Mike Rander hütete sich, Parker eine Frage zu stellen. Er wollte sich diese Blöße nicht geben. Er spürte aber, daß sich irgend etwas tat. – Dann waren plötzlich feine, schleichende Schritte zu hören.
Parker richtete sich auf.
Mike Rander biß sich nervös auf die Lippen.
Die feinen, schleifenden Geräusche erstarben, dann ächzte eine Dielenbohle und ein Glas klirrte. Das alles war so fein im Geräusch, daß man es fast nur erahnen konnte.
Erst als die schwere Falltür geöffnet wurde, quietschte eine Angel. Joe Prite, der das bestimmt genauso gut wie Rander und Parker gehört hatte, stöhnte auf. Er wußte, daß sein Mörder kam. Er wußte, daß er bald sterben sollte. Und in seiner Angst vergaß er bereits den ersten Besuch, der hier unten im Keller zusammen mit ihm auf den Mörder lauerte.
Die Falltür war aufgeklappt worden.
Kühle und frische Luft strich nach unten in den dumpfen Kellerraum. Und jetzt waren auch die Geräusche auf der Straße wesentlich deutlicher zu hören. In Wech-Lake schien der Teufel los zu sein. Alles mußte auf den Beinen sein.
Die eisernen Trittstufen der Steigleiter scharrten; aber man konnte die Gestalt, die nach unten kletterte, nicht erkennen, dazu war es selbst bei geöffneter Falltür zu dunkel.
Plötzlich flammte der starke Strahl einer Taschenlampe auf. Er saugte sich an Joe Prite fest und irrte nicht weiter durch den Raum. In dem Streulicht des Strahls war jetzt eine vermummte Gestalt zu erkennen, die sich vor Prite aufbaute. Butler Parker sah sofort, daß sie es tatsächlich mit dem maskierten Boß der Gangsterbande zu tun hatten. Diese Umrisse waren unverkennbar.
»Prite«, krächzte die verstellte und blecherne Stimme, »jetzt bist du an der Reihe, mein Junge! Du hast zuviel geredet, und du wirst alles daransetzen, deinen Kopf zu retten. Du weißt, was dir blüht?«
Prite konnte selbstverständlich nicht antworten.
Er wand sich wie ein getretener Wurm, und seine Augen starrten die vermummte Gestalt entsetzt an. Der maskierte Bandenchef aber redete mit sichtlichem Genuß weiter.
»Ihr Dummköpfe! Ihr habt alle nicht gewußt, um was es sich gehandelt hat. Banknotenfälschung, wie du diesem Raben erzählt hast, lag nie vor! Weiß Gott nicht, dazu hatte der liebe Flander keine Hand. Gut, daß wir dich nie in den Stollen hineingelassen haben. Aber daß du ihn kennst, genügt, um dich sterben zu lassen! Du würdest das Geheimnis früher oder später doch verraten!«
Prite war natürlich außerstande zu antworten.
»Ich kann dir jetzt sagen, was wir hergestellt haben«, redete inzwischen der Bandenboß weiter. »Wir haben …«
»Rauschgift hergestellt«, warf der Butler in diesem Moment ein. »Das ist doch längst kein Geheimnis mehr, Mrs. Anderson!«
Parkers Worte wirkten wie ein Donnerschlag.
Die vermummte Gestalt kreischte nun plötzlich sehr weiblich auf, und die Stimme klang nicht mehr verzerrt. Die Taschenlampe fiel zu Boden und erlosch, aber dafür schaltete Parker seine Lampe ein und ließ die vermummte Gestalt nicht aus dem Lichtstrahl.
»Mrs. Anderson, es wäre zu empfehlen, den Mummenschanz zu beenden«, redete Butler Parker weiter. »Nein, das würde ich aber bestimmt nicht tun!«
Butler Parker wurde gezwungen, etwas schneller zu schießen als der Boß der Gangster. Die vermummte Gestalt, die einen Revolver hatte hochreißen wollen, stieß einen Schmerzensschrei aus und krümmte sich.
Parker und Rander schossen nun aus ihrem Versteck hervor. Als der Umhang und die Gesichtsmaske abgerissen worden waren, standen sie tatsächlich der Witwe Anderson gegenüber, die sich stöhnend ihre angeschossene Hand hielt.
»Wir gehen besser nach oben«, meinte Parker, »dort kann man sich etwas besser unterhalten. Und wenn mich nicht alles täuscht, werden wir dort auch Sheriff Longer antreffen. Meiner Schätzung nach müßte er eigentlich schon zurück sein.«
Die knochige Witwe ließ sich widerstandslos nach oben in das Büro bringen. Dort setzte sie sich schwer atmend in einen Sessel und starrte trübselig vor sich hin.
