City of Fallen Angels. Cassandra Clare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cassandra Clare
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Chroniken der Unterwelt
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783401801322
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dem fortgeschrittenen Trainingsprogramm vorbehalten, das auch den Einsatz von Waffen vorsah. Für die Sorte von Übungen, die sie im Augenblick absolvierte und die ihre Beweglichkeit, Schnelligkeit und Balance verbessern sollten, trug sie lediglich ein leichtes Trägertop und eine dünne Tunnelzughose, die sie an Krankenpflegerkleidung erinnerte. »Selbst wenn ihr nicht ausdrücklich vereinbart habt, euch mit niemand anderem zu verabreden, werden Isabelle und Maia trotzdem stocksauer sein, wenn sie herausfinden, dass du dich mit einem anderen Mädchen triffst, aber nichts davon erzählt hast – vor allem, wo die beiden sich auch noch kennen. Das ist eine ganz wichtige Beziehungsregel.«

      »Ah ja? Und woher soll ich diese Regel kennen?«

      »Jeder kennt diese Regel.«

      »Ich dachte, du wärst auf meiner Seite.«

      »Ich bin auf deiner Seite!«

      »Und warum kannst du dann nicht ein bisschen mehr Mitgefühl aufbringen?«

      Clary klemmte das Handy gegen das andere Ohr und spähte hinab in die Schatten unter ihr. Wo steckte Jace? Er war nur kurz verschwunden, um ein anderes Seil zu holen, und wollte in fünf Minuten zurück sein. Natürlich würde er sie umbringen, wenn er sie dabei erwischte, wie sie in dieser Höhe telefonierte. Normalerweise war er nicht für ihr Training zuständig; diese Aufgabe übernahmen in der Regel Maryse, Kadir oder irgendeines der anderen Mitglieder der New Yorker Division, die als Vertretung einsprangen, bis ein Ersatz für den früheren Tutor des Instituts, Hodge Starkweather, gefunden war. Aber wenn Jace in die Rolle ihres Trainers schlüpfte, nahm er seine Aufgabe sehr ernst.

      »Weil deine Probleme keine echten Probleme sind«, erwiderte Clary nun. »Du verabredest dich gleichzeitig mit zwei hübschen Mädchen. Denk mal darüber nach. Das sind eher… eher Rockstar-Probleme.«

      »Rockstar-Probleme sind wahrscheinlich das Einzige, das mich auch nur in die Nähe eines richtigen Rockstar-Daseins bringt.«

      »Niemand hat euch aufgefordert, eure Band Salacious Mold zu nennen.«

      »Wir heißen inzwischen Millennium Lint«, protestierte Simon.

      »Hör zu, Simon, klär diese Angelegenheit einfach. Wenn beide Mädchen denken, dass sie dich offiziell zu der Hochzeit begleiten, und dann während der Feier herausfinden, dass du dich mit beiden gleichzeitig triffst, werden sie dich umbringen.« Vorsichtig stand Clary auf. »Und das wird den Hochzeitstag meiner Mutter ruinieren und dann bringt sie dich um. Somit bist du dann doppelt tot. Oder dreifach, genau genommen…«

      »Ich habe weder der einen noch der anderen versprochen, mit ihr zur Hochzeit zu gehen!«, rief Simon panikerfüllt.

      »Ja schon, aber sie erwarten es von dir. Genau deshalb wollen Mädchen schließlich einen festen Freund: damit sie jemanden haben, der sie zu langweiligen Feiern und Veranstaltungen begleitet.« Clary balancierte zum Ende des Balkens und schaute hinab in die Schatten unter ihr, die nur schwach von Elbenlicht erhellt wurden. Auf dem Boden war ein mit Kreide aufgemalter Übungskreis zu erkennen, der sie an das Schwarze in einer Dartscheibe erinnerte. »Wie auch immer, ich jedenfalls muss jetzt irgendwie von diesem Balken herunterspringen und werde mir dabei wahrscheinlich das Genick brechen. Wir reden morgen weiter.«

      »Ich hab morgen um zwei Probe. Schon vergessen? Wir sehen uns dann dort.«

      »Okay.« Clary legte auf und schob sich das Handy in den BH. Die leichten Trainingsklamotten besaßen keine Taschen, also was blieb ihr anderes übrig?

      »Und, willst du die ganze Nacht da oben bleiben?«, fragte Jace, trat in die Mitte des Kreidekreises und schaute zu ihr hoch. Im Gegensatz zu Clary trug er seine schwarze Kampfmontur, von der sich seine hellen Haare deutlich abhoben. Seit dem Ende des Sommers waren die blonden Locken etwas nachgedunkelt und schimmerten nun in einem warmen Goldton statt wie vorher weizenblond – was ihm in Clarys Augen noch besser stand. Die Tatsache, dass sie ihn inzwischen lange genug kannte, um selbst kleine Veränderungen seines Erscheinungsbildes zu bemerken, machte sie einfach wahnsinnig glücklich.

