Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943073
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Besucher herum. »Wo mag das Kaff überhaupt liegen?«

      Seine Frage kam viel zu spät.

      Butler Parker stand schon gebeugt über einen Atlas und suchte nach Wech-Lake. Konzentriert blätterte er herum, bis er den Ort endlich gefunden hatte.

      »Wech-Lake«, las er vor, »Bahnstation an der Strecke Chikago-Minneapolis-Grafton … Schnellexpreß hält nur auf besonderen Wunsch … liegt etwa dreißig Meilen von der Grenze entfernt …«

      Mike Rander war aufgestanden und wanderte in seinem Studio auf und ab. Daß dieser Kerl nicht aus Spaß gekommen war, lag auf der Hand. Er hatte bestimmt die Absicht gehabt, Gebrauch von der Waffe zu machen. – Aber aus welch einem Grund wohl? War er von örtlichen Gangstern angeheuert worden?

      Mike Rander hob den Kopf, als geklingelt wurde.

      Butler Parker stolzierte sofort in den Korridor und öffnete eine kleine Klappe. Durch ein raffiniertes System von Spiegeln konnte er den Besucher erkennen, der vor der Haustür stand. Dieser Mann trug eine brandneue Aktentasche und schien es sehr eilig zu haben. Er schaute sich wiederholt zur Straße um und trat von einem Fuß auf den anderen.

      Butler Parker bediente den elektrischen Türöffner und trat vorsichtshalber zur Seite. Gewarnt durch den Besuch an diesem Morgen, war er nicht erpicht darauf, angeschossen zu werden.

      Alles weitere spielte sich dann mit der Schnelligkeit eines Zeitraffers ab.

      Zweimal gab es ein dumpfes »Plop«.

      Der Mann, der in der geöffneten Haustür stand, sackte getroffen in sich zusammen. Zwei maskierte Männer erschienen auf der Treppe und entrissen dem Mann die Aktentasche. Wie durch Zauberei waren sie dann wieder in dem Vorgarten verschwunden, als seien sie vom Erdboden verschluckt worden.

      Butler Parker hörte zwar das Aufheulen eines Motors, aber er kümmerte sich erst einmal um den Mann, der halb im Korridor lag. Als er ihn umdrehte, sah er in ein schmales, gebräuntes Gesicht, dessen Oberlippe mit einem kleinen Bart versehen war.

      Parker brauchte nicht lange zu untersuchen, er sah auch so, daß der Mann bereits tot war. Die beiden Schüsse hatten ihn voll getroffen.

      Mike Rander, der Anwalt, der in den Korridor gekommen war, kniete neben dem Toten nieder. Er stellte keine Fragen, er wußte auch so, was sich da vor einigen Sekunden abgespielt hatte.

      Butler Parker rief von der Diele aus die nächste Polizeistation an.

      »Die Mordkommission wird in spätestens zehn Minuten hier sein«, berichtete er Mike Rander, als er zu dem Toten zurückgekommen war. Der Anwalt hatte die Brieftasche des Opfers hervorgezogen, ohne die Lage des Toten aber zu verändern.

      »Ich habe eine Überraschung für Sie, Parker«, sagte er, als er einen Blick auf die Papiere geworfen hatte.

      »Ich weiß, der Tote stammt aus Wech-Lake, nicht wahr?«

      »Allerdings«, erwiderte Mike Rander und stand auf. Er blätterte weiter in den Papieren herum. »Der Tote ist ein gewisser Hardy Flander … Er stammt aus Wech-Lake und arbeitete dort als Landarzt …«

      »Wenn ich mir den Vorschlag erlauben darf, so halte ich es für durchaus angebracht, diesem Wech-Lake einen kleinen Besuch abzustatten«, schlug Butler Parker vor. »Die Lösung des Mordes dürfte nur dort zu finden sein.«

      »Reservieren Sie uns zwei Schlafwagenkarten«, sagte Mike Rander.

      »Das wird sofort geschehen«, antwortete Butler Parker, »darf ich mich erkundigen, welche Waffen ich bereitstellen soll?«

      *

      Als der Expreß in Wech-Lake hielt, kletterte nur ein einziger Fahrgast auf den behelfsmäßigen Bahnsteig.

      Dieser Fahrgast trug eine steife und schwarze Melone, einen schwarzen Covercoat und schwarze Handschuhe, von den schwarzen Schuhen ganz zu schweigen. Nur der mitgeführte Koffer wich etwas von dieser Regel ab. Sein Schwarz wurde durch ein graues Lederschildchen gemildert, das am Griffbügel befestigt war.

