man nachts nicht schläft?«
»Man gewöhnt sich daran. Außerdem ist bei dem Job das meiste Geld zu verdienen.«
»Ist dir Geld sehr wichtig?«
»Meine Güte, Sie müssten doch auch wissen, was der Lebensunterhalt kostet, aber Sie brauchen ja nicht zu rechnen«, sagte sie trotzig.
»Findest du es eigentlich richtig, dass du immer noch Sie zu mir sagst?«, fragte Poldi mit einem weichen Lächeln. »Schließlich haben wir uns schon geküsst.«
»Sie haben mich geküsst«, konterte sie.
»Wie wäre es denn, wenn du mich auch mal küssen würdest, bevor ich dir einen Heiratsantrag mache?«
Jetzt schlug sie die Augen nicht mehr nieder, sondern sie weiteten sich staunend.
»So weit sollte der Spaß eigentlich nicht gehen«, sagte sie leise.
»Es ist doch kein Spaß, Ricky. Dass es so schnell kommen würde, habe
ich gestern Abend auch noch nicht
geahnt, aber als ich mit Laila das Lokal verließ und du mich so anschautest –«
Er unterbrach sich.
»Wie schaute ich?«, warf sie ein.
»Man kann es nicht so ausdrücken. Ich hatte einfach ein schlechtes Gewissen, obgleich ich nur meinem besten Freund und einer sehr guten Freundin helfen wollte. Und nun denk nicht gleich wieder was Falsches. Bettina Herzog ist wirklich nur eine gute Freundin, sie liebt einen anderen Mann.«
Vielleicht machte Ricky etwas in seinem Tonfall stutzig. »Sie liebt einen anderen Mann, aber du liebst sie«, sagte sie leise.
Poldi war überrascht, aber er hatte beschlossen, ganz ehrlich zu sein, denn schließlich war es ihm wirklich ernst mit dem Heiratsantrag, und er fand es gut, wenn vorher alles geklärt war.
»Ich habe sie geliebt. Das gebe ich zu. Aber es war von Anfang an aussichtslos. Sie hat es auch nie erfahren. Für Bettina gab es immer nur André. Man sagt, dass Liebe der Anfang oder das Ende einer Liebe sein kann. Für mich war es das Ende. Die Freundschaft aber wird immer bleiben, und es werden auch deine Freunde werden, kleine Ricky. Laila ist ein Biest, um nicht ein schlimmeres Wort zu gebrauchen. Ich durfte nicht zulassen, dass sie noch mehr Schaden anrichtet. Von einer solchen Frau kann man sehr viel erfahren, wenn sie meint, einen Mann in der Hand zu haben. Liebe – das ist für sie nur ein Wort. Sie ist eiskalt und berechnend. Sie hat Bob Clermont beherrscht. Sie hat ihn nur geheiratet, um ihn für ihre Zwecke zu benutzen, und er war ihr hörig. Er hat alles für sie getan, bis ihm klar wurde, dass er nur Mittel zum Zweck für sie war, und da hat er dann Schluss gemacht mit dem ohnehin verpfuschten Leben. Ich möchte aber doch einräumen, dass ihn auch das Gewissen plagte, die so viel wertvollere Bettina hintergangen zu haben.«
»Und du verspürtest gar keine Gewissensbisse wegen dieser Nacht?«, fragte Ricky, nachdem sie seinen Kuss nun doch erwiderte. »Ist das nicht abscheulich?«
»So schlimm ist es nicht gekommen. Weißt du, Laila liebt die Hinhaltemethode, und ich bin auch nicht von gestern. Man kann sich schon mit einigem Geschick aus ganz gefährlichen Situationen herauslavieren. Warst du noch nie in einer solchen Situation?«
»Doch. Ich habe mich auch herauslaviert«, erwiderte sie. »Ich bin auch nicht von gestern, und wenn man solch einen Job annimmt, muss man sich seiner Haut zu wehren wissen.
Allerdings habe ich nie gedacht, dass er mir dazu verhelfen würde, dass ein Professor mir einen Heiratsantrag macht.«
»Dozent, mein Mädchen«, berichtigte er sie, »aber in Anbetracht dessen, dass ich eine Familie zu gründen beabsichtige, werde ich wohl auch mehr Ehrgeiz entwickeln und es möglicherweise doch noch zum Professor bringen.«
»Dann muss ich aber wenigstens mein Staatsexamen vorher machen«, erwiderte sie.
»Wozu? Lerne lieber Maschinenschreiben, damit ich nicht mehr selbst tippen muss.«
»Das kann ich«, sagte Ricky. Und da bekam sie wieder einen sehr zärtlichen und langen Kuss.
»Was du alles kannst«, raunte er ihr ins Ohr. »Jetzt kann ich nur hoffen, dass du mich auch ein bisschen liebst.«
»Sonst wäre ich gestern Abend nicht so traurig gewesen und wäre jetzt nicht hier«, erwiderte sie leise.
*
»Ja, dann werden Sie uns wohl bald wieder verlassen«, sagte Annette von Rosen, als Karl Herzog ihr Bericht erstattet hatte.
»Nicht gar so bald. Es gibt noch eine Menge zu regeln. Außerdem habe ich den Kindern versprochen, mit ihnen in den Tierpark zu gehen. Mein Gott, wie lange ist es her, dass ich dort war. Ich freue mich richtig darauf. Schön wäre es ja, wenn Sie auch mitkommen würden.«
»Aber das geht leider nicht. Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch«, erwiderte sie humorvoll.
»Noch dazu, wenn die Katze gar keine Krallen hat«, bemerkte er. »Wie lange wollen Sie das noch machen?«
»Bis die Kinder versorgt sind«, erwiderte Annette. »Es geht nicht anders. Wir leben von den Einnahmen.«
»Bei allem Respekt, haben Sie noch nicht daran gedacht, zu heiraten?«, fragte er.
»Nein, daran habe ich nie gedacht.«
»Haben Sie Ihren Mann so sehr geliebt?«
»Wir haben eine sehr glückliche Ehe geführt. Dann war er ziemlich lange krank.«
»Und da bekommt man einen Schock. Aber Sie sind doch noch zu jung, um immer allein zu bleiben.«
»So jung nun auch wieder nicht mehr«, erwiderte Annette gelassen.
»Die Buben brauchen noch lange, bis sie mal auf eigenen Füßen stehen. Ich hoffe, dass Sie mich nicht falsch verstehen, wenn ich sage, dass sie eine sehr energische Hand brauchen.«