Gegen Abend kam ein Anruf von George Felton und brachte Maggie schlagartig wieder die Geschichte mit dem versteckten Goldschatz in Erinnerung. Ob Felton auch davon wusste? Ganz bestimmt.
Konnte sie ihn darauf ansprechen? Ganz bestimmt nicht. Mit welcher Begründung denn? Nun, vielleicht wollte einfach sie mal etwas neugierig sein.
Auf jeden Fall musste sie jetzt noch hinfahren, eines der Pferde schien eine Kolik zu haben.
Doch Sinclair würde bis dahin schon das Richtige tun, das Tier tränken und bewegen.
Kevin war noch unterwegs, und sie hinterließ ihm eine Nachricht.
Auf Clarion Manors wunderte sie sich dann auch nicht, dass sie den Stallmeister mit dem Pferd am Halter auf dem Hof antraf. Bewegung war auf jeden Fall sehr wichtig.
Felton kam ihr entgegen, als sie aus dem Wagen stieg.
„Ich glaube, es war gar nicht so schlimm“, lächelte er sie an. „Aber bei diesen teuren Tieren kann man ja gar nicht vorsichtig genug sein, das verstehen Sie sicher. Ich habe schon überlegt, einen Tierarzt hier ganz einzustellen.“
Dieser Wortschwall brachte Maggie fast in Rage, sie hatte ihre Zeit doch nicht gestohlen. Aber sie beherrschte sich. Felton war ein guter Kunde, und es würde wenig Sinn machen, ihn zu verärgern. Also lächelte sie unterkühlt.
„Ich werde mir das Tier auf jeden Fall ansehen, dafür bin ich ja hier.“
Es war so, wie Felton gesagt hatte, die Geräusche im Leib des Tieres klangen schon fast wieder normal, und Maggie mutmaßte, dass die kleine Unpässlichkeit nur als Vorwand gedient hatte.
Felton lud sie auch gleich darauf zu einem Tee ins Haus, und als er ihren besorgten Blick zur Uhr bemerkte, lachte er.
„Sie werden doch fünf Minuten Zeit für einen Tee haben, Maggie? Übrigens sehen Sie ziemlich gestresst aus. McBride nimmt Sie wohl hart ran, was? Vielleicht sollten Sie es sich überlegen, ganz bei mir auf dem Gestüt anzufangen. Sie sind sehr fähig, Maggie, solche Leute kann ich brauchen.“
Jetzt nur diplomatisch bleiben, beschwor sie sich selbst. Eigentlich mochte sie Felton, er war immer ein Gentleman ihr gegenüber, seine Art war gewinnend und sympathisch, und doch hatte sie plötzlich ein ungutes Gefühl.
Was, wenn dieser Mann aus ihr unbegreiflichen Gründen wusste, dass sie die Schachfigur hatte. Vielleicht war er nur drauf aus Vertrauen zu gewinnen und damit das Spiel um das Gold.
Sie schalt sich selbst eine dumme Pute. Er wollte vermutlich nichts weiter als ein bisschen freundlich sein und vielleicht noch zu günstigen Konditionen einen Tierarzt engagieren.
Maggie war noch nicht so lange im Beruf, dass sie große Ansprüche an einen Angestelltenvertrag stellen konnte. Ja, genau das musste es sein.
Also lächelte sie freundlich und erklärte: „Ich fühle mich wohl bei Doktor McBride. Er bürdet mir wirklich nicht zuviel auf. Er verlangt nichts, was er nicht selbst auch zu tun bereit wäre. Es ist ganz einfach viel Arbeit für uns beide. Ich glaube auch nicht, dass es zu diesem Zeitpunkt gut für mich wäre, wenn ich meine Stelle bei Doktor McBride aufgeben würde. Ich lerne immer noch sehr viel von ihm.“
Felton grinste. „Das war eine äußerst diplomatische Antwort, Frau Doktor. Ich verstehe schon.“
Er reichte ihr eine Tasse Tee, und sie suchte nach einem unverfänglichen Gesprächsstoff. „Wie geht es dem Fohlen von Dalrina? Hat es schon einen Namen?“, wollte sie dann wissen.
„Es heißt Pendragon, nach seinem Vater Profi.“
„Ein beziehungsreicher Name“, stellte sie fest.
„Ich hoffe, dass er mal so gut wird wie sein Vater und so gut gebaut wie seine Mutter.“
„Fromme Wünsche“, spöttelte sie.
