»So?«, fragte Poldi gleichmütig, ohne den Blick von der Getränkekarte zu heben.
»Sie hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass sie gern mit Ihnen sprechen würde. Sie ist wohl von der Zeitung.«
So eine Kanaille, dachte Poldi. Na, dann mischen wir uns mal die Karten und beginnen das Spiel.
»Ich habe nichts dagegen«, sagte er. »Ist es etwa die Blonde?«
Der Ober nickte. »Flottes Weib«, sagte Poldi. »Her damit!« Man kannte hier seine burschikose Art, und der Ober dachte sich nichts dabei.
Gemächlich erhob sich Poldi, als Laila mit wiegenden Hüften nahte.
»Herr Steiger? Nett von Ihnen, dass Sie zu einem Gespräch bereit sind. Mein Name ist Jill Travers.«
Sie sagte es so überzeugend, dass er unsicher geworden wäre, hätte er nicht ein so ausgezeichnetes Personengedächtnis. Durch Perücken konnte Laila zwar ihre Haarfarbe total verändern, aber für Lippenstift und Nagellack schien sie eine ganz besonders auffallende Farbe zu bevorzugen, die ihm dann auch sofort aufgefallen war.
»Und wodurch habe ich Ihre Aufmerksamkeit erregt?«, fragte Poldi leichthin. »So schön bin ich doch auch wieder nicht.«
Sie schien leicht irritiert. »Ich bin Korrespondentin einer Fachzeitschrift, und mir ist bekannt, dass Sie ein namhafter Dozent der Naturwissenschaften sind«, erklärte sie.
Na, die geht aber ran, dachte Poldi. Er war jetzt maßlos neugierig geworden. »So namhaft auch wieder nicht«, erklärte er bescheiden, obgleich er wahrhaftig nie sein Licht unter den Scheffel stellte. Ohne überheblich zu sein, wusste er seinen Wert richtig einzuschätzen.
»Wir sind durch Ihre wirklich ausgezeichneten Artikel auf Sie aufmerksam geworden, aber ich möchte Sie um einige differenzierte Auskünfte über Dr. André Clermont bitten, über dessen Forschungsarbeiten Sie ja früher mehrmals berichtet haben.«
»Leider gibt es da nichts mehr zu berichten«, sagte Poldi geistesgegenwärtig. »Der gute Clermont ist von der Bildfläche verschwunden.«
Er sah sie scharf an, und es entging ihm nicht, dass sie ihm nicht glaubte. So belauerten sie sich von dieser Sekunde an wie Hund und Katze, sich fragend, was sie und was wiederum er wüsste.
»Und wenn ich Ihnen sage, dass Dr. Clermont derzeit in München weilt?«, machte Laila dann doch einen Vorstoß.
»Ist das die Möglichkeit? Ja, was sagt man denn dazu? Und er hat sich nicht mal bei mir gemeldet?«
»Hat er das wirklich nicht?«, fragte Laila lauernd.
»Mein Ehrenwort!« Wenn es ihm zweckmäßig erschien, ging Poldi selbst mit einem Ehrenwort recht achtlos um, und er verspürte dabei nicht die geringsten Gewissensbisse. Er hätte Laila Clifford am liebsten den Hals umgedreht, da er einige Dinge in Erfahrung gebracht hatte, die ihm gar nicht gefielen, aber das konnte man von seiner Miene nicht ablesen. Laila wurde merklich unsicher.
»Dann bin ich falsch informiert«, sagte sie. »Sie müssen wissen, dass wir großes Interesse an Dr. Clermont haben, und es würde für ihn und auch für Sie eine beträchtliche Summe dabei herausspringen, wenn ein lukratives Gespräch zustande käme.«
»Bezüglich?«, fragte Poldi lakonisch.
»Darüber möchte ich jetzt noch keine Auskunft geben. Wir werden uns sicher arrangieren, Herr Steiger.«
Er blinzelte. »Mit einer schönen Frau arrangiere ich mich gern«, sagte er und erreichte damit, dass Laila sich bereits siegessicher fühlte. Sie war ohnehin überzeugt, dass kein Mann ihrem Charme widerstehen könne, wenn es ihr auch noch gewaltig zu schaffen machte, dass sie bei Dr. Norden nichts erreicht hatte.
Aber in ihren Augen war Poldi Steiger ein naiver Trottel, den sie um den Finger wickeln könnte. Nein, Laila ahnte nicht, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben einem Mann begegnet war, der ihr nicht nur haushoch überlegen, nicht nur völlig unempfindlich für ihre Reize, sondern auch noch ihr gefährlichster Feind war, der nichts anderes im Sinn hatte, als sie zu vernichten.
