Als wir aus dem Labyrinth wieder aufgetaucht waren, hatte er vor Glück und Freude fast geweint. Mit einem Schmunzeln war er dann jedoch zufrieden damit einverstanden gewesen, wie es plötzlich zwischen James und mir stand. Die Polizei war längst verständigt, Lord Reginald war nicht der Mann, der sich von einer Drohung durch Gordon McBride einschüchtern ließ.
Es erwies sich dann als nicht ganz einfach Inspector Hopkins die Sachlage klar zu machen, und wir verzichteten auch darauf, ihm etwas über die Geister zu erzählen. Selbst Gordon besaß genug Verstand, um dieses Thema nicht anzuschneiden. Ohnehin hätte ihm niemand geglaubt, stattdessen hätte man ihn vermutlich in die Psychiatrie eingewiesen.
Der Fall war auf jeden Fall geklärt, auch wenn der gute Inspector nicht die geringste Ahnung davon hatte, wie verzwickt und verwickelt sich die Sache tatsächlich gegeben hatte. Er würde es auch nie erfahren, und das war gut so.
Nicht nur bei der Polizei konnte die Sache zu den Akten gelegt werden.
Eines musste ich aber noch tun, es lag mir sehr am Herzen. Zusammen mit James fuhr ich in den Zoo. Zum einen wollte ich für ein paar Tage um Urlaub bitten, um mich zu erholen und während dieser Zeit den Professor besser kennenzulernen, zum anderen aber musste ich unbedingt noch einmal zu Sheena. Ein Gefühl sagte mir, dass diese übersinnliche Fähigkeit, die ich in ihrer Nähe verspürte, etwas mit den Vorfällen zuhause auf Rosemont Hall zu tun haben musste. War das jetzt wohl alles vorbei?
Die Gepardin lag entspannt auf der Seite in Gras und schaute mir mit einem Auge entgegen, während sie das andere geschlossen hielt. Behutsam streichelte ich ihr über das Fell und störte das Schnurren in dem schlanken eleganten Körper.
„Ich möchte dir danken, Sheena“, sagte ich leise. „Du hast mir etwas gegeben, was ich als Geschenk immer im Herzen bewahren werde. Die Fähigkeit, Kontakt mit anderen Wesen aufzunehmen ist etwas ganz besonderes.“
„Du lebst. Jetzt brauchst du das nicht mehr“, spürte ich ganz deutlich, dann brach diese Verbindung ab. Ich lächelte. Die Raubkatze und ich würden trotzdem immer Freunde bleiben. Auch wenn ich vermutlich niemals verstehen konnte, warum und wieso sich eine Katze in Geschehnisse einmischte, die schon so lange zurücklagen und sie eigentlich gar nichts angingen. Aber wollte ich das wirklich wissen? Wahrscheinlich nicht.
James berührte ebenfalls das Fell des Tieres, und Sheena streckte sich aus. Sie war zufrieden. Was konnten wir Menschen mehr wollen?
Daheim auf Rosemont Hall wurde erst heute ein Requiem abgehalten, wir hatten am darauffolgenden Tag darauf verzichtet, weil es einfach noch zuviel Unruhe gab
Jetzt jedoch standen wir alle in der kleinen Kapelle und gedachten derer, die so lange unruhig durch die Welt gegeistert waren. Unser Kaplan hatte keine großen Fragen gestellt, als wir ihm die Namen nannten, derer wir gedenken wollten. Er zelebrierte die Totenmesse mit Hingabe, und irgendwann spürte ich noch einmal den Duft der Rosen, und eine leichte verwehende Stimme in meinem Kopf.
„Haben Sie auf ewig Dank, Lady Jessica. Niemand kann mehr für einen anderen tun, als ihm einen ruhigen Tod zu ermöglichen.“ Dann war es vorbei, und James drückte meine Hand, als habe er ebenfalls ein solches Erlebnis gehabt. Vielleicht hatte er das wirklich. Wer wollte das schon sagen?
ENDE
Galopp in die Hölle
von Ann Murdoch
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Der Umfang dieses E-Book entspricht 91 Taschenbuchseiten.
Eine Frau zwischen zwei Männern und ein lange verschollener Goldschatz. Und welches Geheimnis verbirgt eine Schachfigur in diesem Zusammenhang? Nur wenn die richtigen Entscheidungen getroffen werden, kann alles zu einem glücklichen Ende kommen...
1
Feiner Nieselregen schlug gegen die Windschutzscheibe, und die altersschwachen Wischer gaben sich redlich Mühe, den feinen Wasserfilm beiseite zu schieben. Der Wind drückte von der Seite, und Maggie O'Connor hatte alle Mühe, den kleinen Wagen auf der Straße zu halten. Das Auto hatte schon bessere Tage gesehen, und Maggie wusste, dass sie vor dem Winter auf jeden Fall einen anderen Wagen finden musste. Immerhin besaß sie das Auto nun schon mehr als vier Jahre, und es hatte ihr während des Studiums zur Tierärztin gute Dienste geleistet.
Wie auch vor ungefähr einem halben Jahr, da sie ganz überraschend nach ihren Abschluss gleich eine Stelle in einer Praxis gefunden hatte. Kevin McBride, ihr Chef, hatte ihr schon mehrmals angeboten, ihr bei der Suche nach einem anderen Auto behilflich zu sein. Maggie hatte das bisher jedoch stets abgelehnt. Und das lag vielleicht ganz einfach an dem überlegenen Lächeln des Doktors.
Klar, er hatte diese Praxis seit vielen Jahren, war angesehen und verdiente gut. Was nicht hieß, dass er kein Herz hatte. Zu oft hatte Maggie schon bemerkt, dass McBride bei älteren oder armen Menschen die Rechnung einfach vergaß.
Aber jetzt dachte sie nur noch daran, möglichst schnell und heile nach Hause zu kommen. Sie hatte gerade eine Katze einschläfern müssen, und davor gab es zwei Schafe, die von wildernden Hunden gerissen worden waren. Alles in allem kein schöner Ausklang eines anstrengenden Tages.
Die Lichtfinger der Scheinwerfer stachen in die Dunkelheit, und erst im letzten Moment erkannte Maggie die Umrisse eines Mannes, der am Straßenrand saß und winkte. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen, als Maggie voll in die Bremsen stieg. Hastig stieg sie aus.
In dieser verlassenen Gegend im hohen Norden Schottlands kamen abends nur wenige Autos die Straße entlang. Hatte ihn vielleicht jemand angefahren? Oder war es ein Vagabund, der betrunken von der abends schon recht kühlen Witterung überrascht worden war?
Maggie stellte schnell fest, dass der Mann nicht nach Alkohol roch, aber dennoch einen seltsamen Eindruck machte. Er war völlig durchnässt und scheinbar stark unterkühlt. Er brauchte dringend Wärme und ärztliche Hilfe. Natürlich hatte Maggie im Zuge ihrer Ausbildung auch gelernt, einem Menschen in Not zu helfen, aber im Augenblick fühlte sie sich noch unsicher und etwas hilflos. Sie überlegte. Von hier aus war das nächste Anwesen Clarion Manors, seit ein paar Monaten in Besitz von George Felton, der aus dem fast verfallenen Herrschaftshaus