„Ich hätte da noch ein paar Wünsche“, sagte er plötzlich und schaute sie mit einem merkwürdigen Blick an.
„Haben wir die nicht alle?“ erwiderte sie leichthin und stellte die Tasse weg. „Ich muss wieder los. Einen schönen Abend noch, George.“
„Wollen Sie nicht noch nach Pendragon sehen?“, drängte er sanft, doch sie schüttelte den Kopf.
„Tut mir leid, beim nächsten Mal vielleicht.“
Dann stand sie oben auf der großen Freitreppe und wartete, dass Felton das Licht einschaltete, doch er stieß eine leise Verwünschung aus und bewegte mehrmals den Schalter, ohne dass etwas geschah. „Tut mir leid, irgendetwas stimmt da nicht“, sagte er erklärend und kam zu ihr, um sie die Treppe hinunter zu geleiten.
Maggie kam nie ganz dahinter, ob es Absicht war, oder ob er selbst stolperte. Auf jeden Fall bekam sie einen heftigen Stoß in den Rücken und segelte mit einem erstickten Aufschrei die ganze lange Treppe hinunter. Wie durch dicken Nebel in ihrem Kopf hörte sie Felton rufen.
„Maggie?!? Ist Ihnen etwas passiert? So antworten Sie doch! Sind Sie verletzt?“
Mühsam bewegte sie sich und stellte fest, dass ihre Knochen erbärmlich schmerzten und ihr Kopf wie ein Dampfhammer dröhnte. Sie griff sich an die Stirn, und ihre Finger waren blutig, als sie zurückzog.
Zwei kräftige Arme legten sich um sie und zogen sie sanft hoch.
„Können Sie aufstehen und laufen? So sagen Sie doch etwas. Oh, ich werde mir ewig Vorwürfe machen. Maggie, Sie bluten ja! Kommen Sie, lassen Sie mal sehen. Soll ich den Arzt rufen lassen?“
„Nein, nein, ich glaube, so schlimm ist es nicht“, murmelte sie noch immer benommen.
Widerstandslos ließ sie sich die Treppe wieder hinaufführen, wo wie durch ein Wunder das Licht wieder funktionierte.
„Rufen Sie bitte Kevin an“, bat Maggie, doch Felton winkte ab.
„Ganz sicher müssen wir Doktor McBride nicht beunruhigen. Sie bleiben heute Nacht ganz einfach hier. Ihre Verletzungen werden wir hoffentlich selbst versorgen können.“
„Rufen Sie Kevin an“, beharrte Maggie, und Felton tat seufzend, was sie verlangte.
Wenig später tauchte McBride auf, er musste regelrecht geflogen sein. Mit grimmigem Gesicht versorgte er Maggies Wunden, die sich zum Glück als nicht schwerwiegend erwiesen. Dabei sparte er nicht mit bissigen Kommentaren, die alles und jeden treffen konnten.
Felton blieb ganz ruhig dabei.
„Ich habe Miss Maggie angeboten, die Nacht hier zu verbringen. Wenn es Sie beruhigt, dann können Sie selbstverständlich ebenfalls bleiben, Doktor.“
Kevin überlegte kurz, dann nickte er.
Wenig später befand er sich in einem behaglich eingerichteten Gästezimmer, nur durch eine unverschlossene Verbindungstür von Maggie getrennt.
McBride lehnte es ab, mit Felton zusammen zu Abend zu essen, er wollte bei seiner Assistentin bleiben, die gar keinen Hunger hatte.
Der Abend verlief sehr schweigsam zwischen den beiden. Maggie lag auf dem Bett, und Kevin saß in einem Sessel daneben. Das Feuer prasselte im Kamin, denn selbst im Sommer wurde es abends empfindlich kühl.
„Sind Sie sehr müde?“, fragte er nach einer scheinbar unendlich langen Zeit.
Nur eine Stehlampe verbreitete noch mildes Licht, draußen waren die Sterne längst aufgegangen, und der Wind pfiff um das Gebäude. Dieser Zustand kam Maggies Ansichten von Romantik sehr nahe.
„Eigentlich nicht“, murmelte sie dann auf seine Frage. „Haben Sie noch irgendetwas vor?“
„Ich würde zu gerne in der Bibliothek ein bisschen Ausschau halten“, gestand er.
„Kevin!“ rief sie empört. „Sie sind Gast in diesem Haus,