Als sich der Novize nach vorne beugte, um sich besser umsehen zu können, schoss aus der Mitte des Tümpels plötzlich etwas empor, sodass Wasser nach allen Seiten spritzte. Faolán verbarg sich erschrocken hinter einem umgestürzten Baumstamm. Vorsichtig hob er noch einmal den Kopf, um zu sehen, welches Untier aus den Tiefen des Tümpels aufgetaucht sein mochte.
Was er dann erblickte, raubte ihm beinahe den Atem, und er wollte seinen Augen nicht trauen. Erst als er ein zweites Mal hinschaute, begriff er. Dort unten im Weiher schwamm doch tatsächlich und unverkennbar ein Kind, mit kurzem Haar, etwa in seinem Alter. Obwohl das Haar nass und dunkel war, wusste Faolán doch, dass es trocken in der Sonne rot schimmern würde. Im gleichen Rot, wie er es erst vor kurzem gesehen hatte. Es war das Mädchen aus Neustatt!
Gebannt beobachtete der Novize heimlich und mit offenem Mund, wie sich das Mädchen im Tümpel vergnügte. Offensichtlich genoss sie ihr Bad und schien den Teich als ihr Eigen anzusehen. Unbeschwert tollte sie im Wasser umher. Faolán hatte zwar schon gehört, dass Menschen mittels bestimmter Bewegungen selbst in tiefem Wasser nicht untergingen, doch dass Schwimmen sogar Freude bereiten konnte, davon hatte er noch nichts vernommen.
Immer wieder tauchte das Mädchen ab, verschwand für einige Augenblicke im Dunkel des Tümpels und tauchte unerwartet an einer anderen Stelle wieder auf. Faolán wurde immer verwirrter. Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, durchquerte die Rothaarige den Teich mehrere Male und spielte vergnügt mit dem Wasser, wenn sie sich auf dem Rücken liegend treiben ließ.
Faolán hatte keine Ahnung, wie lange er bereits zugesehen hatte, als das Mädchen schließlich zum gegenüberliegenden Ufer schwamm und dem Weiher entstieg. Wassertropfen hafteten wie Perlen auf ihrer Haut, glitzerten im Licht der Sonne wie Edelsteine. Mit einigen Handbewegungen streifte das Mädchen den vermeintlichen Schatz von ihrem Körper, entnahm dem nahen Dickicht ein dünnes Gewand und zog es flink über.
Fasziniert und regungslos beobachtete Faolán alles aus seinem Versteck. Nichts gab seine Anwesenheit preis. Und dennoch drehte sich das Mädchen mit den nassen, zerzausten Haaren plötzlich zu ihm um, schaute ihn an und sprach mit lauter, klarer Stimme: „Bist du etwa so hässlich, dass du dich vor mir verstecken musst oder ist es besonders bequem dort oben? Pass auf, dass du dich nicht in die Nesseln setzt.“
Verwirrt begriff Faolán, dass er schon vor langem entdeckt worden war. Hitze stieg in seinen Kopf, und er wusste nicht, was er tun sollte. Beim Versuch aufzustehen, rutschte er aus und fiel hinten über. Er landete tatsächlich in den Brennnesseln, als hätte sie es geahnt. Seine Tollpatschigkeit rief bei dem Mädchen ein Kichern hervor. Faoláns Kopf wurde noch heißer. Nur kurz erwog er, davonzulaufen, entschied sich dann zu bleiben und erhob sich langsam aus seinem Versteck. Dabei vermied er den Blickkontakt mit der Rothaarigen und starrte verlegen in den dunklen Tümpel. Da er nichts sagte, sprach das Mädchen weiter:
„Du hättest auch ins Wasser kommen können. Selbst für einen Mönch ist es heiß heute, so dass ihm ein erfrischendes Bad gut tun würde. Oder verstößt das etwa gegen eure Regeln?“
Ihr Lächeln wirkte spöttisch und freundlich zugleich. Faolán nahm daran jedoch keinen Anstoß. Vielmehr verwirrte ihn die Frage, denn ein Bad zu nehmen war für einen Novizen undenkbar.
„Richtig, ähm, die Regularien … sie verbieten …“, stammelte Faolán vor sich hin, ohne Ahnung, was er eigentlich antworten wollte. Dann kam er zur Besinnung. „Außerdem bin ich kein Mönch!“
„Na, dann bist du vielleicht ein Mönchlein? Oder wie nennt man den Zögling eines Klosters? ‚Jungmönch vielleicht?“ Erneut kicherte das Mädchen leise.
„Novize … die Schüler einer Abtei nennt man Novizen. Ich bin ein Novize des Benediktinerklosters hier in der Nähe.“
Faolán war froh, endlich einen vollständigen Satz als Antwort bieten zu können, der sich nicht nach dümmlichem Gestammel anhörte. Warum nur hatte er mit einem Mal solche Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden?
