Rasch steckte sie ihn wieder ein, gerade rechtzeitig, denn der Gutsherr kam herein.
„Ich sehe, Sie bewundern ein Schmuckstück des Hauses. Dieses Schachspiel gehörte angeblich zur Mitgift Königin Isabellas, als sie die Gattin König Edwards I wurde. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber zumindest ist es eine schöne Geschichte. Und der Wert ist auf jeden Fall unschätzbar, oder wäre es, wenn nicht drei Figuren fehlten. Es ist sehr bedauerlich.“
„Ein wirklich schönes Stück“, stimmte Maggie etwas beklommen zu. Die Rätsel schienen immer mehr zu werden. Wie eine Erlösung schien es ihr, als der Butler jetzt Kevin McBride hereinführte.
„Ihre Stute wird in zwei bis drei Tagen wieder ganz in Ordnung sein“, erklärte er unterkühlt. „Maggie, sind Sie soweit? Ich denke, wir sollten nach Hause fahren, es war ein langer Tag.“
„Hier sind die Schlüssel für den Mini“, sagte Felton liebenswürdig zu ihr, ohne auf die Worte McBrides weiter einzugehen. „Benutzen Sie ihn, solange Sie wollen, Sie machen mir eine große Freude damit.“
Maggie war verlegen, und Kevin blickte ausgesprochen düster, doch er sprach kein Wort, auch nicht, als Felton galant die Hand der jungen Frau küsste. Später, zuhause, würde er sicher einiges dazu zu sagen haben, doch jetzt klemmte er sich wortlos hinter das Steuer seines Landrovers, Maggie folgte ihm mit dem kleinen, wendigen Flitzer.
10
Wie angewurzelt blieben die beiden stehen, nachdem Kevin auf den Lichtschalter gedrückt hatte. Ein wüstes Chaos bot sich ihren Augen dar.
Während ihrer Abwesenheit waren Einbrecher hier gewesen.
Sie hatten sehr gründlich gesucht, wonach auch immer. Besondere Wertgegenstände gab es in McBrides Haus nicht, vielleicht abgesehen von einigen Erstausgaben besonderer Bücher. Aber die lagen ebenso verstreut wie Kleidung und Praxisutensilien wild durcheinander auf dem Boden herum. Sogar die Polster von Sofa und Sesseln waren aufgeschnitten und herausgerissen.
„Vandalen“, quetschte McBride zornig durch die Zähne, machte auf dem Fuß kehrt und ging nach oben, wo es jedoch auch nicht anders aussah.
Maggie stand fassungslos da und verbiss sich die Tränen angesichts der sinnlosen Verwüstung. Dann aber überkam sie große Wut, doch gegen wen die sich richten sollte, war ihr nicht ganz klar. Also tat sie erst einmal das Naheliegende und rief die Polizei an, das Telefon war seltsamerweise nicht zerschnitten oder kaputt geschlagen worden.
Constable Mulrooney kam bald darauf. Er hatte bisher einen relativ ruhigen Posten innegehabt und konnte sich nicht erinnern, jemals innerhalb von zwei Tagen zweimal gerufen worden zu sein. Und immer hing es mit dieser verflixten Tierärztin zusammen. Die Frau sollte besser heiraten und eine große Familie bekommen. Dann würde es keine Schwierigkeiten mehr mit ihr geben, dachte er düster und nicht ganz logisch.
Er betrachtete das Chaos im ganzen Haus und stellte dann die Standardfragen. War das Haus verschlossen? Hatten sie jemanden gesehen? Was fehlte? Hatten sie einen Verdacht?
Kevin und Maggie antworteten müde auf die meisten Fragen. Und als Kevin erklärte, dass auf den ersten Blick nichts zu fehlen schien, runzelte Mulrooney die Stirn.
„Warum sollte jemand einbrechen und nichts mitnehmen?“, fragte er dann verständnislos.
