Von Goltz sehen wir wenig, da er fast immer zu Kaisers eingeladen ist. Der Kaiserin sind wir vorgestellt und damit ist’s nun gut. Sie reist bald ab und Goltz wohl auch. Ich hoffe, wir werden dann Savignys viel sehn, die gestern eingetroffen und recht angenehm sind. Wenn ich nur wieder erst ein bisschen mehr Athem habe, so wollen wir zusammen verschiedene Partien machen, wozu ich mich recht freue. Jetzt kann ich nur bis an den Strand hinunter oder mühsam einen kleinen Felsenhügel hinauf, um mich von der Seeluft durchwehen und stärken zu lassen – Gott gebe doch mit Erfolg! – Ich war in den ersten Tagen hier schrecklich verzagt, weil ich mich unbeschreiblich elend fühlte und mir einige Vorwürfe machte, dem armen Bismarck so viel zu kosten ohne jegliche Hoffnung auf Hilfe.
Er ist heute zum Frühstück bei Ihro Majestät – schon seit drei Stunden dort. Ich finde höchst liebenswürdig und rücksichtsvoll, daß sie uns beide nicht befohlen; hoffe sie wirds auch nie thun. Die kaiserliche Villa liegt unserer höchst reizenden Wohnung gegenüber, hart am Strande, und wer gute Augen hätte, könnte die Frühstücksgesellschaft im Pavillon unaufhörlich beobachten … Grüßen Sie alles Liebe, was Ihnen in den Weg kommt, vor allen natürlich Lulu36 sehr … Marie und Bismarck grüßen viel und Letzterer läßt Ihnen sagen, er schwelgte in dem ungewohnten Genuß, keine Briefe zu bekommen.
Biarrits, den 14. Oktober.
… Jetzt ist der Hof abgereist, Goltz natürlich hinterher, auch Radowitz, der bei näherer Bekanntschaft recht gewinnt. So sind wir nun jeglicher gêne los und leben wie daheim, nur mit Savignys, sonst mit keinem. Mariechen hat sich noch eine russische Freundschaft besorgt, siebzehnjährig und ganz niedlich. Uns fehlt also gottlob nichts wie schönes Wetter, aber da das in Biarrits maßgebender ist wie sonst irgendwo, so fangen wir an, etwas katzenjämmerlich die Häupter hängen zu lassen über den dritten Regentag. Kalt ist es zwar immer noch nicht, im Gegentheil weht ein Zephir wie laues Wässerlein, aber der Regen ist zu schlimm hier und verstimmt uns ziemlich. Bismarck ist sehr einverstanden mit Ihrer Reise nach Schleswig – nur möchten Sie vorsichtig zu Werke gehn, bittet er, damit der Friedländer37 nicht gereizt werde, wozu er ja, wie Sie wissen, große Anlage hat, und ihn deßhalb auf Ihre Hinkunft in geeigneter Weise vorbereiten, ihm die Sache plausibel zu machen, so nett wie möglich. – Die Jagd bei dem Lauenburger Bernstorff Güldensteen tentiert Bismarck sehr und er hofft sicher, der liebenswürdigen Einladung im November folgen zu können, was Sie dem freundlichen Granden wohl gütig gelegentlich sagen, mündlich oder schriftlich. Von Reinfeld habe ich gute Nachricht – gottlob –, aber es friert gründlich dort und man heizt alle Zimmer … Ich möchte den einsamen Jungen gern einige Weintrauben zukommen lassen. Vielleicht ahnt der staatsministerielle Gärtner eine Traubenquelle in Potsdam, aus der man einen kleinen Kanal nach Reinfeld abzweigen könnte – wöchentlich für 1 Thaler; wenn Sie die große Güte hätten, dies zu besorgen, lieber Herr von Keudell, so würden Sie mir eine große Freude machen.
… Bismarck hat 10-mal gebadet und es geht ihm gottlob sehr wohl. Ich könnte sehr viel besser sein und es scheint mir fast, als sei ich in Homburg viel wohler gewesen. Aber die Vergangenheit ist ja immer rosig freundlich – so mag ich mich ja wohl täuschen … Grüßen Sie alle Freundschaft die Ihnen vielleicht begegnet …
Biarrits, 24. Oktober.
… Leider bleibt Biarrits nicht ohne Wolkenschatten – sowohl äußere als innere. Wir haben wunderschöne Tage gehabt und bei 21 Grad Wärme im Schatten eine Partie nach St. Jean de Luce gemacht – reizende Fahrt zwischen dem Meer und den Pyrenäen. Auch sonst hatten wir wohl schöne Tage und Stunden, aber doch viel Regen dazwischen, fast täglich. Und wenn der Himmel grau darein scheint, so macht das den Menschen melancholisch, mich wenigstens, die ich von je her ziemlich wetterlaunisch war. Wenn nun noch dazu der Athem fehlt und man bei jedem kleinen Hügel in keuchenden Zustand geräth, so kann man hier nicht sehr glücklich sein und sehnt sich zurück ins eigene Nest. Das sollte man eigentlich gar nicht verlassen, wenn man sich elend fühlt. Meine Hauptfreude sind die guten Briefe von Reinfeld und Bismarcks Wohlbefinden; gottlob er ist wieder recht gestärkt und erfrischt durch Bäder und Luft … Sehnsucht nach Menschenamüsement hatten wir nicht, da unsre Zeit ganz ausgefüllt war, im Zimmer mit Schreiben und Lesen, draußen – was wir doch so viel wie möglich genossen – mit Anschauen des Meeres und des köstlichen Gebirges, welches ja immer neu ist und immer lieber wird, je öfter man es betrachtet mit seiner wechselnden Farbenpracht.