      »Ich dachte, du wolltest hier raufkommen«, rief sie nach unten. »Hast du umdisponiert?«

      »Ist ’ne lange Geschichte«, erwiderte Jace grinsend. »Und, was ist jetzt? Willst du einen Salto üben?«

      Clary seufzte. Saltoübungen zu machen, bedeutete, dass sie sich vom Balken in die Tiefe stürzte und dann am elastischen Sicherungsseils hängend trainierte, sich von den Wänden abzudrücken, um die eigene Achse zu drehen und gleichzeitig Tritte auszuteilen, ohne auch nur einen Gedanken an den harten Boden und blaue Flecken zu verschwenden. Sie hatte Jace dabei beobachtet – und er sah immer aus wie ein fallender Engel, der mit wundervoller, tänzerischer Anmut durch die Luft wirbelte. Sie selbst dagegen kugelte sich wie ein Kartoffelkäfer zusammen, sobald der Boden näher kam, und es machte nicht den geringsten Unterschied, dass sie genau wusste, dass das Seil sie rechtzeitig auffangen würde.

      Allmählich fragte sie sich, ob es überhaupt noch eine Rolle spielte, dass sie eigentlich als Nephilim geboren war. Vielleicht war es für sie ja zu spät, um sich noch zu einer vollwertigen – oder zumindest zu einer halbwegs funktionstüchtigen – Schattenjägerin zu entwickeln. Oder möglicherweise waren die besonderen Gaben des Erzengels zwischen Jace und ihr irgendwie ungleichmäßig verteilt worden, sodass er sämtliche körperliche Anmut erhalten hatte und sie… na ja, jedenfalls nicht besonders viel davon.

      »Komm schon, Clary«, rief Jace. »Spring!«

      Clary schloss die Augen und sprang. Einen Moment lang fühlte sie sich, als würde sie frei in der Luft schweben, doch dann hatte die Schwerkraft sie wieder fest im Griff und sie sackte wie ein Stein nach unten. Instinktiv zog sie Arme und Beine ein und kniff die Augen fest zusammen. Das Seil straffte sich und sie federte zurück in Richtung Gebälk, ehe sie erneut hinabsauste. Als ihre Geschwindigkeit allmählich nachließ, öffnete sie die Augen und stellte dann fest, dass sie etwa eineinhalb Meter oberhalb von Jace in der Luft baumelte.

      »Na super«, sagte er grinsend. »Anmutig wie eine Schneeflocke.«

      »Hab ich geschrien?«, fragte Clary, aufrichtig neugierig. »Du weißt schon… auf dem Weg nach unten.«

      Jace nickte. »Glücklicherweise ist keiner von den anderen zu Hause, weil sie nämlich sonst angenommen hätten, ich würde dich umbringen.«

      »Ha! Du kommst ja noch nicht mal an mich heran.« Clary trat mit einem Fuß in seine Richtung und drehte sich träge am Seilende.

      Jace’ Augen funkelten. »Willst du wetten?«

      Clary kannte diesen Gesichtsausdruck. »Nein… nicht«, setzte sie rasch an, »lass das lieber…«

      Aber es war bereits zu spät: Jace hatte es schon getan. Seine Reaktionen waren so schnell, dass man die einzelnen Bewegungen kaum sehen konnte. Clary nahm nur wahr, dass seine Hand zu seinem Gürtel griff, und dann blitzte auch schon etwas in der Luft auf. Im nächsten Moment hörte sie, wie das Seil über ihr riss, und sie stürzte in freiem Fall in die Tiefe, zu überrascht, um laut aufzuschreien – und landete direkt in Jace’ Armen. Die Wucht des Aufpralls ließ ihn rückwärtstaumeln und sie krachten gemeinsam auf eine der dicken Turnmatten, Clary mitten auf ihm.

      Breit grinsend schaute er zu ihr hoch. »Na, das war doch schon viel besser«, bemerkte er süffisant. »Du hast überhaupt nicht geschrien.«

      »Dazu hatte ich auch keine Gelegenheit«, erwiderte Clary atemlos – nicht nur wegen des Aufpralls. Die Tatsache, dass sie mit gespreizten Armen und Beinen auf Jace lag und seinen Körper dicht an ihrem spürte, ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie hatte angenommen, dass seine körperliche Anziehungskraft – ihre gegenseitige körperliche Anziehungskraft – im Laufe der Zeit nachlassen würde, aber das war nicht passiert. Im Gegenteil: Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, umso schlimmer war es geworden. Oder besser – je nachdem, wie man es betrachtete, überlegte Clary.

      Jace musterte sie aus seinen dunkelgoldbraunen Augen und Clary fragte sich, ob deren Farbe wohl noch intensiver geworden war nach seiner Begegnung mit dem Erzengel Raziel am Ufer des Lyn-Sees in Idris. Schließlich konnte sie sonst niemanden danach fragen: Obwohl allen