„Vielleicht erklären Sie mir das, Constable“, erwiderte McBride scharf. „Es kann ja sein, dass diejenigen einfach nichts Besseres zu tun hatten. Sie sollten die Nachbarn befragen, ob die was gesehen oder gehört haben. Muss ich Ihnen vielleicht noch Ihre Arbeit erklären?“
„Immer eins nach dem anderen“, meinte Mulrooney mit einer Ruhe, die McBride in Rage brachte.
Aber im Grunde hatte der Polizist recht, jetzt würde Eile vermutlich auch nichts mehr nützen. Die Kerle, wer immer sie gewesen waren und was immer sie gesucht hatten, waren über alle Berge. Da das Haus etwas abseits von der Straße lag und häufig Autos hier hielten, würde vermutlich niemandem etwas aufgefallen sein.
McBride entschuldigte sich mit einer Handbewegung, er sah die Sinnlosigkeit seiner Vorwürfe ein.
„Können wir anfangen aufzuräumen?“, fragte er dann. „Oder müssen wir für diese Nacht ins Gasthaus? Das wäre allerdings nicht gut, wir wären in Notfällen nicht erreichbar.“
Mulrooney erklärte großzügig, dass sie ruhig aufräumen könnten, es schien sich hier wirklich nur um einen Fall von Vandalismus zu handeln, und er hoffte, dass McBride versichert war. Er würde morgen die Nachbarn befragen und dann das Protokoll für die Versicherung zur Verfügung stellen.
Er ging, und Maggie setzte sich inmitten der Unordnung auf den Boden.
„Der hat Nerven“, stellte sie trocken fest.
McBride suchte etwas herum, bis er zwei Gläser und eine seltsamerweise nicht zerstörte Whiskyflasche fand. Er schenkte für beide großzügig ein und reichte ihr ein Glas. „Trinken Sie, Maggie, und dann sollten wir uns ins Getümmel stürzen. Aber sagen Sie mir vorher noch, wo Sie den weißen Turm versteckt haben? Oder haben die den mitgenommen?“
Mit einem triumphierenden Lächeln zog sie die Figur aus der Tasche, doch dann wurde ihr Gesicht düster.
„Glauben Sie, das Chaos hat etwas mit der Schachfigur zu tun? Übrigens habe ich das ganze Spiel bei Felton gesehen, nicht ganz komplett, drei Figuren fehlen.“
Kevin seufzte auf, schüttelte kurz den Kopf und nickte dann. Maggie sah dieses merkwürdige Verhalten mit Befremden. Was sollte das denn nun?
Er ging in die Küche, und sie hörte ihn kramen, konnte jedoch akustisch nicht einordnen, was er tat. Gleich darauf kam er zurück.
„Ich weiß, dass Felton das Spiel besitzt, aber Sie und ich haben zwei der fehlenden Teile.“
Mit diesen Worten öffnete er seine Hand und zeigte Maggie einen schwarzen Turm. Sie sprang erregt auf.
„Was soll das heißen, Kevin?“
Er setzte sich ungerührt wieder und öffnete die Figur. „Hier befindet sich ebenfalls ein Zettel, und wenn wir beide zusammenlegen, werden wir wahrscheinlich feststellen, dass das bei Ihnen angefangene Spiel sich hier fortsetzt. Also fehlt noch die dritte Figur, um die komplette Partie zu haben.“
„Und dann, welchen Sinn soll das haben? Sie wissen doch mehr, als Sie mir bisher gesagt haben. Vielleicht sollten Sie mich ins Vertrauen ziehen, oder bin ich das nicht wert?“, stieß Maggie verstört hervor.
Kevin seufzte noch einmal. „Ich glaube, ich muss Ihnen eine Geschichte erzählen, Maggie. Und dann werden Sie vielleicht, ebenso wie ich, glauben, dass die Einbrecher nichts anderes als diese beiden Türme gesucht haben.“
Sie starrte ihn mit großen ungläubigen Augen an, während sie sich wieder auf den Boden zurücksinken ließ.
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