Absichtlich gingen sie dann noch einmal auf das Grundstück des ermordeten Arztes und suchten in den Trümmern herum. Ob es ein Zufall war, daß kurz darauf Frank Norts erschien, war nicht zu ergründen. Der junge Mann lächelte Parker erstaunt an und nickte Rander zu.
»Ich hatte mir sagen lassen, Sie hätten Wech-Lake verlassen«, meinte er.
»Ich kann mich einfach nicht von diesem netten Ort trennen«, antwortete der Butler. »Sagen Sie, Mister Norts, die Lichtmaschine, von der Sie gesprochen haben, stand zuletzt dort in dem Schuppen, der jetzt abgebrannt ist?«
»Dort habe ich sie zuletzt gesehen«, erwiderte Norts.
»Sie waren nie in den Kellerräumen des Hauses?«
»Flander ließ mich nie nach unten gehen.«
»Ich habe mir sagen lassen, daß sich hier in unmittelbarer Nähe des Hauses früher einmal eine Mine befunden haben soll.«
»Doch, davon weiß ich auch«, erwiderte Frank Norts zögernd, »aber sie wurde schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt …«
»Wo befand sich eigentlich der Eingang zu dem Schacht?«
»Der muß drüben am Hügel gewesen sein … Wissen Sie, Mister Parker, ich habe mich nicht mehr darum gekümmert … Als Kinder haben wir dort mal gespielt, aber später zäunte der Doktor Flander alles ein. Vielleicht wollte er irgendwelche Unfälle verhindern … Der Boden dort am Hügel ist brüchig und unterwühlt … Da kann leicht einer absacken.«
»Sie dürfen mich keineswegs für übertrieben neugierig halten«, redete Parker weiter und verstellte Norts den Weg, »aber können Sie sich möglicherweise daran erinnern, ob Doktor Flander größere Umbauten in seinem Haus vorgenommen hat?«
»Da müssen sie schon Miss Anderson fragen«, antwortete Norts ausweichend. »Ich hatte mit Flander keinen besonderen Kontakt.«
Frank Norts fand eine Entschuldigung, sich schnell absetzen zu können. Parker, der hier im Freien seine Zigarre rauchen durfte, marschierte zu den Hügeln, wo sich die Mine früher einmal befunden haben sollte.
Im hohen, wuchernden Gras erkannte man jetzt tatsächlich verrostete Eisenschwellen, zwei Grubenhunde, die sehr verwittert aussahen, und verfaultes, mit Pilzen bedecktes Grubenholz. Nur der Eingang zur damaligen Mine war nicht mehr auszumachen. Vielleicht hatte ihn Doktor Flander zuschütten lassen?
»Ob man sich formell bei Blander die Erlaubnis einholen sollte, hier graben zu dürfen?« fragte Rander. »Falls er etwas zu verbergen hat, wird er uns bestimmt mit Ausflüchten kommen.«
»Ein Versuch kann nie schaden und zahlt sich so oder so immer aus«, antwortete der Butler. »Dieser Meinung und Ansicht war seinerzeit der Earl of Begsburr, der außerdem die Marotte hatte …«
»Verschonen Sie mich mit Ihren Erinnerungen«, wehrte Mike Rander ab. »Parker, Sie könnten eigentlich schnell anrufen, ich werde hier die Stellung halten.«
»Darf ich Sie auf Schrotschützen aufmerksam machen?« meinte der Butler. »Hier im Gelände jagt man mit Vorliebe nach Kaninchen … Es wäre wirklich sehr bedauerlich, wenn Sie einem Fehlschuß zum Opfer fallen würden.«
»Fragt sich«, erwiderte Mike Rander nachdenklich. »Als Sie, Parker, noch nicht hier in Wech-Lake erschienen waren, konnten sich die Gangster eine Menge erlauben. Im schlimmsten Fall alarmierten sie diesen betrunkenen Sheriff, der schon dafür sorgte, daß hier kein Ärger entstand.
