„Kommen Sie, helfen Sie mir ein bisschen, während ich Sie auf die Füße bringe, ich packe Sie in mein Auto", sagte die junge Frau. „Sind Sie verletzt? Können Sie sich bewegen? Wenn ja, dann kommen Sie doch hoch, allein schaffe ich es nicht. Was machen Sie überhaupt hier draußen? Wie kommen Sie hierher?" Sie erwartete nicht wirklich eine Antwort, er war noch gar nicht wieder bei sich, aber sie wollte mit den Worten auch sich selbst beruhigen.
Der Mann stöhnte erneut auf und regte sich. Es dauerte eine ganze Weile, bis Maggie es geschafft hatte, den Mann in ihr kleines Auto zu wuchten. Er schien noch immer nicht ganz bei sich zu sein, und die Tierärztin gab Gas. Sie hatte das Gefühl, sich beeilen zu müssen, um dem Mann helfen zu können.
Die Straße war in schlechtem Zustand, und bei jedem Schlagloch stöhnte der unbekannte Passagier auf. Von hinten tauchten plötzlich zwei Scheinwerfer auf und näherten sich schnell. Maggie hielt sich bewusst so weit links, wie es ihr möglich war, falls der andere überholen wollte. Doch der Wagen blieb beständig hinter ihr. Der Mann neben Maggie kam plötzlich zu sich. Er schaute etwas verwirrt umher, bis er die Sachlage begriff, dann bemerkte er den Wagen hinter ihnen.
„Suchen Sie einen Ausweg“, sagte er gepresst.
„Was?“, fragte Maggie verständnislos.
„Sie müssen den Wagen loswerden.“
„Unsinn, das wird einer der Gutsherren sein, die hier in der Nähe wohnen. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Können Sie mir jetzt sagen was Ihnen passiert ist?“
„Bitte, versuchen Sie zu entkommen“, beharrte der Mann.
Maggie hatte ohnehin vor, den Weg nach Clarion Manors einzuschlagen, und so bog sie an der nächsten Abzweigung nach links ab. Die sie verfolgenden Scheinwerfer verschwanden, doch wenig später tauchten sie wieder auf und rückten näher.
Es waren wohl noch zwei Meilen bis Clarion Manors, und Maggie hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Sie gab Gas, soweit es der Wagen noch hergab. Doch es war auf jeden Fall zu wenig. Von hinten gab es plötzlich einen heftigen Ruck, und die Tierärztin verlor die Gewalt über den Wagen. Sie kam ins Schleudern und fuhr in den Graben, der Wagen überschlug sich.
Irgendwann kam er zum Stillstand. Maggie spürte jeden Knochen im Körper und wünschte sich in ihr Bett.
Eine Hand schob sich in die ihre und drückte etwas hinein.
Ihr Blick fiel auf den Verletzten, dann entfuhr ihr ein heftiger Fluch.
2
George Felton stammte in gerader Linie seit Jahrhunderten von den Herren von Clarion Manors ab. Er selbst hatte nach eine ordentliche Banklehre gemacht und durch ein paar gewagte Spekulationen ein kleines Vermögen erworben. Das hatte er mit viel Geschick und Geschmack in Clarion Manors investiert. Sein Herz hing an dem Anwesen, was nur wenige wussten, und seine große Leidenschaft waren die Pferde. Und so hatte viel Geld in die Grundlage eines Gestütes gesteckt.
Er war zwar hier oben in Schottland weit ab von den großen Gestüten, die das Land bestimmten, doch einige der Tiere, die Felton besaß, hatten in der Fachwelt einen hervorragenden Ruf. Mittlerweile war Clarion Manors fast zu einer Pilgerstätte für Pferdezüchter geworden.
In letzter Zeit hatte ihn das Pech bei den Stuten verfolgt, aber andererseits standen zwei vielversprechende Dreijährige in seinen Stallungen. Und außerdem gab es da Dalrina, eine hochprämierte, wenn auch schon ältere Stute, die noch an diesem Abend fohlen würde.
Felton war schon den ganzen Tag unruhig hin und her gelaufen, hatte immer wieder den Stall aufgesucht und mit seiner Unruhe den Stallmeister Michael Sinclair schier an den Rand der Verzweiflung gebracht.
Doch jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und Felton überlegte, ob er noch vorher den Tierarzt anrufen sollte. Kurz entschlossen wählte er die Nummer von McBride. Es waren keine Komplikationen zu befürchten, doch Felton wollte kein Risiko eingehen. Knapp zehn Minuten später klingelte es an der Haustür, und zu seinem Erstaunen erkannte Felton Maggie O’Connor.
„Du lieber Himmel, sind Sie hergeflogen?“, entfuhr es ihm.
Aber Maggie starrte ihn nur mit schreckerfüllten Augen an. Sie taumelte mehr als sie ging, in seine Arme, und er fing sie auf, ohne nachzudenken, wobei er automatisch registrierte, dass ihr weicher, nachgiebiger Körper sehr wohl mit weiblichen Rundungen ausgestattet war. Doch das war im Augenblick nebensächlich.
„Du lieber Himmel, was ist los?“, fragte er entsetzt, denn er spürte sehr wohl, dass sie nicht in ihrer Eigenschaft als Tierärztin hier war.
„Da draußen - mein Auto“, stammelte sie. „Unfall - ein Mann - Beifahrer.“
Felton starrte sie kopfschüttelnd an. Ein Unfall? Das war hier äußerst selten, denn die Menschen nahmen Rücksicht aufeinander. Und gerade die beiden Tierärzte kannten hier jeden Weg und jeden Stein. Ein Unfall war äußerst merkwürdig.
Doch er stellte keine weiteren Fragen. Maggie stand eindeutig unter einem Schock, und es schien noch jemand im Wagen zu sein, der Hilfe brauchte, wenn er ihre Worte richtig interpretierte.
Felton ging vor die Haustür.
„Sinclair“, brüllte er in Richtung der Stallungen, und wenig später tauchte der Stallmeister schweratmend wie nach einem hastigen Lauf auf.
„Ich kann jetzt nicht, Sir“, brüllte der ebenso zurück. „Dalrina ist jeden Augenblick soweit.“
Felton zog Maggie am Arm mit sich und schlug den Weg zu den Ställen ein.
„Gehen Sie und kümmern Sie sich um die Stute, sie braucht Ihre Hilfe“, befahl er ziemlich barsch, um durch den Schock zu dringen. „Sinclair, Sie kommen mit mir. Miss O’Connor hatte einen Unfall.“
Maggie hatte diesem Befehlston wenig entgegenzusetzen. Im Grunde war sie froh, dass jemand das Kommando übernahm.
Ihre Hand umklammerte noch immer den Gegenstand, den der Sterbende ihr im Auto gegeben hatte. Bisher hatte sie nicht nachgesehen, um was es sich handelte, und auch jetzt steckte sie das Teil unbeachtet in die Tasche. Es war ihr jetzt im Moment völlig egal.
Noch immer etwas taumelnd ging sie in den Stall, wo sie gleich zu Dalrina lief, deren schwerster Moment kurz bevorstand. Der Notfall machte ihre eigenen Probleme nebensächlich.
Felton machte sich auf den Weg zur Garage, und Sinclair folgte ihm auf dem Fuße, nicht jedoch ohne vorher protestiert zu haben, was Felton aber mit einem Befehl ignorierte. Es musste sich um etwas sehr Dringendes handeln, wenn Felton die sündhaft teure Stute allein ließ.
3