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»Ich möchte meiner ehrlichen Befürchtung Ausdruck geben und feststellen, daß in dieser Nacht etwas passieren wird«, meinte Butler Parker. Er stand in Mike Randers Zimmer und schaute durch das Fenster auf die Straße von Wech-Lake hinunter. Mike Rander, der eine automatische Pistole reinigte, sah hoch und stand dann schließlich auf.
»Mister Blander ist zusammen mit seiner rechten Hand Heswell eben eingetroffen und muß sich in unserem Hotel befinden«, redete der Butler weiter. Dann sah er Hank Nebbel, der sich seinen Waffengut umgebunden hatte. Er schien angetrunken und ging in die Eckkneipe.
»Reicht das schon aus, Sie pessimistisch werden zu lassen?« fragte Rander verwundert.
»Blander ist nicht allein gekommen, er und Heswell wurden von vier stämmigen Männern begleitet, denen man nachts bestimmt nicht gern begegnen würde.«
»Womit rechnen Sie denn im Lauf der Nacht?«
»Mit Joe Prites Abtransport, der bisher noch nicht erfolgte«, antwortete der Butler. »Longer hat es wohl mit der Angst bekommen und läßt Prite abholen.«
»Dieser Joe Prite geht mir allerdings auch nicht aus dem Kopf«, meinte Mike Rander. »Er stellt für den Chef der Gangster eine permanente Gefahr dar. Ich bin gespannt, was man gegen ihn unternehmen wird. Ob man das Haus des Sheriffs stürmen wird?«
»Ich möchte die Führung dieses Falles bestimmt nicht an mich reißen«, sagte der Butler. »Aber wenn Sie mich fragen, Mister Rander, so sollten wir inzwischen unsere Positionen beziehen. In einer halben Stunde wird es dunkel sein.«
»Und was macht unser Leihwagen? Ist er noch betriebsklar?«
»Ich werde mich sofort davon überzeugen«, antwortete der Butler und verließ das Zimmer des Strafverteidigers. Er trug wie gewöhnlich seinen schwarzen Mantel, schwarze Schuhe, die Melone und hatte sich diesmal auch einen altertümlich aussehenden Regenschirm über den Arm gehängt.
Als er die Hotelhalle durchquerte, wurde er von den dort wartenden Männern neugierig angestarrt. Aber keiner von ihnen, selbst Blander nicht, richteten auch nur ein Wort an ihn. Man übersah Parker bewußt, oder man hatte wirklich so viel mit sich selbst zu tun, daß man auch durch den Anblick des Butlers nicht abgelenkt werden konnte. Parker ging zu dem Leihwagen, der auf dem Hof des kleinen Hotels stand. Er sah auf den ersten Blick, daß man sämtliche vier Reifen zerschnitten hatte.
Der Wagen stand lahm auf den Felgen, und die Reifen hatten sich zu seltsamen Gebilden geformt.
Parker sah, daß eine Reparatur mit den üblichen Mitteln völlig sinnlos gewesen wäre. Er mußte sich einen anderen Leihwagen mieten. Vielleicht konnte Hank Nebbel helfen.
Doch Nebbel, der seine Tankstelle geschlossen hatte, schüttelte nur den Kopf, als Parker seine Wünsche vorbrachte. Nein, einen Leihwagen hatte er nicht mehr an Parker zu vermieten. Auch schlauchlose Reifen besaß er nicht auf Lager, und auch sonst konnte er nicht helfen. Er wollte einfach nicht, und Parker besaß keine legale Möglichkeit, ihn dazu zu zwingen, den Wagen wieder fit zu machen. Er ging trotzdem aber neben. Nebbel her, als seien sie die besten Bekannten. Parker machte in Konversation und überschüttete den Mann mit einem Schwall nichtssagender Redensarten.
»Ich habe mir erzählen lassen, daß Sie das Grundstück Flanders von den Erben gekauft haben«, warf Parker schließlich beiläufig in die Unterhaltung.
