City of Fallen Angels. Cassandra Clare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cassandra Clare
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Chroniken der Unterwelt
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783401801322
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      »Religionsunterricht«, murmelte Simon achselzuckend.

      »›Und Jakob gab dem Orte den Namen Peniel: Denn ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen.‹ Wie du siehst, bist du nicht der Einzige, der die Heilige Schrift kennt.« Der skeptische Ausdruck in ihren Augen war verschwunden und sie lächelte wieder. »Du magst dir dessen vielleicht nicht bewusst sein, Tageslichtler, aber solange du dieses Mal trägst, bist du der rächende Arm Gottes. Niemand kann sich gegen dich erheben. Und ganz gewiss kein Vampir.«

      »Haben Sie denn Angst vor mir?«, fragte Simon und bereute seine Worte fast im selben Moment.

      Camilles grüne Augen verdüsterten sich wie Gewitterwolken. »Ich? Angst vor dir?« Doch dann fasste sie sich wieder, ihre Gesichtszüge glätteten sich und ihre Miene hellte sich auf. »Natürlich nicht«, sagte sie. »Du bist ein intelligenter junger Mann. Ich bin fest davon überzeugt, dass du die Klugheit meines Angebotes erkennen und dich mir anschließen wirst.«

      »Und wie genau lautet Ihr Angebot? Ich meine, ich verstehe zwar den Teil, wo wir gemeinsam gegen Raphael vorgehen, aber was passiert danach? Schließlich hasse ich Raphael nicht abgrundtief und ich will ihn auch nicht einfach abservieren, nur um ihn los zu sein. Er lässt mich in Ruhe. Mehr habe ich nie gewollt.«

      Camille faltete die Hände in ihrem Schoß. An ihrem linken Mittelfinger trug sie über ihrem Handschuh einen silbernen Ring mit einem blauen Edelstein. »Du denkst nur, dass du genau das willst, Simon. Du glaubst, Raphael erweist dir einen Gefallen dadurch, dass er dich in Ruhe lässt, wie du es formulierst. Doch in Wahrheit treibt er dich in die Isolation. Im Moment magst du zwar denken, dass du keine anderen Vertreter deiner Art um dich herum brauchst. Du bist zufrieden mit den Freunden, die du derzeit hast – Menschen und Schattenjäger. Und du hast dich damit arrangiert, Flaschen mit Blut in deinem Zimmer zu verstecken und deiner Mutter etwas vorzulügen.«

      »Woher wissen Sie das…«

      Doch Camille ignorierte seinen Einwurf und fuhr ungerührt fort: »Aber was ist in zehn Jahren, wenn du eigentlich deinen sechsundzwanzigsten Geburtstag feiern solltest? Oder in zwanzig oder dreißig Jahren? Glaubst du ernsthaft, dass niemand merken wird, wie alle um dich herum altern und sich verändern, nur du nicht?«

      Simon schwieg. Er wollte Camille gegenüber nicht zugeben, dass er noch nicht so weit in die Zukunft gedacht hatte… dass er so weit gar nicht denken wollte.

      »Raphael hat dir das Gefühl gegeben, dass andere Vampire Gift für dich sind. Aber so muss es nicht notwendigerweise bleiben. Die Ewigkeit ist eine sehr lange Zeit, wenn man sie allein verbringen muss, ohne andere seiner Art – andere, die dich verstehen. Du bist mit den Schattenjägern befreundet, aber du kannst niemals einer der ihren werden. Du wirst immer anders sein, immer ein Außenseiter bleiben. Aber bei uns könntest du dazugehören.« Als die Vampirdame sich erneut vorbeugte, funkelte ihr Ring in einem grellen Licht, das Simon in den Augen stach. »Wir verfügen über jahrtausendealtes Wissen, das wir mit dir teilen könnten, Simon. Du könntest lernen, wie du deine wahre Identität vor anderen verborgen hältst oder wie du normal essen und trinken und den Namen Gottes aussprechen kannst. Raphael hat dieses Wissen grausamerweise vor dir geheim gehalten und dich sogar glauben gemacht, dass dies alles nicht existiert, nicht möglich ist. Aber es ist möglich. Und ich kann dir dabei helfen.«

      »Wenn ich zuerst Ihnen helfe«, erwiderte Simon.

      Camille lächelte, sodass ihre spitzen weißen Zähne zum Vorschein kamen. »Wir werden uns gegenseitig helfen.«

      Langsam lehnte Simon sich zurück. Der Eisenstuhl war hart und unbequem und plötzlich fühlte er sich sehr müde. Als er einen Blick auf seine Hände warf, konnte er die Adern in einem dunklen Ton durch die Haut schimmern sehen, wie ein Spinnennetz, das sich über seine Knöchel erstreckte. Er benötigte dringend Blut. Außerdem musste er unbedingt mit Clary reden – und er brauchte Zeit zum Nachdenken.