»Mrs. Anderson, wir wollen zur Sache kommen«, begann Butler Parker. »Sie haben zusammen mit Doktor Flander Rauschgift hergestellt und es über eine geschickt aufgezogene Organisation vertrieben. War das so?«
»Ich hätte dich viel früher umbringen müssen«, zischte ihm die Witwe entgegen. »Ich streite alles ab. Ich habe mir unten im Keller nur einen Streich erlaubt.«
»Versuchen Sie, das dem Richter klarzumachen«, antwortete ihr der Butler. »Welche Chancen rechnen Sie sich denn eigentlich noch aus, Madame? Sie sind auf frischer Tat überführt worden. Es wird Ihnen nur noch ein Geständnis etwas helfen können!«
»Der Meinung bin ich auch«, schaltete sich Sheriff Longer ein, der das Büro durch die hintere Tür betreten hatte. Er grinste den Butler wohlwollend an und rieb sich die Hände. »Ich schätze, daß ich mich etwas verspätet habe, Mister Parker. Lebt Prite noch?«
»Er ist quicklebendig und wird sich ein Vergnügen daraus machen, Ihnen das Versteck des geheimen Labors zu verraten«, meinte der Butler. »Wir konnten Madame gerade noch daran hindern, Prite zu erschießen.«
»Ihr Spiel ist aus, Witwe Anderson«, sagte Longer. »Ich habe Sie seit Monaten beobachtet und alles getan, um vertrottelt zu wirken. Ich wußte aber, daß Sie zusammen mit Flander etwas aufgezogen hatten, und Flander selbst gab mir einen sanften Tip.«
»Ich kann mir unmöglich vorstellen, daß Flander angestiftet worden ist«, sagte Butler Parker. »Er wird die Witwe in sein verderbliches Spiel hineingezogen haben.«
»Flander, dieser Schwächling? Es hat. mich Schweiß gekostet, bis ich ihn soweit hatte«, brach es da aus der knochigen Witwe heraus. »Er war immer schon ein Waschlappen. Ich habe ihn erst auf den Trichter bringen müssen. Und später wollte er aussteigen und sich der Polizei stellen. Deshalb habe ich ihn von Renner und Prite erschießen lassen. Er hätte uns alle ans Messer geliefert, nur weil er plötzlich Gewissensbisse bekommen hat.«
»Wie sind Sie denn auf den Gedanken gekommen, Rauschgift herzustellen?« fragte Mike Rander.
»Ich habe das Zeug früher schon im Hospital geschnupft und bin nie mehr davon losgekommen«, redete die Witwe weiter. »Als mir das Geld ausging, habe ich mich an Flander herangemacht. Ich war seine Freundin, und er belieferte mich dafür mit dem Zeug. Später erpreßte ich ihn sanft und brachte ihn dazu, selbst die Ware zu destillieren. Wir haben ganz schön daran verdient, bis Flander dann aussteigen wollte. Es hat mir leid getan, daß ich ihn sterben lassen mußte; aber es ging eben nicht anders.«
»Zack geht ebenfalls auf Ihr Konto?« fragte Parker.
»Ist das so schwer zu erraten?«
»Renner?«
»Na, wenn schon, ich hatte keine Lust, mich verraten zu lassen. Aber ich habe nicht mit Ihrem Auftauchen gerechnet.«
»Sehr schmeichelhaft, aber Sie unterschätzen Sheriff Longer. Auch er hatte bestimmte Informationen eingezogen.«
»Mrs. Anderson, können Sie sich an die acht Monate Entziehungskur erinnern, der Sie sich unterwerfen mußten?« fragte Longer lächelnd. »Sie sehen, ich hatte mich bereits sehr damit befaßt. Wie gesagt, Flander gab mir diesen Tip und … Ihre Pupillen.«
»Sehr richtig«, sagte Parker, und er nickte. »Auch mir waren Ihre Pupillen aufgefallen, wenn Sie wieder mal geschnupft hatten. Darum besuchte ich Sie einige Male, um Unterschiede feststellen zu können. Aber was wichtiger ist, ich wußte gleich nach unserem ersten Zusammenstoß unten am See, wer der Boß der Gangster war.«
»Machen Sie sich bloß nicht wichtig.«
»Ihre Kernseife verriet Sie mir«, sagte der Butler. »Ich darf an dieser Stelle wohl einflechten, daß ich seinerzeit bei einem gewissen Lord of Wennersgrat als Butler arbeitete. Dieser besagte Lord hatte sich einen