»Das hat sich aber verdammt schnell herumgesprochen. Ja, ich will den Schutt ausräumen und dort eine neue Garage aufbauen. Die hier in Wech-Lake sollen noch Augen machen!«
»Liegt das Grundstück eigentlich so günstig zum Verkehr?«
»Der kleine Anfahrtsweg stört nicht«, entschied Nebbel. »Hauptsache, ich habe Platz und kann mich ausdehnen.«
»Miss Vera hat aber sehr schnell verkauft.«
»Sie tat’s, um Blander zu ärgern«, meinte Nebbel auflachend. »Er war ja wie der Teufel hinter dem Grundstück her.«
»Erstaunlich, erstaunlich«, sagte Parker wie zu sich selbst, »und ich war der Meinung, daß Mrs. Anderson etwas für Blander übrig habe.«
»Hat sie auch, aber diesmal hat die kleine Vera ihren eigenen Kopf durchgesetzt. Übrigens wundere ich mich auch, daß sie Norts nicht das Grundstück übertragen hat. Nein, sie verkaufte es mir, und ich habe ein tolles Geschäft gemacht.«
»Möge es Ihnen zum Glück verhelfen«, sagte Parker und verabschiedete sich von Nebbel, der auf seinem neu erworbenen Grundstück verschwand. Parker steuerte die Werkstätte Frank Norts’ an und hatte das Glück, den jungen Mechaniker anzutreffen. Er war übrigens nicht allein. In seinem kleinen Bretterverschlag, der ihm als Büro diente, hockte Vera Anderson. Ihrem Gesicht war auf Anhieb anzumerken, daß sie geweint hatte. Sie versuchte zwar, das zu vertuschen, doch der Butler war nicht zu täuschen.
»Ich möchte auf keinen Fall als Störenfried wirken«, entschuldigte er sich erst einmal. »Mister Norts, ich brauche dringend Ihre Hilfe. Man hat die Reifen unseres Wagens zerschnitten. Können Sie mit neuen Reifen aushelfen? Oder uns vielleicht einen Leihwagen zur Verfügung stellen?«
»Nein«, sagte Norts nur kurz angebunden.
»Darf ich mich nach dem Grund Ihrer Ablehnung erkundigen?« fragte der Butler höflich lächelnd weiter. »Ich brauche Sie wohl nicht darauf aufmerksam zu machen, daß ich in bar bezahle.«
»Nein«, erwiderte Norts nur wieder.
»Frank, warum willst du dem Herrn nicht helfen?« mischte sich Vera Anderson in die Unterhaltung ein.
»Du hast den Mund zu halten, das geht dich nichts an!«
»Ich muß sagen, daß ich sehr empört bin«, sagte Vera Anderson. »Ich freue mich, daß wir uns vor unserer Verlobung noch so gut kennengelernt haben. Ich glaube, daß wir uns nichts mehr zu sagen haben.«
»Vera!«
Norts hatte diesen Namen fast hilflos hervorgestoßen, aber als Vera sich nicht mehr zu ihm umwandte, hob er nur resigniert die Schultern und machte sich an einem auseinandergenommenen Motor zu schaffen. Parker verließ zusammen mit Vera Anderson die Werkstatt.
»Sie dürfen Mister Norts Ablehnung auf keinen Fall tragisch nehmen«, sagte der Butler vermittelnd. »Ich bin fest davon überzeugt, daß er für seine Weigerung ganz bestimmte und triftige Gründe anzuführen weiß.«
»Warum nennt er sie dann nicht!«
»Vielleicht sorgt er sich sehr um Sie, Miss Vera.«
»Um mich? Ich sehe da keinen Zusammenhang.«
»Lassen wir das Thema fallen«, schlug der Butler vor. »Ich weiß jetzt nur nicht, was ich machen soll. Eigenartigerweise sah sich auch Mister Nebbel nicht in der Lage, mir mit einem Wagen auszuhelfen.«
»Das sieht ja fast wie eine Verschwörung aus.«
»Wir wollen besser nicht übertreiben«, meinte der Butler lächelnd. »Mister Nebbel würde sich nicht als Verschwörer betätigen. Sie haben ihm übrigens das Grundstück des Doktors verkauft?«
»Er machte uns ein günstiges Angebot. Ich schlug sofort zu. Ich …«
»Wenn Sie Sorgen haben sollten, so vertrauen Sie sich mir an«, bat der Butler in ruhiger Selbstverständlichkeit. »Ich ahne übrigens, was Sie zu diesem schnellen Verkauf trieb.«
»Das können Sie nicht! Wirklich!«
»Man rief Sie wahrscheinlich an und teilte Ihnen mit, das Grundstück schnellstens an Nebbel zu übertragen, falls Ihrer Mutter nichts passieren sollte, war es nicht so?«
»Allerd… Woher wissen Sie das?«
Sie sah ihn vollkommen verblüfft an.
»Wann erfolgte dieser Anruf?«
»Eine gute Stunde, bevor Nebbel bei