      »Ich habe dich schockiert«, fuhr Camille nun fort. »Ich weiß… es ist ziemlich viel auf einmal. Und ich würde dir liebend gern Zeit zum Nachdenken geben… so viel Zeit, wie du brauchst, um das alles zu verdauen und dir ein Urteil zu bilden. Aber so viel Zeit haben wir nicht, Simon. Solange ich mich in dieser Stadt aufhalte, schwebe ich in ständiger Gefahr, dass Raphael und seine Kohorten mir auflauern.«

      »Kohorten?« Trotz der ganzen Umstände musste Simon leicht grinsen.

      Camille wirkte verwirrt. »Ja. Und?«

      »Na ja, dieses Wort… ›Kohorte‹, das klingt genauso, als würde man ›Missetäter‹ sagen oder ›Lakai‹.«

      Die Vampirdame starrte ihn verständnislos an.

      Simon seufzte. »’tschuldigung. Wahrscheinlich haben Sie nicht annähernd so viele schlechte Filme gesehen wie ich.«

      Camille runzelte leicht die Stirn und zwischen ihren Augenbrauen zeichnete sich eine sehr feine Linie ab. »Man hat mir zwar gesagt, dass du ein wenig eigenartig wärst… Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich nicht viele Vampire deiner Generation kenne. Allerdings habe ich den Eindruck, es wird mir guttun, Umgang mit jemandem zu pflegen, der so… jung ist.«

      »Frisches Blut«, sagte Simon.

      Bei dieser Bemerkung musste Camille lächeln. »Dann bist du also bereit? Gewillt, mein Angebot anzunehmen? Und mit mir zusammenzuarbeiten?«

      Unentschlossen schaute Simon hinauf zum Nachthimmel. Die weiße Lichterkette schien sämtliche Sterne zu überstrahlen. »Ich… ich weiß Ihr Angebot zu schätzen«, sagte er nach einer Weile, »ganz ehrlich.« So ein Mist, dachte er. Es musste doch irgendeinen anderen Weg geben, das zu formulieren, ohne gleich wie jemand zu klingen, der eine Einladung zum Abschlussball ablehnt: Ich fühle mich wirklich geschmeichelt, aber… Dann kam ihm ein anderer Gedanke: Genau wie Raphael sprach auch Camille sehr förmlich und steif, als befände sie sich in einem Märchen. Vielleicht könnte er das ja mal versuchen… »Ich benötige etwas Zeit, um eine Entscheidung zu treffen«, setzte er an. »Das werden Sie doch gewiss verstehen.«

      Ein feines Lächeln umspielte Camilles Lippen, das nur die Spitzen ihrer Fangzähne zum Vorschein kommen ließ. »Du hast fünf Tage und keine Minute länger«, erwiderte sie und hielt ihm ihre behandschuhte Hand entgegen, in der irgendetwas schimmerte: eine kleine Glasphiole, etwa von der Größe eines Parfümpröbchens. Allerdings schien das Glasröhrchen ein dunkelbraunes Pulver zu enthalten. »Graberde«, erklärte Camille. »Wenn du die Phiole zerbrichst, werde ich wissen, dass du mich zu sprechen wünschst. Falls ich innerhalb der nächsten fünf Tage nichts von dir höre, werde ich Walker aussenden, um deine Antwort einzuholen.«

      Simon nahm das Glasröhrchen entgegen und steckte es in seine Jackentasche. »Und wenn meine Antwort Nein lautet?«, fragte er.

      »Das würde mich sehr enttäuschen. Aber wir würden als Freunde scheiden«, verkündete sie und schob dann ihr Weinglas von sich fort. »Auf Wiedersehen, Simon.«

      Als Simon sich erhob, erzeugte der Metallstuhl ein quietschendes Geräusch auf den Steinplatten, ein zu lautes Schleifen… Simon hatte das Gefühl, als müsste er noch irgendetwas sagen, aber er hatte keine Ahnung, was. Einstweilen schien er jedoch entlassen zu sein. Er beschloss, sich lieber wie einer dieser merkwürdigen modernen Vampire mit schlechten Manieren zu verhalten, als das Risiko einzugehen, erneut in ein Gespräch verwickelt zu werden. Also machte er ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz kehrt.

      Auf seinem Weg durch das Restaurant kam er an Walker und Archer vorbei, die in ihren langen grauen Mänteln und mit hängenden Schultern in der Nähe der wuchtigen Marmortheke warteten. Er spürte, wie sie ihn anstarrten, und winkte ihnen im Vorbeigehen kurz mit den Fingern zu – eine Mischung aus einer freundlichen Abschiedsgeste und einer Abfuhr. Archer fletschte die Zähne – stumpfe, menschliche Zähne – und marschierte dann in Richtung Gartenterrasse, dicht gefolgt von Walker. Simon sah, wie sie sich auf den Stühlen gegenüber von Camille niederließen, die allerdings nicht aufschaute, als die beiden Platz nahmen. Doch im nächsten Moment erloschen die weißen Lichterketten, die den Garten beleuchtet hatten, schlagartig – nicht einzeln, sondern alle gleichzeitig, sodass Simon auf eine vor seinen