„Da haben Sie schon recht, Sir, diese Karre wird nicht mehr fahren“, meinte Sinclair etwas abfällig. „Gott sei Dank ist ihr nichts passiert. Ich denke, wir sollten jetzt die Polizei verständigen.“
Er blickte auf Felton, der den toten Mann nachdenklich musterte. „Kannten Sie ihn?“, fragte er dann.
„Nein - nein, er erinnert mich nur an jemanden, den ich einmal kannte. Vor langer, sehr langer Zeit“, murmelte der Gutsherr. „Sie haben recht, Sinclair, hier können wir nichts mehr tun.“ Mit einer fast unbewussten Geste schloss er dem toten Mann die Augen und wandte sich ab.
„Dalrina muss jetzt schon gefohlt haben. Hoffentlich ist die Kleine allein damit fertig geworden“, gab Sinclair zu bedenken.
„Die Kleine ist Tierärztin, und McBride spricht in höchsten Tönen von ihr“, erwiderte Felton ungewohnt scharf. „Sie wird meine Stute schon richtig behandeln, da bin ich sicher.“
Sinclair kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Sie war in keinem guten Zustand. Machen Sie sich da gar keine Sorgen?“
„Meinen Sie Maggie O'Connor oder das Pferd?“, fragte Felton leicht amüsiert.
„Wenn Sie mich so fragen - beide, Sir.“
Felton lachte kurz auf. „Ich wüsste mir für die junge Frau keine bessere Medizin als harte Arbeit in dieser Situation. Sie werden sehen, Sinclair, wenn wir zurückkommen, werden wir die beiden mit dem neuen Fohlen gesund und munter vorfinden. Und jetzt sollten wir wirklich losfahren und die Polizei verständigen. Hier gibt es für uns nichts mehr zu tun. Außerdem sollten wir dafür sorgen, dass der Wagen abgeschleppt wird. Mit diesen Überbleibseln wird Miss O'Connor jedenfalls nie wieder fahren. Ich werde ihr den kleinen Mini zur Verfügung stellen, bis sie einen neuen Wagen hat.“
„Sie sind sehr großzügig, Sir“, stellte Sinclair fest.
„Nein, eigentlich nicht. Auf diese Weise kann ich sie mir etwas verpflichten. Vielleicht sieht sie in mir dann auch mal den netten Menschen.“
„Haben Sie etwa Absichten auf die junge Frau?“, erkundigte sich der Stallmeister verwundert, und Felton grinste etwas verlegen.
„Meine Tante stellte neulich fest, dass es für mich dringend an der Zeit wäre zu heiraten. Und eine Tierärztin, die gut aussieht und aus einer ordentlichen Familie stammt, wäre doch sicher nicht die schlechteste Wahl.“
„Sagen Sie das Miss Maggie, aber vorsichtig. Und denken Sie daran, dass sie vielleicht auch Gefühle sucht.“
„Ach, Unsinn, Liebe kommt von allein. Und außerdem mag ich sie doch, was kann sie mehr wollen?“
„Wenn Sie sich nur nicht täuschen“, murmelte Sinclair so leise, dass sein Chef ihn nicht mehr verstand.
4
Maggie hatte, ohne es richtig wahrzunehmen, festgestellt, dass sie von dem Unbekannten eine kleine Schachfigur bekommen hatte, einen Turm. Ohne weiter darüber nachzudenken, steckte sie das Teil in ihre Hosentasche. Ihr fiel nicht einmal auf, dass es sich um ein besonderes Stück handelte, sie wollte und konnte darüber jetzt nicht nachdenken.
Dalrina, die Stute, stand in ihrer Box und trampelte unruhig auf und ab. Ihr gewölbter Leib war schweißig und bebte. Die Geburt stand auf jeden Fall kurz bevor. Maggie streifte die Aufregung der letzten Stunde ab, hier war sie in ihrem Element. Das Tier brauchte sie, alles andere war unwichtig.
Maggie näherte sich der Stute behutsam und sprach beruhigend auf sie ein. Ihre Hände glitten über das Tier, das angstvoll schnaubte, und untersuchten den Leib fachkundig. Eigentlich sollte es keine Probleme geben, doch Dalrina war nicht mehr die Jüngste.
Die Stute legte sich nun hin, es ging los. In Wellen glitten die Wehen über den Leib des Tieres, und bald darauf waren schon Kopf und Vorderbeine des Fohlens zu sehen. Maggie kauerte neben dem angestrengten Tier im duftenden Stroh und sah nicht zum ersten Mal das Wunder einer Geburt.
Es dauerte nicht lange, dann war alles vorbei, ein Hengstfohlen stand etwas wackelig auf, aber bei Dalrina dauerte es etwas länger. Dann jedoch begann sie das Kleine gründlich abzulecken, und das Fohlen suchte eifrig und hungrig nach Milch. Maggie half ein bisschen bei der Säuberung, indem sie den Körper des Tieres mit Stroh abrieb und dann sanft den Kopf in die richtige Richtung stupste. Schließlich waren sie alle drei zufrieden.
Maggie nahm das Kleine in die Arme, argwöhnisch beäugt von der Mutter, und schlief ganz einfach ein.
5
Der Constable kam lautstark in den Stall gepoltert, indem er die Tür wenig zartfühlend zuknallen ließ. Maggie schreckte auf, und ein verlegenes Lächeln malte sich auf ihrem Gesicht. In ihren Haaren lag Stroh, und eine warme Röte zog über ihre Wangen.
„Oh, entschuldigen Sie, ich muss wohl eingenickt sein.“
„Sie sehen im Schlaf sehr hübsch aus“, bemerkte George Felton, der den Polizisten begleitete. Die Tierärztin bekam nun vollends einen roten Kopf und schaute hastig nach der Stute und dem Fohlen.
Der Constable räusperte sich. „Mister Felton, Sie haben den Unfall gemeldet?“
Der nickte.
„Nun Sir, ich habe Scotland Yard verständigen müssen. Der Tote im Wagen hat eine Schusswunde, wie ich mittlerweile festgestellt habe. Ist das Ihr Wagen, Miss O’Connor?“
„Sie kennen ihn so gut wie ich selbst, Mulrooney. Warum fragen Sie?“ Maggie fühlte sich unbehaglich, weil der Constable, der sonst ein freundlicher und leutseliger Mann war, jetzt so förmlich wurde.
„Haben Sie den Mann erschossen?“
„Natürlich nicht. Ich hatte ihn als Anhalter mitgenommen. Von einer Schusswunde habe ich nichts bemerkt.“
Maggie schwankte plötzlich und wurde leichenblass. „Ich - ich dachte, er hätte vielleicht vorher einen Unfall gehabt, deswegen wollte ich ihn hierherbringen, damit er Hilfe bekam. Ich - ich habe doch nicht gewusst...“ Sie brach ab und machte eine hilflose Geste mit der Hand.
Erneut öffnete sich die Tür, und Kevin McBride kam hereingestürzt, dicht gefolgt von Sinclair.
„Maggie, wie geht es Ihnen? Ist alles in Ordnung? Sind Sie verletzt?“
Er