„Ich kaufe Ihnen gleich morgen einen Neuen“, bot er großzügig an, doch sie winkte ab.
„Das ist nicht wie mein eigener. Und was wollen Sie dann mit einem Zweitwagen, wenn ich mir einen neuen gekauft habe?“
„Sie könnten mir das Geld in monatlichen Raten abzahlen.“
„Kevin! Man könnte ja fast meinen, Sie wären eifersüchtig auf George Felton, dass Sie mich so vehement von ihm fernhalten wollen. Nun sagen Sie ihm schon, dass wir noch kommen. Oder soll ich das selbst tun?“
McBride zog erneut eine Grimasse und sprach dann kurz mit dem Gutsherrn. Anschließend griff er nach seiner Jacke und den Schlüsseln für den Landrover.
„Es gefällt mir nicht, aber Sie müssen wissen, was Sie tun, Maggie“, bemerkte er abschließend.
8
Felton begrüßte Maggie fast überschwänglich. „Wie schön, Sie zu sehen, meine Liebe. Ich hoffe, Sie haben sich etwas erholt. Kommen Sie, ich lade Sie zu einem besonders guten Tee ein. Doktor, Sie finden den Weg zu Dalrina sicher allein. Sinclair ist bei ihr, er kann Ihnen alles sagen, was wichtig ist.“
Kevin fühlte sich ausgegrenzt und abgeschoben, und seiner Miene war das deutlich anzusehen. Doch Maggie lächelte ihn bittend an, und so machte er gute Miene zum bösen Spiel.
Er begutachtete widerwillig die Stute, die leicht erhöhte Temperatur hatte, was bei ihrem Alter und infolge der Geburt nicht ungewöhnlich war, wie mit Sicherheit auch George Felton wusste. Außerdem hatte Sinclair, der tüchtige Stallmeister schon alles getan, was nötig war. Das Fohlen sah gut aus, und McBride war ziemlich sicher, dass es ein prächtiges Tier werden würde.
Sinclair schien besondere Befehle zu haben, auf jeden Fall hielt er den Tierarzt mit einer Unmenge unwichtiger Fragen davon ab, rasch wieder ins Herrenhaus zu gehen und Maggie abzuholen. Bis McBride schließlich der Kragen platzte.
„Ich denke, Mister Sinclair, dass meine Anwesenheit hier nicht mehr vonnöten ist. Sie haben ja alles hervorragend im Griff, und meine Zeit ist knapp bemessen. Wenn Sie mich jetzt also bitte entschuldigen wollen, ich hole nur noch meine Assistentin ab, dann muss ich weiter.“
Sinclair kratzte sich verlegen am Kopf, und Kevin musste plötzlich grinsen.
„Sie können Ihrem Chef ausrichten, dass Sie Ihre Arbeit bestens ausgeführt haben. Womit ich auch meine, dass Sie mich über Gebühr aufgehalten haben.“
Ein erleichtertes und verlegenes Lächeln malte sich auf dem Gesicht des Stallmeisters. „Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, Sir. Mister Felton wünschte, mit Miss Maggie etwas allein zu sein. Aber nun haben Sie das ja von allein erkannt, da muss ich Sie nicht mehr aufhalten. Und für eine Tasse Tee hat es allemal gereicht.“
„Ja, ganz bestimmt“, knurrte McBride. „Sie sind ein loyaler Mann, Sinclair, Felton sollte sich glücklich schätzen. Wenn Sie hier mal nicht mehr zufrieden sind, sagen Sie Bescheid, ich habe bestimmt Arbeit für Sie.“
Der Stallmeister tippte sich an die Mütze. „Pferde sind mein Leben, Sir. Ich bin ganz zufrieden.“
„Nun gut“, erwiderte der Tierarzt und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich werde jetzt jedenfalls Miss Maggie abholen. Einen schönen Abend noch.“
Mit schweren Schritten stapfte er zum Haus hinüber.
9
Maggie wurde in einen geschmackvoll eingerichteten Salon geführt, wo bereits alles für eine gemütliche Teestunde vorbereitet war. Auf einem Tisch standen Tabletts mit Silbergeschirr und appetitlich angerichteten Toastscheiben und Keksen. Sie fühlte sich etwas beklommen und wäre viel lieber draußen im Stall bei Kevin geblieben. Das hier war nicht ihre Welt.
„Bitte, meine Liebe, nehmen Sie Platz, ich habe extra für Sie einen Lapsang Souchong aufgießen lassen. Den genießen wir am besten zu zweit.“
„Ich bin mir der Ehre wohl bewusst“, sagte die Tierärztin etwas gestelzt. Sie wusste einfach nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir einen Wagen leihen wollen, Mister Felton, doch ich weiß nicht recht...“
„Nennen Sie mich doch George“, bat er weich. „Wir arbeiten schon eine Weile zusammen, und das wird sicher auch noch so bleiben.“
Maggie wurde regelrecht mulmig zumute. Was wollte dieser Mann von ihr? Sollte das etwa ein Annäherungsversuch sein? Sie war doch keine Frau für ein kurzes Abenteuer! Außerdem füllte ihre Arbeit sie so sehr aus, dass sie an einen Mann fürs Leben noch keinen Gedanken verschwendet hatte. Und Felton war schon gar nicht ihr Typ, wenn sie so etwas überhaupt hatte.
Der Gutsherr versuchte nun sie auszufragen, ihre Hobbys und Vorlieben, ihre Familie, und Maggie antwortete ausweichend. Als das Telefon plötzlich klingelte, atmete sie regelrecht auf. Diese Situation gefiel ihr nicht.
„Sehen Sie sich ruhig um, wenn Sie möchten. Da nebenan ist meine Bibliothek, die wird Ihnen gefallen“, meinte Felton und ging hinaus.
Maggie schaute sich um, dieser Salon gefiel ihr nicht besonders, zartrosa, Silber und weiß waren die vorherrschenden Farben, selbst bei den Tapeten. Neugier erfasste sie, und sie öffnete die Tür zum Nebenraum. Ja, das gefiel ihr wirklich. Ein achteckiger Raum tat sich vor ihr auf. Riesige Regale bis unter die Decke, vollgepackt mit Büchern, ein großer gemütlicher Kamin, dicke schwere Sessel, in denen man bequem schmökern konnte. Das traf ihren Geschmack voll und ganz.
Aber dann wurde ihre Aufmerksamkeit gefesselt. Auf einem kleinen Tisch stand ein Schachspiel. Aber drei Figuren fehlten. Und alle diese Figuren passten zu dem Turm, den sie in der Tasche trug. Warum sie ihn eingesteckt hatte, hätte sie nicht zu sagen gewusst, doch sie nahm den anderen Turm vom Brett und verglich ihn mit ihrem eigenen. Das war mehr als merkwürdig, und viele ungelöste Fragen drängten sich ihr auf.
Sie stellte rasch fest, dass die weiße Dame und der schwarze Turm ebenfalls fehlten.
Was hatte es damit auf sich?
Die schwarzen Figuren waren aus Ebenholz, und das Brett war ebenfalls aus Ebenholz und Elfenbein gearbeitet, mit kostbaren Intarsien aus Gold. Allein dieses Ensemble musste ein Vermögen wert sein, schoss es der jungen Frau durch den Kopf.
Aber warum hatte der Fremde die Figur besessen und sie ihr in die Hand gedrückt?
Was hatte George Feltons Freundlichkeit zu bedeuten? Hing das vielleicht mit der Figur zusammen, von der er eigentlich gar nicht wissen konnte, dass sie sich in ihrem Besitz