Sie will André das Genick brechen, dachte Poldi, während er eine lächelnde Miene zeigte. Ich werde es ihr brechen. Und wenn er wollte, konnte er einen erstaunlichen Charme entfalten.
Doch in dieser Nacht, die recht lang war, musste er sich mehrmals mahnen, nicht wirklich zu einem tätlichen Angriff überzugehen, und er musste auch eine Rolle spielen, die ihm gar nicht behagte, seit er Rickys traurigen Blick zur Kenntnis nehmen musste, als er mit Laila das Lokal verließ.
Ganz komisch war ihm da geworden, aber dann dachte er an André und Bettina und tanzte mit Laila, oder Jill, wie sie sich jetzt nannte, Wange an Wange in einem exklusiven Nachtclub und raffte sich mit einiger Überwindung dazu auf, mit ihr in ihr Hotel zu gehen.
Alles für dich und Bettina, André, dachte er, als sich Lailas Arme um seinen Hals legten. Der Erfolg rechtfertigt die Mittel.
*
»Du wirst also André aufsuchen, Leo?«, fragte Laila am reichgedeckten Frühstückstisch, den man in das Appartement gerollt hatte.
»Ich brenne darauf«, erwiderte er. »Ich bin dir unendlich dankbar, Bellisima, dass ich erfahren habe, wo sich André befindet.«
Er würgte ein halbes Brötchen hinunter, obgleich er sonst morgens Mengen verdrücken konnte. Er war sich selbst widerlich, weil er das Spiel so weit getrieben hatte, aber nun wusste er wenigstens, woran er war. Auch das nahm ihm den Appetit.
Es war ein fürstliches Appartement. Zu sparen brauchte Laila anscheinend nicht. In ihrem Schlafzimmer läutete das Telefon. Von Spitzen umschwebt, rauschte sie hinüber.
Und als sie dann zurückkam, wusste Poldi, dass etwas doch schiefgelaufen war. In ihren Augen glühte blanker Haß.
»Du widerliches Subjekt, du hast mich belogen und betrogen!«, stieß sie hervor. »Aber das wirst du büßen.«
Poldi war im Grunde froh, dass das Katz-und-Maus-Spiel nun zu Ende war.
»Gut, ich bin in Ihren Augen ein widerliches Subjekt, Frau Clermont, aber was sind Sie?«, fragte er eisig.
Es verschlug ihr die Sprache.
Jetzt endlich erkannte sie, dass sie die Unterlegene war. Sie stürzte mit geballten Fäusten auf ihn zu, aber seine sehnigen Hände umklammerten ihre Arme und hielten sie fest.
»Mich legt man nicht so schnell aufs Kreuz wie André«, sagte er. »Ich habe auch keinen Bruder, der ein haltloser Lump war und die richtige Partnerin fand. Ich habe auch keine Frau, die ich liebe und auf die ich Rücksicht nehmen müsste, und keine Mutter, von der ich nicht weiß, auf wessen Seite sie steht. Und auch keinen Vater, für den ich zum Verbrecher werden würde! Meinen Sie, Laila Clifford, dass Sie Ihren Vater mit Verbrechen vor dem Ruin retten können?«
»Sie Narr!«, schrie Laila. »Sie hätten ein reicher Mann werden können und André auch. Wir alle wären reich und was würde es Karl Herzog schon schaden, wenn er ein paar Millionen weniger hätte?«
»Ich möchte lieber ein ehrlicher Mann bleiben«, sagte Poldi kalt. »So begehrenswert sind Sie nun auch wieder nicht, dass ich mich für Sie ruiniere, wie Bob es getan hat. Dieser Dummkopf. Warum bringt er sich um, anstatt Farbe zu bekennen?«
Er schleuderte sie von sich, griff nach seiner Jacke, die über einem Stuhl hing, und ging zur Tür.
»Einen Trost kann ich Ihnen noch geben, Laila«, sagte er ruhig. »André würde mir die Formel nicht geben, wenn er sie wirklich hat. Und auch keinem anderen als dem, dem er sie vorenthalten hat. Er würde eher sterben.«
»Wenn er doch sterben würde!«, schrie sie gellend. »Wenn er mir wenigstens diesen Gefallen täte.«
Der Sinn dieser Worte sollte Poldi allerdings erst viel später aufgehen. Er wollte nur weg, an die frische Luft