      Butler Parker, der als Vorkommando nach Wech-Lake gefahren war und hier Quartier machen sollte, ging ohne Zögern auf das Holzhaus zu, das den Bahnsteig begrenzte. Er kümmerte sich nicht um die mehr als erstaunten Blicke, die ihm folgten. Er war es gewohnt, daß man sich nach ihm umdrehte.

      »Darf ich mir die Freiheit nehmen, mich nach einem Hotel zu erkundigen?« fragte er den Bahnbeamten, der aus dem Holzhaus gekommen war.

      »Wie bitte?« erwiderte der Mann und legte die geöffnete Hand hinter sein Ohr. »Sie suchen hier in Wech-Lake ein Hotel?«

      »Gewissermaßen«, entgegnete Butler Parker würdevoll.

      »Dann sind Sie aber mächtig auf dem Holzweg«, sagte der Beamte auflachend. »Sehen Sie sich Wech-Lake an. Was Sie dort hinten am Fluß sehen, das ist Wech-Lake … Ich wußte sofort, daß Sie falsch ausgestiegen sind.«

      »Mitnichten«, erwiderte Butler Parker und setzte den Koffer ab, »Wech-Lake ist mein Ziel … Darf ich mir gestatten, Ihnen eine Zigarre anzubieten?«

      Der Bahnbeamte kannte weder Butler Parker noch dessen Zigarren. – Daher griff er auch arglos in das bereitgehaltene Etui und wählte sich einen schwarzen Torpedo aus, den er kurzerhand und ohne viel Umstände in Brand setzte.

      Auch Butler Parker hatte sich inzwischen bedient, seine Brandvorbereitungen dauerten allerdings erheblich länger. Der Bahnbeamte paffte genießerisch drauflos, doch schon nach den ersten Zügen bekam er einen schrecklichen Hustenanfall. Völlig entgeistert starrte er dann auf die schwarze Zigarre.

      »Nicht wahr, ein kräftiges, vollmundiges Aroma?« meinte Butler Parker und sog genießerisch an seinem Torpedo herum. Der Bahnbeamte nickte ohne Begeisterung und hütete sich, noch einmal an der Zigarre zu ziehen. Er hustete noch immer.

      »Wir waren bei der Frage nach einem Hotel stehengeblieben«, sagte Butler Parker zielstrebig.

      »So etwas Ähnliches gibt es allerdings, aber viel Komfort dürfen Sie nicht erwarten.«

      »Habe ich da weit zu gehen?«

      »Sehen Sie dahinten den Steinbau, hart am Fluß …? Das ist Stimsons Restaurant … Er vermietet an Prospektoren, Viehtreiber und Sportangler … Sie werden dort bestimmt ein Zimmer bekommen. Wollen Sie auch angeln?«

      »Allerdings«, sagte Butler Parker, »ich las vor einiger Zeit ein Buch, das den Angelsport empfahl …«

      »Stimson wird Ihnen sicherlich Angelzeug ausleihen«, erklärte der Bahnbeamte. Er wollte automatisch die Zigarre zum Mund führen, erinnerte sich aber in letzter Sekunde der aufwühlenden Gewalt des schwarzen Torpedos. Er legte die Zigarre vorsichtig auf die Fensterbank und gönnte ihr keinen Blick mehr.

      Butler Parker hatte den Koffer hochgenommen und machte sich auf den Weg. Nach wenigen Schritten aber blieb er stehen und wendete sich noch einmal zu dem Bahnbeamten um, der die Zigarre gerade unter seinen Absätzen zermalmte.

      »Ich irre mich doch nicht in der Annahme, daß Doktor Flander hier in Wech-Lake wohnt, nein?«

      »Doc Flander …?«

      Der Bahnbeamte sah auf den Boden, als habe er dort Geld gefunden. Er schien dabei zu sein, sich seine Antwort zu überlegen. Butler Parker wartete geduldig auf die Antwort.

      »Meinten Sie Doc Flander?« vergewisserte sich der Beamte noch einmal.

      »Ein alter Freund und Bekannter von mir … Er schrieb mit vor einigen Tagen.«

      »Dann müssen Sie doch wissen, ob er noch hier wohnt.«

      »Das war eine logische Beweisführung«, lobte Butler Parker den Bahnbeamten. Er ließ den leicht verdutzten Mann stehen und marschierte mit seinen typischen Trippelschritten auf Wech-Lake zu.

      Der Bahnbeamte kratzte sich nachdenklich das Kinn und starrte gedankenverloren auf die zertrümmerten Reste der Zigarre. Dann sah er dem schwarzgekleideten Mann nach, der ihm unheimlich vorkam. Unheimlich schon deshalb, weil ihm die