… Savignys waren vierzehn Tage hier, sehr angenehm, wie immer; seit vorgestern sind sie fort. Orloffs sind nicht gekommen, weil sie aus Angst vor der Cholera Frankreich meiden und an englischer Küste baden wollten. Wir haben das etwas übelgenommen und mucken jetzt mit ihnen …
Ueber Friedland38 hat Bismarck viel an Thile geschrieben, der Ihnen wohl weitere Mittheilung machen wird. Bismarck gab mir den Brief von Thile zu lesen, der mir so sehr gefiel in seinem urgemüthvollen Ton, daß ich ihn noch um 20 Grad wärmer liebe wie schon bisher. Was ist’s doch für eine Freude, wenn man unter der Masse gleichgültiger, langweiliger, falscher Kreaturen einem solchen Menschen begegnet mit so kerngesundem Herzen und so aufrichtig treuer Gesinnung. Bitte, grüßen Sie sehr herzlich ihn, auch Lulu, Loeper und Wolff39, wenn Sie sie sehen …
Biarrits, 29. Oktober 65.
Nun heißt’s „Biarrits ade!“ und Mariechen fügt in großen Mollakkorden hinzu „Scheiden thut weh“. Sie wäre so maßlos glücklich hier, daß sie Homburgs nie mehr gedachte, und hätte ich einen Funken Lust empfunden, den Winter hier zu bleiben, sie wäre mit Wonne dazu bereit gewesen. Ich aber bin glücklich bei dem Gedanken an die Heimkehr und segelte am liebsten ohne Aufenthalt fort und fort, um so bald wie möglich zu Hause zu sein …
Gestern und vorgestern hat’s noch gewaltig gestürmt, so daß die Fenster klirrten und man oft fürchten konnte, mit dem ganzen Hause ins Meer gestürzt zu werden. Und am Morgen war dies aufgeregte Meer, so weit man sehen konnte, wie eine weiße Schneefläche – und wenn der Schaum haushoch (nicht Redensart, sondern Wahrheit) aufspritzte, so schillerte er im hellen Sonnenschein in vielen Regenbogenfarben, und wenn er niederfiel, so jagte ihn der Sturm in großen Flocken wie weiße Tauben weit ins Land hinein. Sie können sich keine Vorstellung machen von dieser Pracht, von der man ganz überwältigt wurde. Und von dem Anblick konnte man sich gar nicht trennen, obgleich man so zerweht und zerzaust wurde, daß man zuletzt frappante Aehnlichkeit mit den Blocksbergbewohnern hatte.
… Uebermorgen nehmen wir nun Abschied von diesem Wunderland, wie Moritz40 es nennt, und gehen mit kleinem Umweg über Pau nach Paris … Bismarck grüßt und wird von Paris über die Zeit der Ankunft in Berlin telegraphieren lassen.“
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Auf holsteinischem Boden sollten nun zum zweiten Mal scheinbar unbedeutende Vorgänge den verhängnisvollen Konflikt vorbereiten.
In Salzburg hatte Graf Moritz Esterhazy geäußert, nach der Gasteiner Konvention könne der Erbprinz von Augustenburg natürlich nur als Privatmann sich in Schleswig-Holstein aufhalten. Manteuffel konnte daher berichten, daß der Gouverneur, Feldmarschallleutnant Freiherr von Gablenz, demselben in Kiel eine entsprechende mündliche Mitteilung gemacht und ihm die königliche Loge im Theater entzogen habe, um sie sich als dem Vertreter des Landesherrn vorzubehalten. Er verbot auch den Zeitungen, ihn als Herzog Friedrich VIII. zu bezeichnen, mahnte sie zur Mäßigung bei Besprechungen der preußischen Politik und warnte gelegentlich vor irgendwelchen öffentlichen Demonstrationen gegen die bestehende Landeshoheit der verbündeten Monarchen. Die sogenannte „herzogliche Landesregierung“ aber, das Kollegium augustenburgischer Beamten, ließ er bestehen und in der bisherigen Weise verwalten, so daß die Zustände im Wesentlichen unverändert blieben. Die Bevölkerung erholte sich bald von dem Schrecken der Gasteiner Konvention und fuhr fort, auf dereinstige Einsetzung des Herzogs durch Oesterreich und den Bund zu hoffen.
Mit Manteuffel trat Gablenz in kameradschaftlichen Verkehr. Mehrere Wochen blieben sie in leidlichem Einvernehmen. Dann aber wurden bei Gelegenheit einer Reise der Frau Erbprinzessin von Altona nach Kiel auf allen Bahnhöfen