„Ein Novize bist du also. Und als Novize darf man nicht baden?“
„Ähm, nein.“ Faolán stutze kurz, dann sagte er laut: „Das heißt doch. Wir dürfen schon baden. Allerdings nur, wenn es notwendig ist.“
„Und wer entscheidet für einen Novizen, wann ein Bad notwendig ist?“
„Der Abt oder der Prior, manchmal auch Bruder Wunhold im Hospital“, schoss es aus Faolán heraus, wieder erleichtert, eine vernünftige Auskunft geben zu können.
„Und sagen dir diese Mönche auch, wann du den Abtritt aufsuchen darfst?“
„Ja, … ähm, nein. Natürlich nicht. Das heißt, während der Andachten und der Gottesdienste ist das Aufsuchen des Abtritts selbstverständlich untersagt. Es sei denn, man hat so starke Blähungen, dass sie die Andacht der Mitbrüder stören könnten und eine Beleidigung des Herrn wären. Und baden darf man auch, wenn es die Gesundheit erfordert. Dann muss man auf Geheiß des Heilers in einen Zuber mit warmen Wasser und heilenden Kräutern steigen, deren Duft in der Nase kitzelt.“
Als Faolán bewusst wurde, was er da gesagt hatte, ärgerte er sich, dass er diesem Mädchen von den Blähungen alter Männer erzählte. Dümmlicher hätte er sich nicht anstellen können.
Das frech dreinblickende Mädchen war inzwischen um den Tümpel gegangen und hatte sich Faolán bis auf ein Dutzend Schritte genähert. Bei seinen letzten Worten hatte sie aufgehorcht. Das Lächeln war verschwunden und durch waches Interesse ersetzt. „Und woher kennt ihr die Kräuter und das Wissen um ihre Anwendung?“
„Hinter dem Hospital gibt es einen Kräutergarten. Dort lässt Bruder Wunhold viele der kostbaren Pflanzen für seine Pasten, Pillen und Tinkturen wachsen. Einige davon sind auch für Bäder geeignet.“
Nun betrachtete das Mädchen neugierig die Narbe auf Faoláns Wange. „Es scheint, als hättest du erst vor kurzem die Dienste dieses Mönches in Anspruch genommen.“
Beschämt wandte sich Faolán ab, damit sie das Wundmal nicht weiter anstarren konnte und antwortete: „Er hat all sein Können aufgewandt, um mich im Diesseits zu halten.“
„Hört sich ja beinahe so an, als seien die Mönche doch nicht so engstirnig und unbegabt.“
„Wie meinst du das, engstirnig und unbegabt? Wer behauptet das?“ Faolán war verärgert, denn er fand die Mönche alles andere als engstirnig. Er vergaß seine Scham über die Narbe und wandte sich wieder dem Mädchen zu.
Die Rothaarige ignorierte Faoláns Ärger und erklärte: „Das habe ich schon manchen sagen hören. Vor allem jene, die schon mehr gesehen haben, als nur das von einer Klostermauer eingeschlossene Leben. Ist es nicht schon ein kleines Wunder, dass sie einen jungen Novizen auf den Markt, in die böse, weite Welt ziehen lassen? Bisher war dieser dicke Mönch stets allein auf den Markt gekommen.“
Das kecke Lächeln kehrte wieder auf ihre Lippen zurück. „Mit einem Mal bedarf es jedoch eines Novizen, der ihm zur Hand geht. Warum? Er macht auf mich nicht den Eindruck, als sei er zu alt geworden, um dieser Aufgabe allein Herr zu werden. Gibt es vielleicht einen besonderen Grund für deine Anwesenheit? Oder ist es reiner Zufall?“
„Spotte nicht über das Alter!“, versuchte Faolán das Mädchen zu tadeln und war wieder leicht verärgert. Auf ihre Frage hatte er allerdings keine befriedigende Antwort. Deshalb wich er aus: „Bruder Ivo ist ein ehrwürdiger Mönch und ich lerne sehr viel von ihm. Es ist ein Privileg, mit ihm auf den Markt gehen zu dürfen, ganz gleich wie alt oder kraftvoll er ist.“
„Ich spotte weder über das Alter noch über den Mönch! Dafür aber über die merkwürdigen Regeln deiner Abtei. Richtest du dich etwa immer streng nach jedem Ge- und Verbot, das dir von einem der Klosterbrüder auferlegt wird?“
Weil Faolán nachdenklich stumm blieb, wertete das Mädchen sein Schweigen als Bestätigung und fuhr fort: „Du bist wenigstens ehrlich. Dieser dicke Mönch