Jetzt aber rühren auch wir noch in der Suppe herum. Es fragt sich, ob der Gangsterchef die Nerven besitzt, sich einen weiteren Skandal zu leisten.«
»Darf ich mir erlauben, etwas anderer Meinung zu sein?« schickte der Butler voraus. »Sie, Mister Rander, und ich, wir beide stehen meiner Schätzung nach unmittelbar vor einem Anschlag. Der Gangsterchef muß sich aus seinem Versteck herauswagen und zuschlagen. Wir haben uns schon zu intensiv mit ihm befaßt … Und die bisherigen Morde weisen eindeutig darauf hin, daß die Lösung des Rätsels sehr leicht zu finden ist. Umsonst mußten Flander, Zack und Renner nicht sterben …«
»Ist nur recht, wenn dieser Gangsterboß die Nerven verliert«, antwortete Rander und sann nach. »Er wird sich dabei zwangsläufig eine Blöße geben müssen.«
»Wir haben nur zu überleben«, sagte Parker, »damit haben wir bereits gewonnen.«
Übrigens hatte Blander nichts dagegen einzuwenden, daß Rander und Parker in den Trümmern herumwühlten. Er empfahl allerdings, sich doch an den neuen Besitzer des Grundstücks zu wenden, nämlich Vera Anderson, die als Haupterbin von Doktor Flander eingesetzt worden war. Das hatte die Testamentseröffnung am vorigen Tag nämlich ergeben.
»Das ist eine gute Gelegenheit, noch einmal bei Mrs. Anderson aufzutauchen«, sagte Parker zufrieden. »Sie werden erstaunt sein, wie unhöflich diese Dame sein kann, Mister Rander. Aber sie lebt wahrscheinlich in einer furchtbaren Angst vor dem Mörder Flanders. Sie fühlt sich umlauert und beobachtet.«
»Sie ist doch eine echte Mitwisserin, was Doktor Flander angeht«, erwiderte Rander. »Erstaunlich, daß ihr noch nichts passiert ist.«
»Sie ist eben auf der Hut.«
»Oder sie ist der Chef dieser Gangster, nach denen wir suchen!«
»Sie hat sich allerdings verdächtig gemacht«, bestätigte Butler Parker.
»Was ihre Körperkräfte und ihre Energie angeht, so traue ich ihr ohne weiteres zu, daß sie gut mit einer Waffe umgehen kann.«
»Warum reden Sie nicht weiter?«
»Ich möchte mich nicht festlegen«, erwiderte der Butler lächelnd, was mit aller gebotenen Zurückhaltung geschah, »aber gerade, weil Mrs. Anderson noch nicht behelligt worden ist, gerade deshalb könnte ein Trick des Gangsters vorliegen. Er will den Verdacht geschickt auf eine bestimmte Person konzentrieren.«
»Was hätte denn Ihrer Meinung nach geschehen müssen, um Mrs. Anderson unverdächtig werden zu lassen?«
»Hätte sie sich nicht selbst anfallen müssen?« fragte der Butler zurück.
»Ein fingierter Überfall, einige Schüsse, vielleicht sogar eine kleine Verwundung, das hätte Mrs. Anderson doch leicht in Szene setzen können. Als Mittäterin wäre sie doch dann aller Sorgen ledig gewesen.«
»Man könnte ihr ja diesen Vorschlag machen«, sagte Mike Rander auflachend. Sie hatten inzwischen das Haus der Witwe erreicht, das jetzt einer belagerten Festung glich. Mrs. Anderson hatte sämtliche Läden vor die Fenster gelegt, im Vorgarten tummelten sich einige wie wild gebärdende Hunde.
»Wie lösen Sie denn dieses Problem?« erkundigte sich Mike Rander angelegentlich bei seinem Butler. »Wie wollen Sie die Hunde beschwichtigen? Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich nur diesen Anzug mit mir führe. Eine zerrissene Hose kann ich mir unter keinen Umständen leisten.«
Als sie am Gartentor standen, hatten sich die drei Hunde vor dem Maschendraht versammelt und waren außer sich. Sie glichen tobenden Höllenhunden.
Doch der Butler wendete einen Trick an, der einen durchschlagenden Erfolg hatte. Er förderte eine kleine Streudose aus seiner Manteltasche und behandelte die drei kläffenden Hunde, als wollte er ein schwach gewürztes Mittagessen etwas aufwürzen, mit Pfeffer. Daraufhin verzogen sich die Köter sehr schnell und sehr brav und gaben so den Weg frei.
Als Parker und Rander vor der Haustür standen und geklingelt hatten, wurde eine Klappe in der Haustür geöffnet, und ein Gewehrlauf schob sich nach draußen.
»Ich lege auf Ihren Besuch keinen Wert«, sagte Mrs. Anderson, »wenn Sie nicht gleich wieder abdrehen, werde ich schießen.«
»Wir wollen Sie weiß Gott nicht belästigen«, erwiderte der Butler, höflich seine Melone schwenkend. »Wir möchten nur die Erlaubnis Ihrer Tochter einholen, um im Haus des Doktor Flander etwas nachforschen zu dürfen. Man teilte uns freundlicherweise mit, das Haus oder das, was davon übriggeblieben ist, sei Ihrer Tochter